24. Oktober 2016

UNESCO-Beschluß zum Tempelberg. Dank an die Wiener Theologische Fakultät


Den folgenden Brief hat der Professor für Jüdische Studien und Religionswissenschaft (Berlin / Potsdam), K.E. Grözinger, als Dank und Anerkennung an die Theologische Fakultät der Universität Wien und zugleich an zahlreiche bezogene Universitäten und Institute in Deutschland gesandt:

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Theologischen Fakultät der
Universität Wien,
sehr geehrte Kollegen Univ.-Prof. Dr. Sigrid Müller, Univ.-Prof. Dr. Jan-Heiner Tück,
Univ.-Prof. Dr. Johann Pock,

für Ihren Protest gegen den unsäglichen UNESCO Beschluss in Sachen des Jerusalemer Tempelberges möchte ich Ihnen nachdrücklich danken. Soweit ich sehe, hat sich in Deutschland noch keine universitäre Einrichtung für Jüdische Studien, Judaistik oder Theologie gegen diese Resolution gewandt, was man als große Schande empfinden muss.

Sie sind in dieser weiten europäischen Universitätslandschaft das einzige Hoffnungszeichen.

Es erstaunt mich zu sehen, dass all die Historiker, Theologen und Judaisten nicht wahrnehmen und nicht dagegen protestieren, dass hier nicht nur jüdisches Selbstverständnis getroffen wird, sondern eine die gesamte  westliche Welt betreffende Geschichtsfälschung stattfindet.

Da, wo Geschichte umgeschrieben wird, wo geschichtliche Fakten geleugnet werden, liegt der Anfang faschistischer Machtergreifung und Unterdrückung aller Menschen, die an die Vernunft und die Gültigkeit von Wissenschaft glauben. Und gerade dies sind die wirklichen Werte unserer westlichen Gesellschaften.

Warum gibt es keinen Aufschrei der Politiker, warum keine Grundsatzdebatte in der EU, ob sich Europa in dieser Weise die eigenen Fundamente von einer fanatisierten UNESCO-Mehrheit unter den Füßen wegziehen lassen darf?

Wenn man die wohlfeile Formel vom jüdisch-christlichen Menschenbild fast täglich aus dem Mund öffentlicher Redner vernimmt, bedeutet die UNESCO-Resolution gerade dies, dass dieses Welt- und Menschenbild geleugnet werden soll. Spürt man in Europa nicht, dass es hier nicht nur um das kleine und bedrohte Israel geht?

Es geht um mehr. Solange Europa und die westliche Welt nicht begreifen, dass die viel berufene kulturelle Einheit von Israel und westlicher Welt tatsächlich eine Einheit ist, in welcher der Angriff auf einen Teil das Gesamte betrifft, so lange wird Europa und die westliche Welt blind in die kulturelle Selbstaufgabe taumeln.

Alle europäischen Universitäten, Hochschulen und Politiker müssen sich dieser Verleugnung des westlichen Selbstverständnisses, das auf geschichtlicher Wahrheit und rationaler Forschung beruht, mit aller Macht entgegenstellen, wenn sie nicht hinnehmen wollen, dass Geschichtsklitterung, Wahrheitsverfälschung und ideologische Erpressung zum neuen modus vivendi auch bei uns werden soll.

In allergrößter Sorge
Prof. Dr. Karl E. Grözinger
Zentrum Jüdische Studien, Berlin Brandenburg, Humboldt Universität;
Universität Potsdam
Prof. emeritus der Institute Religionswissenschaft & Jüdische Studien;
Affiliated Professor - University of Haifa

Ein Christ schreibt dem bayerischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD):

Sehr geehrter Herr Professor Bedford-Strohm,
mit Interesse verfolge ich in der Presse diese Reise, die amüsanter Weise Ihr Kollege Marx als Klassenfahrt bezeichnet.
Vielleicht könnten Sie die Gelegenheit in Israel nutzen, eine Stellungnahme zu dem sehr merkwürdigen UNESCO-Beschluss zu geben. Spricht man den Tempelberg (historisch völlig abwegig, siehe auch Triumphbogen in Rom) den Juden ab, so frage ich mich, wo denn dann das Christentum bleibt. Oder wird bald auch unser Lied "Tochter Zion" auf den Index nicht mehr in der Kirche zu singender Lieder kommen?
Meinen Sie nicht, dass auch wir Christen zu unseren Werten stehen sollen und diese verteidigen?
Mit vielen Grüßen

Und das bekommt er zur Antwort:

Lieber Herr
ich habe während der Reise mehrfach klar gesagt, dass der Haram el Sharif [sic!] ein heiliger Ort aller drei Religionen ist und auch das Wort [!] Tempelberg immer wieder dafür benutzt. Insofern habe ich meine Position dazu klar gemacht.
Herzliche Grüße!
Heinrich Bedford-Strohm

Weltkulturerbe Antisemitismus. Lizas Welt, 16. Oktober 2016

Gilles-William Goldnadel: "Quand l'Unesco détruit la culture", Le Figaro, 24 octobre 2016
"Als die UNESCO die Kultur zerstört".