27. Oktober 2016

Manfred Krug: Die Kuh im Propeller


Grigori Kossonossow, der Wächter der Fliegerschule, fuhr auf Urlaub in sein Heimatdorf.

"Nun, was ist, Genosse Kossonossow," sagten die Kollegen beim Abschied, "da ihr schon hinfahrt, könnt ihr vielleicht ein bißchen agitieren dort im Dorf, wie? Sagt den Bäuerlein so und so, das Flugwesen entwickelt sich bei uns, vielleicht tragen sie etwas Geld zusammen für ein neues Flugzeug!"

"Da könnt ihr versichert sein," antwortete Kossonossow, "ich werd' schon tüchtig Propaganda machen, wär' was anderes, wenn es nicht ums Flugwesen ginge, aber darüber, seid unbesorgt, werd' ich schon was richtiges sagen!"

Kossonossow kam nach Haus und begab sich gleich am Tag seiner Ankunft zum Dorfsowjet.

"Also," sagte er, "ich will hier ein bißchen agitieren! Kann man nicht eine Versammlung einberufen?"

"Nun, warum nicht," sagte der Vorsitzende, "agitiert nur, agitiert nur!"

Am anderen Tag rief der Sowjet die Bauern beim Feuerwehrschuppen zusammen. Grigori Kossonossow trat vor sie hin, verbeugte sich und begann:

"Also, so ist das, das Flugwesen, Genossen Bauern! Da ihr ein, naja, na Gott naja, ungebildetes Volk seid, werde ich euch etwas von der Politik erzählen. Hier, sagen wir mal, ist Deutschland und dort vielleicht Frankreich. Hier Rußland und da - naja, überhaupt..."

"Worüber redest du eigentlich, Väterchen?" fragten die Bauern.

"Worüber?" erwiderte Kossonossow empört, "über das Flugwesen natürlich! Blüht halt sehr auf, das Flugwesen! Hier ist also Rußland und hier ist China."

Die Bauern hörten finster zu. "Halt' dich nicht auf!" rief jemand von hinten. "Red' weiter!"

"Ich halt' mich ja gar nicht auf", sagte Kossonossow eingeschüchtert. "Ich red' ja über das Flugwesen. Es entwickelt sich bei uns, Genossen Bauern, nichts dagegen zu sagen, was wahr ist, ist wahr!"

"Hm, etwas unverständlich," rief der Vorsitzende. "Sie, Genosse, müssen etwas volkstümlicher sprechen, bitte, daß Sie die Masse auch versteht!"

Kossonossow trat näher an den Haufen der Bauern heran, setzte verlegen das eine Bein etwas vor und begann von neuem: "Also, Genossen Bauern -man baut Flugzeuge bei uns. Und nachher - ssst - fliegt man! In der Luft sozusagen!

Nun, mancher natürlich hält sich oben nicht gut, bums, saust er runter wie der Fliegergenosse Jeremilkin, rauffliegen tat er ganz gut und dann bums, krach, ein nasser Fleck blieb übrig!"

"Ist doch kein Vogel schließlich," sagten weise die Bauern.

"Eben, das sag' ich auch!" sagt Kossonossow, erfreut über die Anteilnahme. "Natürlich kein Vogel! Ein Vogel, wenn der herunterfällt, nun ja, er schüttelt sich und los weiter.

Anders beim Menschen. War da noch so ein anderer Flieger. Der fiel auf einen Baum und hing da wie ein Äpfelchen. Hat sich natürlich erschreckt, der Arme, es war zum kranklachen!

Ja, ja, ja, verschiedenes passiert so! Da ist einmal eine Kuh bei uns in den Propeller gekommen! Ritsch, ratsch, weg war sie! Auch Hunde!"

"Und Pferde?" fragten ängstlich die Bauern. "Auch Pferde, Väterchen?"

"Auch Pferde!" sagte stolz im Brustton der Überzeugung der Redner. "Das kommt oft vor!"

"Ach, diese Kanallien, hol' sie der Teufel!" sagte jemand. "Was sie sich jetzt alles ausdenken: Pferde zu Tode quälen - nun Väterchen -und das entwickelt sich jetzt, ja?"

"Eben, das sag' ich ja! Es entwickelt sich, Genossen Bauern! Und darum meine ich, sammelt vielleicht die ganze Bauernschaft etwas Geld."

"Wofür denn bloß, Väterchen?" fragten neugierig die Bauern.

"Für ein Flugzeug natürlich!" sagte der Redner. Die Bauern lächelten sehr finster und gingen langsam auseinander.

Geld für ein neues Flugzeug brachte Kossonossow, als er von seinem Urlaub zurückkam, nicht mit. Die Bauern seines Heimatdorfes waren eben noch ein zu ungebildetes Volk.

Michail Sostschenko: Die Kuh im Propeller