Olivier Guez meint, die Deutschen litten, die Juden, Israel und den Antisemitismus betreffend, seit Kriegsende unter selbst produzierten neurotischen Zuständen, er hält die Deutschen auf dem Gebiet für krank. Bricht auf Grund der Auflistung des SWC in Deutschland unter Verteidigern und Kritikern des Jakob Augstein Polemik aus, ein "polemisches Gewitter", so sieht er darin ebenfalls eine Krankheit, ein "kleines Psychodrama". Mit der Einordnung von Polemik als psychische Krankheit disqualifiziert er die Kritiker im Handstreich.
Dann macht er sich an das SWC, es habe nach dem Tod der "echten Nazis" und Kriegsverbrecher "neue Aufgaben gesucht: den Kampf gegen Antisemitismus." Demnach kann es heuer noch unechte Nazis geben, was immer das heißen mag; denn "Nazi" ist die Abkürzung für Nationalsozialist, ob PG oder nur Anhänger: Tun Leute so, als wären sie Nazis? Maßen sie sich etwas an, das ihnen nicht zukommt? Gibt es eine NSDAP-Aufbauorganisation (NSDAP-AO)? Wer sind sie? Sind es diejenigen, gegen die mit zig Millionen Euro der "Kampf gegen Rechts" geführt wird, die nicht wissen, daß sie das Erbe der "echten Nazis" angetreten haben sollen? Sind die Mitglieder der NPD gemeint, die paar, die nicht vom Verfassungsschutz dorthin abkommandiert sind?
Darauf geben weder das SWC noch Olivier Guez eine Antwort. Da man sich aber zu Freund oder Feind und dessen Äußerungen nur positionieren kann, wenn er als dieser oder jener identifiziert ist, sind die Bezichtigungen des SWC sowie die Beschönigungen des Olivier Guez beliebig, sie mögen stimmen oder nicht. Willkür führt dazu, daß Zitate des Jakob Augstein zwischen die Äußerungen von Führern der Muslimbrüder, des iranischen Präsidenten, des Carlos Latuff, von Fußball-Fans und Parteirednern geraten. So willkürlich wie die Bezichtigung dieser Personen und Gruppen, so ungeeignet sind die Begriffe "Antisemitismus" und "antisemitisch" zu ihrer Entlarvung. Diese Willkür führt dazu, daß Journalistenkollegen, Vertreter des ZdJ, persönliche und politische Freunde und Feinde des Jakob Augstein sich ebenso willkürlich in einem "kleinen polemischen Gewitter" entladen.
Nun ist die Luft rein, das SWC kann mit seiner Jagd auf Antisemiten und ihre Äußerungen fort- und damit Spendengelder, Ehrungen und Schelte einfahren, Olivier Guez wird endlich Jakob Augstein persönlich kennenlernen und dessen Dank entgegennehmen. Mit seinen politischen Ansichten, die er über Israel und die Palästinenser darlegt, paßt er ebenso in den FREITAG wie in FAZ, Cicero, Jüdische Allgemeine, Tages-Anzeiger, Le Temps, Huffington Post, Il Foglio, Le Monde, Libération, L’Histoire, Politique Internationale und Gazeta Wyborcza - und demnächst auch endlich in den SPIEGEL.
Erst wenn Artikel über Personen wie Jakob Augstein ganz ohne die Benutzung des Begriffes "Antisemitismus" auskommen und dennoch die Kritik auf den Punkt bringen, ist deren Treiben beizukommen. Mit dem "Antisemitismus" geht die Kritik daneben. Darum steht Jakob Augstein m.E. nach jetzt besser da als vorher. "Grenzwertig" sind seine Verlautbarungen über Israel gemessen am guten alten Antisemitismus der Wikipedia-Definition, da kann einem Juden wie Olivier Guez schon unwohl werden. Das vergeht aber schnell bei den Aussichten auf zukünftige Zusammenarbeit zwischen ihm und dem Augstein-Erben.
Wenn der Antisemitismus nicht im Vordergrund stünde, sondern die exakt nachzuweisenden Varianten des Ressentiments gegen Juden und Israel, wäre Schluß mit einem Artikel wie dem von Olivier Guez. Dann könnte er auch nicht mehr behaupten, "Antisemitismus, nicht nur Antizionismus, wütet in der moslemischen Welt"; denn da wüten seit 1400 Jahren die vom Koran vorgeschriebenen Judenverachtung und Judenhaß.