Hatred's Kingdom - übersetzt: Königreich des Hasses. Mit seiner Überschrift will Gold jene wahhabitische Islamform kennzeichnen, die der saudischen Monarchie als Herrschaftsideologie dient und in den letzten zwei Jahrzehnten durch seine wachsende Gewaltbereitschaft aufgefallen ist. Immer häufiger tritt Saudi-Arabien seither als Finanzier und Drahtzieher von Terrorgruppen und -aktionen auf, wobei nicht zuletzt drei Viertel der Attentäter des 11. September aus diesem Land kamen und sich dabei auf den Koran beriefen. So stellt Gold den Wahhabismus, seine Geschichte und Entwicklung, ins Zentrum seiner Darstellung, und es lohnt sich, sie mitzuverfolgen.
Der wahhabitische Islam stützt sich auf eine extrem orthodoxe Tradition, die einen strengen Monotheismaus vertritt, und jede Abweichung unnachgiebig verfolgt.
Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich die Wahhabiten-Bewegung mit den sogenannten "Hidjra-Brüdern" verbunden, die wie einst ihr Prophet nun in einen erneuerten Glauben hinausgehen und alle Götzendiener, vor allem die westlichen Eindringlinge, bekämpfen wollten. In Ägypten war parallel dazu eine weitere große Reformbewegung entstanden, aus der sich unter wahhabitischem Einfluss die bekannte Muslimbruderschaft bildete - bis heute die mit Abstand größte Einzelbewegung des Islam. Indem sie ein Wechselspiel aus sanften, offenen Sozialgruppen und harten, verdeckten Terrorkadern betreibt, bekämpft diese Gemeinschaft die aus ihrer Sicht unislamischen Regime und breitet sich zugleich in den wichtigen Ländern des Westens aus. Mit der Ideologie und Finanzkraft des saudischen Wahhabismus konnte sie eine wirkungsvolle Allianz eingehen, aus der schlagkräftige Terrorgruppen wie der ägyptische Djihad, die palästinensische Hamas und die globale Al-Qa'ida hervorgingen, die ihrerseits schließlich die USA zum Handeln gezwungen hat.
Gold versteht es - und darin liegt die Stärke des Buches - diesen nicht ganz einfachen Ablauf in plausiblen Stufen vor dem Leser zu entfalten. Dabei greift er im Überbau des Islam ein wenig zu kurz, wenn er sich mit der bekannten, nicht weniger ungeprüften Komfortfloskel der "Toleranz" begnügt, der zufolge "der Islam nicht das Problem" sein soll. Die historische Realität zeigt vielmehr, dass die scheinbare Toleranz des Islam - aktuell und historisch - nicht die große Masse der Nichtmuslime, sondern allenfalls deren Eliten betrifft, soweit deren Macht den Muslimen nutzbar gemacht werden kann. Ähnlich geht es dem Begriff des Djihad. Gold sieht zwar, dass die modernen Islamisten den Kampf praktizieren und Nichtmuslime ständig bedrohen oder sogar töten, führt dies jedoch auf den grassierenden Wahhabismus als pervertierte, zeitbedingte Sonderform des Islam und nicht auf dessen koranisch-historische Verhaltensstrukturen zurück. Während ihm also die Einordnung in den Gesamtkontext eher fehlt, bietet er eine Fülle von Zitaten an, die die Unmittelbarkeit der Ideologie verdeutlichen. So nimmt z.B. Abdullah Azzam, Schöpfer des weltweiten Djihad und Mentor des Usama bin Ladin, kein Blatt vor den Mund:
"Diejenigen, die glauben, dass Islam gedeihen und ohne Kampf und Blut siegen kann, haben keine Ahnung von der Natur dieser Religion!"
Detailliert schildert der Autor, wie sich der saudische Herrschaftsverbund aus Königsfamilie und Imamschaft über die 80er und 90er Jahre schrittweise radikalisiert und dabei von den USA als Führungsmacht abgekoppelt hat. Immer entschiedener schaltet sich die Islamische Weltliga, eine 1962 gegründete Organisation, in die islamweite Verbreitung des wahhabitischen Islam ein. Ihre wichtigsten Arme sind dabei die World Assembly of Muslim Youth (WAMY) und die International Islamic Relief Organisation (IIRO), die mit ihren sozialen und humanitären Fassaden als perfekte Tarnsysteme für die weltweite Versorgung der Kontaktstellen mit Propaganda, Logistik und Finanzen genutzt werden. Während sie nach außen das in den 90er Jahren abkühlende Verhältnis zu den USA verbal zu wahren suchen, bauen die Saudis nach innen ihr Netz von Terrorzellen, Moscheen und diversen Organisationen global aus. In den Jahren 1995/96 schwenkt auch Usama bin Ladin wieder in die Kooperation mit der saudischen Führung ein, nachdem deren Aggressivität gegenüber dem Westen sich seinen Standards angenähert hat. Beide Seiten haben eingesehen, dass sie in der - noch verdeckten - Bündelung von Terrorexpertise und Kapital ihre Erfolgschance sowohl in komplexen Projekten wie der Zerstörung des World Trade Center als auch im Zukunftskampf gegen den Westen überhaupt verbessern können.
Allerdings lässt Gold die Beiträge nur ahnen, welche die US-Regierungen und Geheimdienste zu dieser Entwicklung geleistet haben. Kontakte zu führenden Saudi-Familien und Terrorfinanziers sowie die Kooperation mit zahlreichen Extremisten ließen sie zu stillen Teilnehmern am islamischen Radikalisierungsprozess werden, so dass sie auch die Ausbreitung der Terrorgruppen im eigenen Lande viel zu lange geduldet haben.
Exakt das gleiche Phänomen lässt sich auch im deutschen "Dialog" erkennen, der unbeirrt mit Vertretern aus dem saudischen Gewaltumfeld geführt wird. In diesem Sinne konnten die "Friedensmärsche" vor und während des Irakkrieges nicht nur als Demonstration gegen die USA und Israel, sondern vor allem als Parteinahme für den terrorbereiten und frauenfeindlichen Islamismus saudischer Prägung dienen. Wie ungleich sich dabei der Blick durch die Dialogbrillen gestaltet, fasst Mekka-Scheich Ahmad Siami für die islamische Meinungsherrschaft zusammen:
"Dieser Papst, der Kopf der Katholischen Kirche, und diejenigen, die ihm im Ruf nach der Einheit der Religionen folgen, sind die Nachkommen der spanischen Inquisitoren, die die Muslime höchst abscheulich folterten ... Sie sind die Abkömmlinge der Kreuzfahrer im islamischen Osten, die zahllose Muslime töteten und deren Frauen gefangen nahmen. Sie sind die Täter der Massenmorde von Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Indonesien und Tschetschenien ... Können wir von diesen mörderischen Wölfen Mitleid erwarten?"
Mit den islamistischen Terrorpredigern wächst eine paranoide und zugleich totalitäre Herausforderung heran, deren Sprengkraft für die westlichen Demokratien kaum überschätzt werden kann. Oft versagen jedoch deren Prüfmechanismen schon bei ihren eigenen "Verantwortlichen". Viele von ihnen verkennen die Wurzeln des islamischen Radikalismus umso bereitwilliger, je überzeugender dessen Vertreter ihnen die Zuckerbrotformeln von der "Religion des Friedens" oder auch finanzielle Zuwendungen verabfolgen. Sie könnten also selbst zu dem "Problem" werden, das der Islam in ihren Augen nicht ist. Dennoch sind sie vor Allahs Korrekturpeitsche keineswegs sicher, wie sie der einflussreiche Mekka-Scheich Ghazawi beschreibt:
"Der Terror, d.h. die Erzeugung von Entsetzen, die nach islamischem Gesetz erlaubt ist, besteht in der Einschüchterung der Feiglinge und Heuchler, der Säkularisten und Abweichler, die nach Allahs Gesetz zu bestrafen sind ... Der Begriff "Terror", den die (westlichen) Medien verwenden, entspricht dem Djihad für Allah, und Djihad ist die Spitze des Islam."
In Europa, wo die großen Parteien bzw. Kommission und Ministerrat, die Institutionen der Politik, des Rechts und der Medien bereits weitgehend vereinnahmt haben, hat das islamische Politsystem unter dem Schutz der Religionsfreiheit bislang eine nähere Prüfung verhindern können, wie auch der sorglose Umgang mit dem EU-Beitritt der Türkei zeigt. Golds Buch macht freilich deutlich, dass an diesem Punkt das "Königreich des Hasses" und seine aggressive Ideologie einen neuen Spaltungsvorgang verstärken könnte, der Europa zunehmend von Amerika trennt.
"Dore Gold: Königreich des Hasses. Wie Saudi-Arabien den neuen weltweiten Terrorismus unterstützt"
Dore Gold: Hatred's Kingdom: How Saudi Arabia Supports the New Global Terrorism
Regnery Publishing, Washington 2003
Das Politische Buch. Dore Gold: Hatred's Kingdom. Von Hans-Peter Raddatz
Das Reich des Hasses: Wurzeln der saudi-arabischen Terrorideologie. Von Dr. Hans-Peter Raddatz