Update unterm Text
Am nächsten Tag, am 12. September 2001, fahre ich in meinem Auto zurück nach Berlin, das ist schon lange vorher so geplant. Im Autoradio, erst in Frankreich, dann in Deutschland, höre ich am 12. und 13. September 2001 Einschätzungen, die ich nie für möglich gehalten hätte. Die Kommentare der Franzosen liegen zwischen Mitleid und Fassungslosigkeit. Trotz des in Frankreich herrschenden Anti-Amerikanismus halten sich die Tiefschläge noch in den Tagen danach in Grenzen, bis Staatspräsident Jacques Chirac während eines lange vor 9/11 terminierten Staatsbesuchs bei George W. Bush diesem am 18. September 2001 in Washington mitleids- und gnadenlos als Gastgeschenk ein Vorabexemplar des Buches von Jean-Charles Brisard und Guillaume Dasquié Ben Laden. La Vérité interdite. Die verbotene Wahrheit. Forbidden Truth überreicht, man könnte auch sagen, um die Ohren haut.
Die deutschen Beiträge der Folgetage und -monate liegen alle im Bereich dessen, was Henryk M. Broder über Peter Sloterdijk, Eugen Drewermann, Roger Willemsen, Adrienne Goehler und Wolfgang Benz berichtet, die Kommentatoren überschlagen sich in ihrer Kaltschnäuzigkeit, der Rechthaberei, in ihrer Erhabenheit über die Opfer, sie versinken in Haß und Neid, und da wird mir zum ersten Mal klar, daß meine Entscheidung, aus Berlin und aus Deutschland fortzuziehen in den äußersten südwestlichen Winkel Frankreichs, nach Katalonien, die einzig richtige ist.
Dies vorweg zum Thema "Der Tag, der sich unauslöschlich in mein Gedächtnis eingebrannt hat."
Peter Sloterdijk hat mich bislang wenig gekümmert, Philosophen sind nicht mein Ding, aber dann läuft er mir zwangsläufig übern Weg, als er gemeinsam mit Edgar Morin, Michel Rocard und Richard von Weizsäcker aus einem Collegium International heraus für sein Idol Stéphane Hessel (pbuh) den Friedensnobelpreis fordert, und das zu einer Zeit, als sämtliche Lügen, Angebereien, Verdrehungen dieses Juden- und Israelhassers bekannt sind. Damit dem Kämpfer für die Palästinenser und die Interessen der Regierung und der Wirtschaft Frankreichs die Wartezeit nicht zu lang wird, bekommt er zwischendrin einen Kulturpreis, den Myschkin-Preis. Es ist nachzulesen im Artikel Stéphane Hessel zwischen Widerstandskampf und Friedensnobelpreis. Französisch heißt die Anmaßung Collegium international éthique, scientifique et politique. Darunter tun es gewöhnliche Israelfeinde nicht; denn ihre Haßtiraden auf Israel sind ethisch, wissenschaftlich und politisch motiviert und gerechtfertigt. Stéphane Hessel küren sie zu seinen Lebzeiten zum Vizepräsidenten des Collegium, und da soll er laut ihrer Website als vergeistigter Lügenbaron noch bis 2103 walten. Die UNESCO ist selbstverständlich mit von der Partie: Es lebe "Palästina".
Henryk M. Broder verlinkt meinen Artikel auf der Achse des Guten unter seinem Artikel Klarheit vor Einheit. Dort kündigt er an, seinen Börne-Preis zurückzugeben, den er 2007 empfangen hat. Das finde ich angemessen, ich gratuliere ihm. Es ist lange nicht dagewesen, daß auf der Achse ein Artikel von mir verlinkt wird. Dann erklärt der ehemalige Metallbanker und Vermögensberater von Bundesbankern, der "äußerst umtriebige" Dr. Michael Gotthelf, Gründer und Vorsitzender der Börne-Stiftung, er wisse nichts von der Rückgabe, und er ergänzt, daß dann selbstverständlich auch das Preisgeld fällig werde, 20 000€: Bei Nichtgefallen Geld zurück. Jetzt weiß ich endlich, was das heißt.
Auf Quotenqueen tobe ich im Thread "Broder macht den Heino" herum: Wenn Henryk M. Broder jetzt den Preis nicht zurückgibt, dann ist er für mich für alle Zeit erledigt. Ich schaue mir die früheren Preisträger und ihre Laudatoren an und kommentiere: Die sind reichlich durchwachsen, und damit meine ich nicht den Preisträger und -richter Marcel Reich-Ranicki. In Deutschland gibt es anscheinend nur noch halbseidene Preise, aber wenn 20 000 € lachen, dann sieht die Welt schon rosiger aus, gelle? Heta antwortet: "Es wird ein 'klärendes Gespräch' zwischen Broder und Gotthelf geben, über das die Agenturen berichten, Broder hat sich ein bisschen aufgeregt, hat sich aber wieder beruhigen lassen, behält seinen Preis (und die 20.000) und alles bleibt beim Alten. Ich würde das nicht so streng sehen, ist doch alles Unterhaltung." Ich muß noch viel lernen. Dann lasse ich es sein, soll er doch Aufstand machen und dann nicht das Geld zurückgeben, es ist "doch alles nur Unterhaltung".
Hin&wieder schaue ich, ob's Neuigkeiten gibt. Nein, keine. Ein bayerischer Sepp aus den USA wird für Peter Sloterdijk die Lobrede halten, ein älterer Herr mit vielen Ehrentiteln. Er ist auch sein Preisrichter: "Peter Sloderdijk schaffe es regelmäßig, die Öffentlichkeit in 'intensive Zustände intellektueller Wachheit' zu versetzen, begründet Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht seine Wahl."
Einen dieser Zustände hat Henryk M. Broder schon geschildert, 9/11, ich habe einen zweiten nachgeliefert, Stéphane Hessel. Von der Börne-Stiftung wird prämiert, wer die Öffentlichkeit in den Zustand des Deliriums versetzt, was den Haß auf die USA und Israel angeht, prämiert wird die Verachtung der USA und Israels. Allmählich bekomme ich Zweifel, um welchen Laden es sich bei der Börne-Stiftung handelt. Wer sind die Geldgeber? Unter anderem Privatleute, die nicht genannt werden wollen. Wer ist im Vorstand dieses seit zwanzig Jahren wirkenden Vereins? Prof. Salomon Korn, schämen Sie sich nicht? Es dämmert mir allmählich, Henryk M. Broder hätte seinen Preis niemals annehmen sollen, das war schon der erste Fehler, aber 20 000€, wie gesagt, das ist eine Menge an Argumenten. Allerdings kommt es ab 2007 dicke, Frank Schirrmacher, Joachim Gauck, die Stiftung läßt nichts aus, sich als Institution des Zeitgeistes zu profilieren. Ludwig Börne rotiert im Grabe. Nein, Heta, das ist keine Unterhaltung mehr, das ist Indoktrination, Lenkung der öffentlichen Meinung.
Und nun legt Henryk M. Boder nach: Der Bluthund unter den Philosophen. Es zieht einem die Schuhe aus! Peter Sloterdijk meint, am 24. September 2001, als er längst hätte ausgeschlafen haben können, in einem Artikel für den Focus: Der 11. September ist eine Tat "militanter Islamisten", er differenziert nicht nur zwischen Muslimen und Islamisten, sondern unter ihnen gibt's auch noch friedliche und militante. So atomisiert er, was nicht zu atomisieren ist. Atomisierung funktioniert nicht mit dem Islam, die funktioniert nur mit der westlichen Gesellschaft, die kann ein Philosoph des Formates von Peter Sloterdijk atomisieren, die Strukturen wegdefinieren; daß sie doch noch widerstehen, verdankt man Bewegungen wie der Demonstration gegen die "Ehe für alle". Der konkrete Krieg des Islam und der ihm Unterworfenen wird bei Peter Sloterdijk zu einem "Krieg", der "in der rechten Hemisphäre von Amerikaner- und Europäergehirnen" stattfindet, zu einer psychologischen Angelegenheit von sogenannten Islamophoben, von Kranken.
Der Terrorangriff der Muslime auf die New Yorker Türme wird von Peter Sloterdijk zur Symbollik, getroffen wird das "symbolische Nervenzentrum". Die Flugzeuge der Attentäter haben weniger die Türme zum Einsturz gebracht, als "riesige Krater in den Gehirnen der Angegriffenen aufgerissen". Die Toten sind "beklagenswert", immerhin, aber das zerstörte Leben von 3000 Menschen ist von marginaler Bedeutung. Die Verteidigung gegen den Angriff der al-Qaida sei für die USA und den Westen "das letzte Mittel, die desolate Konjunktur in Schwung zu bringen." Dann verfällt der Philosoph den Mythen: David und Goliath, wobei die Muslime selbstverständlich der David sind. Der Mann hört nicht mehr auf in seinem Wahn, man überzeuge sich selbst. Es ist auch klar, daß Peter Sloterdijk die Deutungshoheit über das Verbrechen hat, er bestimmt, was aus dem Gleichgewicht ist, und wie es wiederhergestellt werden soll, nämlich nach deutscher Herrenmenschenart.
Er beweist in seinem Focus-Beitrag, daß er vom Islam nichts versteht und nichts von der Geschichte. Für ihn sind die Terroristen Teil einer "benachteiligten und gekränkten Welt". Er scheint niemals etwas von der Geschichte des Islam und seinen Eroberungen seit dem 7. Jahrhundert vernommen zu haben, von der Arabisierung und Unterdrückung der eroberten Völker, nichts vom Sklavenhandel, einfach von gar nichts, das den Islam ausmacht. Der Glaubenskampf der Muslime wird bei ihm zum "Mythos vom Turmbau zu Babel für eine arabisierende Lesart". Man sollte meinen, die Terroristen wären bei Peter Sloterdijk in die Philosophie-Vorlesung gegangen. Die Interpretation der Welt nach Herrenmenschenart kann man bei ihm lernen, der Anti-Amerikanismus kommt im letzten Abschnitt seiner Tirade noch dran: "ein rechtshemisphärisch aufgewühltes, falsch ergriffenes, unkritisierbar gewordenes und falsch beratenes US-Amerika".
Peter Sloterdijk bestimmt, was falsch ist und was richtig, wie einer richtig ergriffen und beraten ist. Da müßte der Autor jetzt ganz zufrieden sein; denn Barack Obama hat die in diesem Sinne "richtigen" Berater. Der Philosoph im Elfenbeinturm, der sein Gesicht dann zeigt, wenn es gegen die USA und gegen Israel geht, der bekommt jetzt den Börne-Preis, einer, der sich anmaßt, von flammenden Menetekeln zu reden, der dem George W. Bush nebenbei Leseschwäche vorwirft. Man erinnert sich an das Buch, das der im Kindergarten falsch herum hält, als ihm die Nachricht geflüstert wird?
Peter Sloterdijk ist einer, der trotz Lesefähigkeit nichts begreift, der gewogen und zu leicht befunden wird. Einen solchen auszuzeichnen, beweist, daß Deutschland bereits abgeschafft ist. Und nun komme ich zurück zu Henryk M. Broder und der Rückgabe des Börne-Preises. Vergessen meine Bemerkungen auf Quotenqueen! Was soll die Verrenkung mit dem Fonds für die Opfer von 9/11: "Aber ich werde das Geld an eine caritative Organisation in Israel überweisen, die sich um die Opfer von Terroranschlägen und deren Angehörige kümmert. Unter einer Bedingung. Wenn Sloterdijk sein Preisgeld an den September 11th Victim Compensation Fund überweist. Mach mal hinne, Sloti!"
Was das Preisgeld angeht, da hätte ich an Henryk M. Broders Stelle offensiv formuliert: Ihr reichen Säcke, die Ihr Ludwig Börne mißbraucht, einen USA- und Israelhasser zu prämieren, bildet Euch nicht ein, Ihr kriegt das Geld wieder! Keinen Euro; denn damit würdet Ihr nur neuen Unsinn machen!
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Börne-Preis. Sloterdijk, fordert eine "Ethik der Zurückhaltung". Von Mara Delius