Regierungsgegner und Unterstützer der Regierung
in Kiew prallen in Odessa, am 2. Mai 2014, aufeinander.
Update. Sie ist wieder da und nervt! Siehe unten!
So macht sie das immer. Ich werde hinter den Zaun aus Holzpfählen und verzinktem Drahtknotengitter verbannt und soll es als Auszeichnung betrachten, wenn ich fernsehen darf. Dabei wissen alle Fachleute, daß mein Pferch vorm Ferni für mich denkbar schädlich ist, ich als deutscher Heidschnuckenbock bin ein Weidetier schlechthin, aber ich bin Gefangener meiner Herrin, ich muß in Unfreiheit meine Möhren fressen und mein Wasser saufen. Gemeiiin!
Zum Glück wirft sie mir nicht, wie früher des öfteren, auch noch Papier in den Pferch, den Figaro beispielsweise oder deutsche Blätter. "Ach," seufzt sie, " sie bewegen sich in Richtung Altpapierhaufen der Geschichte, sie lohnen des Aufhebens nicht mehr. Im Internet könntest du noch etwas finden. Die schlimmsten Artikel des Figaro sind allerdings den Abonnenten vorbehalten, da scheut die Redaktion wohl die weltweite Verbreitung."
"Das ist dann ja gar nicht spannend," blöke ich enttäuscht, aber meine Herrin hat ein Einsehen und erzählt mir von der Berichterstattung des Stéphane Siohan über das Martyrium der Verschwundenen von Slawjansk. Le calvaire des disparus de Sloviansk:
Denis und Pavel, zwei Jungen, les deux garçons, sind gebürtig aus der Region Donbass, haben aber das Weite gesucht und sind in Kiew ins Kulturleben eingestiegen. Jetzt haben sie ihren Patriotismus für die Ukraine aktiviert und sind auf, in ihre alte Heimat, um friedlich zu demonstrieren. Dort sind sie seit dem 25. April 2014 verschwunden. "Herrin," blöke ich verstört, "was für Jungen? Sind das 'les jeunes'?" Sie schaut mich strafend an: "Schaf, du weißt nicht, daß 'les jeunes' muslimische Jugendliche sind, daß der Begriff ihnen vorbehalten ist?"
Ich komme ins Grübeln: "Ach, die armen Jungen! Wie schaffen es denn Kinder, als freier Regisseur und Manager einer Kunstbiennale tätig zu sein? Müssen die nicht zur Schule? Sie türmen einfach und mischen sich unter die Demonstranten für die Einheit der Ukraine?"
Meine Herrin lacht: "Schaf, die 'Jungen' sind 33 und 28 Jahre alt. Der Korrespondent verniedlicht das ein wenig, sonst kommt bei den Lesern nicht ausreichend Mitleid auf. Die Hälfte der Seite 6 des Figaro, vom 7. Mai 2014, ist den armen Opfern der prorussischen Aufrührer gewidmet. Ein Foto von Baz Ratner (er auf dem Foto, links), REUTERS, zeigt zwei sich in der Nähe von Slawjansk verbarrikadierende prorussische Kämpfer, der eine trägt ein mit sieben weißen Totenköpfen bedrucktes schwarzes Kopftuch. Das Foto ist leider im Internet nicht zu finden. Der Fotograf ist jedenfalls immer auf der Seite der Wahrheit: israelisch-palästinensischer Konflikt, Beerdigung Yasser Arafats, Israel-Libanonkrieg 2006, Krieg Israels gegen Gaza 2008-2009, und heute mit der ukrainischen Armee im Kampf gegen die prorussischen Feinde. Google selbst!"
Ich kann mein Entsetzen kaum verbergen. "Herrin, sind die beiden Jungen vielleicht im Gewerkschaftshaus, unter den 46 Toten oder gar unter den 300 Leichen, die man dort noch im Keller gefunden hat?"
"Nein, das sind Oppositionelle, sie sind laut AFP/REUTERS bei einer Tragödie in Odessa ums Leben gekommen, la tragédie d'Odessa. Darüber berichtet der Figaro in einem kleinen Kasten unter dem halbseitigen Artikel von Stéphane Siohan, sie sind der Redaktion nicht weiter bemerkenswert."
Ich verstumme. "Du hast genug zu tun, außer im Ferni im Internet aufregende Nachrichten zu finden. Ich gebe dir in alphabetischer Reihenfolge einige Links. Du kannst selbst herausfinden, was Du von den jeweiligen Nachrichten halten kannst:"
CNN Ukraine
Das gelbe Forum
Hinter der Fichte
Kyiv Post
Live Ticker Konflikt in der Ukraine
New York Times Ukraine
Radio Free Europe / Radio Liberty Ukraine
"Na, na, werd' nicht übermütig. Du könntest dir zu Frankreich auch einige Gedanken machen, schließlich wohnen wir hier!" - "???" - "Lies dies: Das mehr und mehr unregierbare Parlament. Le Parlement de plus en plus ingouvernable. Im Papier-Figaro, vom 5. Mai 2014, liest man Un Parlement de plus en plus ingouvernable. Die Internet-Version weist direkt auf die Nationalversammlung hin, die sei immer weniger regierbar. Die Papierversion könnte sich auf irgend ein Parlament beziehen.
In der Demokratie Frankreichs bestimmen nicht die Parlamentarier und kontrollieren die Regierung, sondern es ist umgekehrt, und so beklagt denn der Fraktionsvorsitzende des Parti Socialiste Thierry Mandon, er ist immerhin 56 Jahre alt, daß sich der Staatspräsident François Hollande zu wenig um seine Schäfchen gekümmert habe: On a souffert d'un manque de contact avec le président."
Ich bin beleidigt, und meine Herrin fragt besorgt: "Was hast du denn?" Sie merkt es nicht einmal, wie sie uns Schafe geringschätzt. Wir würden uns von dem inkompetenten François Hollande niemals im Stich gelassen vorkommen, im Gegenteil, wir wären froh, wenn wir ihn los wären.
Ich räche mich: "Herrin, es ist ja wie in Deutschland, da haben die Bundestagsabgeordneten auch nichts zu sagen. Du siehst es daran, wie die Bundeskanzlerin den Außenpolitischen Sprecher der CDU Philipp Mißfelder zur Ordnung rufen kann, der es wagt, eine Einladung zur Feier des 70. Geburtstags von Altkanzler Gerhard Schröder anzunehmen und dort Wladimir Putin trifft. Er übt öffentlich Selbstkritik, wie in der Sowjetunion und der DDR üblich, man nennt es im Marxismus-Leninismus Kritik und Selbstkritik, Критика и самокритика. Er darf im Amt bleiben. Deutsche Abgeordnete sind eben solche Kriecher wie französische!"
Meine Herrin wirft mir giftige Blicke zu: "Ich muß jetzt packen!"
Blök!
Euer Schaf
allein mit den Links
Update
Swen sagt, am 14. Mai 2014, 0:41 Uhr: Nachtigall ick hör dir trapsen …
Das Bataillon Nachtigall wurde bereits im März 1941 in Krakau aufgestellt, es bestand aus Ukrainern, die nach der Besetzung des polnischen Teils der Ukraine durch die Rote Armee im September 1939 in den deutsch besetzten Teil Polens geflüchtet waren. Freiwillige für das Bataillon wurden mit dem Versprechen einer unabhängigen Ukraine geködert.