19. September 2013

Bundestagswahl. Südeuropäer, Untertanen Angela Merkels


Die AFP gibt aus Madrid, am Morgen des 18. September 2013, um 7:46 Uhr, einen Kommentar heraus, der sich heute in zahlreichen französischen Zeitungen wiederfindet, auch in meinem Provinzblatt L'Indépendant. Leider ist er nicht online, aber einen ähnlichen Text liest man online in der AfricaTime.

Elections allemandes : inquiète, l'Europe du Sud espère un virage vers moins d'austérité. Deutsche Wahlen: beunruhigt hofft Südeuropa auf eine Wende in Richtung weniger Sparmaßnahmen. Das Foto der lächelnden Angela Merkel anbei.

Und dann geht's richtig ab. Deutschland erlegt den südeuropäischen Ländern Sparmaßnahmen auf, man fürchte die Wiederwahl Angela Merkels, aber es bestünde auch ein Rest Hoffnung, daß alles nicht so schlimm kommen werde. Zitiert wird Daniel Correa, ein 33-jähriger Spanier, der von Madrid aus  eine Website Citizens for Europe betreibt, eine Plattform von durchweg linken europäischen Organisationen. Die wird von der EU finanziert, was nicht im Artikel steht. Angesagt ist dort das komplette Programm des linken Flügels der sozialistischen Regierung Frankreichs sowie aller sonstigen Spontis, Träumer und Anarchos: Nichts verstehen, nichts verändern, nichts wissen: Good news: Citizens For Europe along with all its European partners have been granted the Grundtvig Learning Exchange funding.

"Wir bedürfen eines Wechsels". Angela Merkel behandle die anderen Länder wie ihre Untertanen, ses sujets (personnes soumises à une autorité), und nicht wie die Mitglieder einer Mannschaft. Der Schrei sei bis nach Deutschland gedrungen, dort gebe es daraufhin eine Internet-Plattform Electoral Rebellion. Ungefähr fünfzig Wähler hätten sich entschieden, in die Wahlurnen jeweils einen Wahlzettel zu werfen, der symbolisch von Wählern anderer Länder ausgewählt werde. Daniel Correa sei einer von ihnen. Die entgegen dem deutschen Wahlrecht, also gesetzwidrig agitierende Gruppe unterhält einen Facebook-Auftritt, die taz propagiert die Kampagne, und die deutschen Steuerzahler wissen einmal mehr, wozu die Gelder dienen, die im bundesdeutschen Haushalt für die EU eingestellt sind, nämlich zur Beseitigung des Nationalstaates:

A rebellion for global democracy – Germans give their votes to people abroad
Verschenke deine Stimme und setze ein Zeichen für globale Demokratie!

Ein taz-Kommentator meint, durch die Aktion könnte die gesamte Bundestagswahl ungültig werden. Die Kommentare sind lesenswert, die versammelten Idealisten, die schon immer den größten Müllhaufen der Geschichte gebildet haben, sind in Mission unterwegs:

"Das ist doch Unsinn, dass diese Aktion dem deutschen Wahlrecht widerspricht. Jeder kann seine Entscheidung von welchen Kriterien auch immer abhängig machen. Was gibt es Ehrenwerteres und im Zeitalter der Globalisierung Verantwortungsvolleres als Rücksicht zu nehmen auf Bedürfnisse und Gefühle von Leuten in anderen Ländern, wo sie bisher ohnmächtig gegenüber den sie betreffenden Entscheidungen der Regierung des zurzeit mächtigen und wohlhabenden Deutschland da standen, ein Wohlstand übrigens, der von den derzeitig in Krise befindlichen Ländern mitfinanziert wurde. Ist es da nicht ein winziger aber erfreulicher Ausgleich gegenüber der Hartherzigkeit einer Bundesregierung, die in ihren geldpolitischen Maßnahmen fast einzig und allein auf die möglichen Reaktionen des deutschen Wählers achtet?"

Ich habe nach Belehrung durch den Wahlleiter eine "Versicherung an Eides statt zur Briefwahl" unterschrieben: "Nach § 14 Abs. 4 des Bundeswahlgesetzes darf jeder Wahlberechtigte sein Wahlrecht nur einmal und nur persönlich ausüben. Wer unbefugt wählt oder sonst ein unrichtiges Ergebnis einer Wahl herbeiführt oder das Ergebnis verfälscht oder eine solche Tat versucht, wird nach § 107a Abs. 1 und 3 des Strafgesetzbuches mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Einer der Rebellen und Initiator der Kampagne ist laut AFP der in Berlin lebende 28-jährige Oxfam-Aktivist Filip Nohe, web campaigner and editor; er betreibt den egalityblog. Ob der ebenfalls von der EU finanziert wird, ist nicht bekannt.

Die Troika aus EU, IWF und EZB jedenfalls wird laut AFP von einigen beschuldigt, daß sie von Deutschland gelenkt wird. Von Christine Lagarde und Mario Draghi haben die Linken wohl noch nie gehört? Marionetten der Bundesregierung?

Von diesen Kreisen wird Deutschland verunglimpft, Radiospots tönen mit deutschem Akzent, um die Sparsamkeit recht herauszustellen, Ende 2012 wird Angela Merkel in Lissabon mit Karikaturen und Slogans empfangen. Die Griechen seien ebenfalls empört über die deutsche Politik, schreibt AFP, die Troika, also Deutschland, unterdrücke sie. Der Gewerkschaftsführer Yannis Panagopoulos sehe bei einer Wiederwahl Angela Merkels die Verewigung der Sparpolitik, das bedeute weitere Zerstörung von Unternehmen und einen ungewissen Ausgang aus der Krise. Die Spanier richteten ihre Wut derer Skandale und Korruption wegen mehr gegen ihre eigenen Politiker, "aber das Ansehen Deutschlands hat sich ebenfalls verschlechtert."

Von einer Positionierung direkt hinter Barack Obama, im Jahr 2009, sei Angela Merkel gemäß der privaten Stiftung von Su Alteza Real Don Felipe de Borbón y Grecia, des Prinzen von Asturien, Real Instituto Elcano, von AFP als "Forschungsinstitut Elcano" vorgestellt, in diesem Jahr vom zweiten auf den zehnten Platz, von 13, in den Abgrund auf dem Beliebtheitsbarometer gesunken, gerade noch eben vor Wladimir Putin - o una salchicha reventa de risa sobre una escalera en Hamburgo.

Gegen Ende der AFP-Nachricht gibt's noch ein bißchen unzufriedenes Italien, "Opfer der schlimmsten Rezession seiner Geschichte". Zitiert wird Maurizio Ricci, ein Journalist "der linken Zeitung La Repubblica", der einen Wahlsieg Angela Merkels fürchte, "was allgemeine Sparpolitik, Mißtrauen gegenüber Europa, eifersüchtige Verteidigung nationaler Interessen" bedeute.

Die Sozialdemokraten würden die Rettung in einer Großen Koalition bringen, sie machten sich schon bereit, mit Angela Merkel zu regieren.

Danke, Elodie Cuzin, Journaliste en Espagne, Korrespondentin aller linken Auftritte, von AFP und El País zu Libération, Le Monde, Marianne und Rue89. Wenn Sie mir nur noch erklären könnten, was die von Ihnen beweinten Länder bewegt, in der Euro-Zone zu bleiben, und warum Deutschland mit diesen Mitstreitern, ses sujets, ihren Untertanen, in der gemeinsamen Währung Euro bleiben sollte, wäre ich um eine Erkenntnis reicher.