aber meine Nachricht sieht trotzdem schick aus!
"Und was ist mit den ermordeten Juden?" frage ich. "Das ist alles hier symbolisch, Charlie steht für die Freiheit aller." Da teile ich ihnen mit, daß ich nicht demonstriere, sondern nur sehen will, was abläuft.
Wie viele demonstrieren, kann ich nicht einschätzen, 40 000 wären doppelt so peinlich wie 20 000, aber mit dieser Ansicht bin ich in der Minderheit.
Da ich mir zunächst das Schauspiel ersparen will, es soll um 10:30 Uhr auf der Place de Catalogne beginnen, es mir dann aber anders überlege, komme ich eine Stunde später an, als nur noch das Ende des Zuges zu sehen ist. Im Eilschritt hole ich auf und marschiere den gesamten Zug entlang.
Im Demonstrationszug gibt es kein Kopftuch, kein Häkelmützchen, keine sonstige Islam-Uniform. Es ist allerdings schwierig, im Eilschritt Nordafrikaner von Südfranzosen zu unterscheiden, es mögen also nordafrikanische Muslime mitgelaufen sein. Schwarze sehe ich keine. Ein Bekannter, den ich treffe, versichert, er habe eine Frau mit Kopftuch gesehen. "Und die trug das nicht nur des starken Windes wegen?" Er lacht und zuckt mit den Schultern.
Der Zug kommt am sonntäglichen arabischen Markt vorbei. Von dort schlagen den Demonstranten unverhohlene Feindschaft und ängstliche Blicke entgegen. Die Menschen wälzen sich an den Marktständen entlang, sie wirken wie Eindringlinge aus einer anderen Welt.
Der Aufruf zur Demonstration forderte auf, keine politischen Zeichen mitzubringen, daran halten sich alle. Eine einzige Trikolore sehe ich, getragen von einem Mann, der anscheinend zu niemandem gehört.
Hin&wieder klatschen die Demonstranten in die Hände. Meist, wenn Leute auf dem Balkon stehen und Je suis Charlie Poster hochhalten. Eine Frau schreibt es auf die Tafel ihrer Tochter. Die winkt dazu zu und kräht: "Je suis Charlie !"
Wir riefen solchen Sympathisanten damals zu: "Bürger, runter vom Balkon, unterstütz' den Vietkong!" Aber solches wäre heute zu viel verlangt.