Sterben für ein Dutzend Seeigel? Das wäre bescheuert, meint Thierry Bachelay und zwar im konkreten Sinn, nicht wie ich, die bei der Fischhändlerin Mireille, in der Rue Paratilla von Perpignan (Vidéo 0:47) haucht: Ich könnte sterben für ein Dutzend Seeigel.
Was ist geschehen? Laure Moysset schildert es in unserer Provinzzeitung L'Indépendant: Ce serait con de mourir pour une douzaine d'oursins.
Der Weltrekordler im Tauchen Thierry Bachelay ist pêcheur d'oursins, Seeigel-Fischer. Er verkauft seine Stacheltiere auf den Märkten und in Restaurants des Roussillon. Seit drei Jahren besitzt er im Fischereihafen Port-Vendres einen kleinen Abstellraum [siehe Foto im Artikel] und die Genehmigung, einige Bretter aufzubocken und seinen Fang im Hafen an Kundschaft zu verkaufen, zum Mitnehmen oder zum Essen vor Ort.
Das gefällt einem Konkurrenten nicht, der anscheinend meint, das Terrain gehöre allein ihm, und so beschließt er, sich des Thierry Bachelay zu entledigen. Dieser hat gegen 18:30 Uhr des 6. September 2011 eben seine Seeigel geöffnet und für die Touristen ausgebreitet, darunter zahlreiche neugierige Kinder, kommt hinter einem Lastwagen der Konkurrent hervor, einen Eimer mit Benzin in der Hand. Ohne ein Wort zu sagen, übergießt er die Seeigel, und fuchtelt mit einem Feuerzeug herum. Er gibt dem Thierry Bachelay einen Tritt in den Oberschenkel und schreit: "Ich habe dich gewarnt, nicht hierher zu kommen." Der getretene überlegt eben, ob er ins Hafenbecken springen soll, da steigt sein Konkurrent ins Auto und rast davon. Die Zeugen alarmieren die Hafenpolizei, die nimmt die Anzeige zu Protokoll: "Gewalt, gefolgt von mehr als acht Tagen währender Arbeitsunfähigkeit". Sein Arzt hat ihn für neun Tage krankgeschrieben.
Der Seeigel-Händler nimmt seine Arbeit nicht wieder auf: "Weder ich noch meine Kunden sind in Sicherheit. Alle Behörden des Hafens und der Bürgermeisterei haben alles in ihren Möglichkeiten stehende getan, aber das hat nichts geändert." Der Verantwortliche des Hafens bestätigt das: "Es wurde alles versucht, zu diskutieren, die Gemüter zu beschwichtigen. Aber ..."
Erst Ende November 2011 wird der Konkurrent vor einen Vertreter der Staatsanwaltschaft zitiert. Dort geschieht nichts, als daß man ihn über die Gesetzeslage belehrt. Mehr ist nicht. Thierry Bachelay sagt: "Alle wissen, was dieser Bursche getan hat, er ist an der ganzen Mittelmeerküste bekannt, und jedes Mal schlüpft er durchs Netz." Letzten Donnerstag will er seinen Stand am Kai von Port-Vendres wieder aufschlagen und erlebt eine schlimme Überraschung. Ein Kanister mit Altöl ist vor dem Tor seines Abstellraumes ausgeschüttet. Nun reicht's, meint Thierry Bachelay.
Es reicht schon lange, kann man da nur erwidern. Zur Einschätzung des Zustandes einer Gesellschaft bedarf es nicht der Analyse großer Skandale, im Gegenteil, sie führen oft auf falsche Fährten. Die Verfehlungen eines Dominique Strauss-Kahn werden von den Medien ausgeschlachtet, Informationen und Gerüchte verstellen den Blick auf die Wirklichkeit: Was ist tatsächlich geschehen in der Suite des New Yorker Sofitel, was ist dran an den Anschuldigungen der Tristane Banon? Die Öffentlichkeit wird es nie erfahren.
Was aber die Öffentlichkeit unter "Verschiedenes" in der Provinzpresse liest, das ist aussagekräftig. Justiz und Behörden Frankreichs kapitulieren bereits vor Kleinkriminellen. Wundert es noch jemanden, daß Banden der Muslime, les jeunes, in den Vorstädten unbehelligt ihr Unwesen treiben können? "Es wurde alles versucht, zu diskutieren, die Gemüter zu beschwichtigen." Alles, bis auf die Anwendung der für alle gültigen Gesetze. Justiz und Behörden, die Bürgermeisterei, sie bewegen sich im gesetzlosen Raum, und dort belassen sie Bürger, die sie schützen müßten. Der Seeigel-Taucher ist seinem Konkurrenten hilflos ausgeliefert, der bestimmt im Hafen von Port-Vendres die Richtlinien. Vielleicht hat er einflußreiche Gönner? Wie sollen solche Beamte der rohen Gewalt von radikalen Muslimen begegnen, oder anderen Schwerkriminellen, Drogenhändlern, Bankräubern?
Justiz und Behörden Frankreichs sind bankrott!