La France ?
Fortsetzung. Die Forderungen der Familie Dibrani
Dort ist EADS ansässig, von dort nach Paris braucht es schnelle Verbindungen. Darum wird der Bau der Schnellbahn-Trasse von Toulouse nach Bordeaux als einzige von den Bahnprojekten prioritär behandelt, der TGV nach Spanien, über Montpellier, Perpignan, Katalonien, und Hendaye, Baskenland, sowie Italien, Strecke Lyon - Turin, dagegen ad calendas graecas, mindestens jedoch bis 2030, verschoben. Diese Strecken verbinden nicht mit Paris. Alle anderen Städte, Nantes, Rennes, Lille sind ausgerichtet auf Paris. Die Städte im Südosten, Lyon, Marseille, Montpellier, von Perpignan und Hendaye oder gar kleineren Ortschaften nicht zu reden, genießen keinerlei Beachtung.
Für die nationale Politik besitzt keine Stadt in Frankreich eine eigene Existenzberechtigung, sie sind alle nur bedeutend in Hinblick auf Paris, auf ihre Funktion für die dortige Regierung. Frankreich besteht aus Paris und Umgebung. Die 38 Minister der Regierung sind in großer Mehrheit aus "Frankreich", vor allem aus der näheren Umgebung von Paris, und so bestimmt das Geschehen dort auch die Aktualitätenseiten der Provinzblätter. Die Leser dürfen teilhaben an den Scharmützeln in fernen Landen, in der großen Stadt, dem Museum, der Hauptstadt des 19. Jahrhunderts, wie Walter Benjamin Paris, im Jahr 1935, treffend bezeichnet hat. Sie nehmen Ereignisse zur Kenntnis, die nichts mit ihnen zu tun haben, eine Schilderung der Landung auf dem Mars könnte ihnen nicht ferner liegen.
Besançon liegt gleich hinter der Demarkationslinie, den Regierenden in "Frankreich" gerade noch im Blickfeld, da wohnt bis zum 8. bzw. 9. Oktober 2013 eine aus dem Kosovo stammende neunköpfige Familie, die am 26. Januar 2009 von Italien nach Frankreich eingereist ist, und deren Asylantrag durch alle Instanzen Frankreichs abgelehnt wurde. Die Familie wird zurückgeschickt nach Mitrovica, ins Kosovo, die 15-jährige Leonarda Dibrani (im lila Sessel) wird dazu aus dem Schulbus geholt, der mit ihrer Klasse zu einem Ausflug aufbrechen will.
Es fällt niemandem der Vorname der Schülerin auf: Leonarda? Ihre 17-jährige Schwester heißt Maria. Wie viele Kosovarinnen tragen wohl diese Namen? Im Kosovo sind von 1,8 Millionen Einwohnern 60 000 römisch-katholisch. Der 43- oder 45-jährige Familienvater trägt den türkischen Vornamen Resat bzw. Reşat = Doğru yolda yürüme, Hak yolunda ilerleme, Einschlagen des rechten Weges. Die Medien berichten, daß er 1973 oder 1974 aus dem Kosovo ausgewandert sei, da ist er keine fünf Jahre alt, er muß mit seinen Eltern ausgewandert sein, zu einer Zeit, als das Kosovo von Jugoslawien weitgehende Autonomie erhalten hatte. Aus politischen Gründen kann der Sohn kaum ausgewandert sein. Seine Interviews gibt er in albanischer Sprache. Seine 40-jährige Frau, angeblich in Italien geboren, trägt den muslimischen Namen جمیله = Jamileh, deutsch Jamila, italienisch Gemilia. Nun wüßte ich gern, wie die sieben Kinder wirklich heißen. Außer ihm sei die ganze Familie in Italien geboren.
Nun steppt in Paris der ins Kosovo ausgewiesenen Familie wegen der Bär. Vom Beginn der Herbstferien an, zu Allerheiligen, ab 19. Oktober 2013, ist aber erst einmal Sendepause, die Schüler gehen bis Montag, 4. November 2013, in ihre wohlverdienten Ferien. Dann braucht's einen Tag der letzten Anweisungen zu Sammlung und Organisation der Proteste durch den jüngsten Sohn der Gesundheitsministerin Marisol Touraine Ivan De Menthon und seine Leute, unter ihnen weder ein Beur noch ein Black, das sind nur die Schafe, die geführt werden, und am 5. November 2013 soll's weitergehen. [Sohn Ivan wird nach 2013 nirgends mehr erwähnt.] Die Ausweisung, vom 12. Oktober 2013, des seit 2011 mit seinen Eltern und seiner Schwester in Paris lebenden 19-jährigen Illegalen Armeniers Khatchik Kachatryan, er wird in Paris beim Diebstahl gestellt, schieben die mit Palästinensertüchern vermummten Demonstranten nach.
In Frankreich ist Platz für alle: La France pour tous !
Ein Schwall von nationalen Gefühlen und ein Protestkonzert des Zusammenhangs der Festnahme Leonardas und der widersprüchlichen Erklärung ihrer Eltern über ihre Identität wegen gehe über Frankreich, berichtet die linke Le Monde. Es folgt ein Einblick in das Dossier der Familie seit ihrer Ankunft in Frankreich: Fünf Anträge auf Anerkennung als Flüchtlinge abgelehnt. Grund laut Auskunft eines juristischen Experten: "leur dossier n'est pas bon". Ihre Unterlagen sind nicht in Ordnung.
Inzwischen haben die Linken ihre Klientel mobilisiert. Die Erste Konkubine "Frankreichs" und die Ministerin der Grünen für Umwelt wollen kein Abholen von Illegalen mehr während der Schulzeit, Schüler demonstrieren an der Place de la Bastille für Leonarda und gegen den Innenminister, die nationalen und internationalen Medien, je linker desto eifriger, nehmen sich des Falles an. Der Vater bezeichnet derweil seine Familie als Rom, eine Untergruppe der Zigeuner, Sinti und Roma. Sie liegen den gut meinenden Franzosen und deren Kindern aus den vornehmen Stadtteilen gegenwärtig besonders am Herzen. Die Behörden Frankreichs werden nicht stutzig? Ein Roma mit türkisch-muslimischem Vornamen ist Familienoberhaupt einer christlichen Familie, Ehemann von Gemilia, Vater von Leonarda und Maria? Die Lügen hören nimmer auf?
Nun fordert der linksradikale Jean-Luc Mélenchon, der sozialistische Innenminister Manuel Valls solle zurücktreten, er sei nicht am Platze durch die Art, in der er seine Verantwortung wahrgenommen habe. Der Innenminister ist der einzige vernünftige Mensch in der Regierung, der muß also weg. François Hollande hält sich einmal mehr bedeckt. Vielleicht wäre der Rücktritt des Innenministers nicht schlecht, dann bräche das ganze linke Kartenhäuschen samt seiner Lügen und Illusionen über die heile Welt zusammen. Ich habe eh gewettet, daß François Hollande und Mahmud Abbas den Herbst politisch nicht überleben. Eine Flasche Champagner hätte ich gern gewonnen!
Wer bis hierher durchgehalten hat, fragt allmählich ungeduldig, wieso die Artikelüberschrift "Die Armen des Languedoc-Roussillon" heißt? Wieso eine Journalistin, die mehrfach betont, daß im Artikel zu sein habe, was draufsteht, gar nicht von Armen des Languedoc-Roussillon berichtet, oder?
Das ist einfach: Es gibt nicht viel zum Thema, denn Leonarda und ihre betrügerische Familie stehen im Brennpunkt der Aufmerksamkeit, des Mitgefühls, des Bedauerns, der Hilfsbereitschaft. Irgendwo hinten steht im Indépendant ein von Myriam Galy verfaßter Artikel: Languedoc-Roussillon : explosion alarmante de la pauvreté. Alarmierende Explosion der Armut. Der Artikel ist nicht online.
Gemäß INSEE leben im Jahr 2010 im Languedoc-Roussillon, also nicht in "Frankreich", sondern unten links, nächster Halt Spanien, 500 000 Menschen, das ist einer von fünf, unterhalb der Armutsgrenze. Es handle sich um einen Anstieg von 45 000 (+10%) in zwei Jahren. INSEE hält noch mehr Daten bereit, allerdings die von 2008: Das Languedoc-Roussillon ist die drittärmste Region Frankreichs mit einem durchschnittlichen monatlichen Familieneinkommen von 1 465€. Zum Vergleich: andere Regionen der Provinz verfügen über 1 550€/Monat, der Durchschnitt aller Haushalte Frankreichs ist 1 580€/Monat. 2008 leben 18,1 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Alleinerziehende Familien, die Jugend und alleinstehende Personen sind am meisten betroffen. Die Zahlen für 2010 sind nicht online.
Wer sich die Mühe macht, die Überschrift des Indépendant bei Google einzugeben, erhält viele interessante Informationen, am wichtigsten ist dabei die Klimaerwärmung, illustriert mit dem einsamen Eisbären. Es folgt ein Bericht über das Department Aude, das zur Region Languedoc-Roussillon gehört, Hauptstadt Carcassonne. Es ist das zweitärmste Department Frankreichs. Dort werden die Armen immer ärmer. Mulhouse, Colmar und Carcassonne sind die drei Städte, wo die Ungleichheiten zwischen Armen und Reichen am meisten angestiegen sind. Die drei Städte liegen außerhalb von "Frankreich". Dann gibt's auf der ersten Seite bei Google, aber schon nicht mehr von den Schlagwörtern der Überschrift erfaßt, Results for similar searches. Korsika: L’inexorable hausse de la pauvreté en Corse. Der verhängnisvolle Anstieg der Armut auf Korsika. Die Insel gehört sowieso nicht zu "Frankreich" und nur noch ein wenig zu Frankreichs Südosten und dessen Regionalfürsten, sie liegt schon fast in Italien.
So sieht's aus, und darum begibt sich die Regierung Frankreichs in Kampagnen zur Abschaffung der bürgerlichen Ehe, Le mariage pour tous, zur Einführung der Adoption von Kindern durch verheiratete Schwule und Lesben, eben hat ein lesbisches Paar als erstes ein Kind adoptiert, der Verfassungsrat verweigert den Bürgermeistern das Recht, aus Gewissensgründen die Trauung von homosexuellen Paaren zu verweigern, die Regierung initiiert Kampagnen zur Bekämpfung und Abschaffung der Prostitution sowie des genveränderten Mais, zur Änderung der wöchentlichen Schulzeit, zur Bekämpfung des Front National durch eine vom Parti Socialiste zur Niederhaltung der UMP erfundenen Republikanische Front. Derweil steigt das Bruttoinlandsprodukt Chinas um 7,8 Prozent und die angestellten Juweliere der Luxusfirma Cartier streiken, fahren aus Reims nach Paris und demonstrieren in der Rue de la Paix, in der Friedensstraße.
Wer das Elend Frankreichs kennenlernen will und nicht in Frankreich oder wie ich nicht in "Frankreich" lebt, der braucht nur die Überschriften auf der Startseite des Figaro durchzugehen: Armé, il a fait irruption dans une banque du XIIIe arrondissement en fin d'après-midi. Il exigeait un logement social pour lui et son fils. Bewaffnet ist er am Nachmittag in eine Bank im XIII. Bezirk von Paris eingebrochen. Er forderte eine Sozialwohnung für sich und seinen Sohn.