gegen das Wahlergebnis für den FN bei den Europawahlen 2014
Ce cocktail maison qui enracine le vote FN. Dieses hausgemachte Gebräu, in dem die Wahl des Front National heimisch wird, ist der Titel des Artikels; er ist nicht online. Autorin ist die Studentin der Ethnologie Prisca Borrel. Hier die Übersetzung einiger Abschnitte sowie meine Kommentare:
Dann "ein Unbehagen"
Die Wahl des Front National wird erklärt. Wirkliche politische und sozialwissenschaftliche, soziologische, sociologiques [sic!] Prozesse sind im Gang. Der Wähler kommt aus Mittelschichten; er ist Geschäftsmann, Händler, Kaufmann, commerçant, vielleicht Arbeiter oder Besitzer eines Kleinunternehmens ohne Gewerkschaftsvertretung ... Er ist auch ohne Ausbildungsabschluß und würde eine zeitweilige Aufmunterung, Tröstung, réconfort, in dieser "Alles-Auffänger"-Partei finden. Zeitweilig, denn es handelt sich um Wechselwähler.
Emmanuel Négrier untersucht sie noch gründlich in einer Gemeinde des Hérault, von der er vorzieht, den Namen nicht zu nennen. "Es ist selten, einen sehr politisierten Front National-Wähler zu finden, oder einen, der den FN bei jeder Abstimmung wählt ... Übrigens, die Leute, die den FN wählen, haben sehr oft einen Grund, ein Problem. Ein Einbruch, ein Zwist, 'ein Engländer, der mir meinen Parkplatz weggenommen hat' ... Das ist eine Wahl, die nie selbstverständlich ist. Diese Leute äußern ein Unbehagen," stellt der Politologe fest. Wie ein Auslöser. Ein aus mehreren Quellen gespeistes Unbehagen, tausend Meilen entfernt von einer einfachen Denkart. [Ende der Übersetzung]
Forschungsschwerpunkte des Emmanuel Négrier sind laut Lebenslauf Politik, Strategien und Publikum von Festivals, Raumdynamik, kulturelle Vielfältigkeit internationaler Vergleich in der Kulturpolitik, die Umsetzung von öffentlichen Aktionen, Veränderungen der territorialen Maßstäbe, regionales politisches Leben. Seine Forschungsschwerpunkte weisen ihn aus als Experte zu Analyse und Kritik der Wähler des Front National. Seine Publikationsliste bestätigt dies. Er ist einer aus dem Heer der Experten, wie sie auch in Deutschland die Medien bevölkern, von der Alten Tante Tagesspiegel (Wolfgang Neuss) über die Anstalten bis zur ZEIT. Er sieht aber wenigstens gut aus.
Die Schwerpunkte der Forschung von Catherine Bernié-Boissard sind Städtische Einrichtungen und die kulturelle Entwicklung von Gebieten sowie Verletzlichkeit und technologische Risiken (Kernenergie). Im Indépendant heißt es dazu:
Eine Anziehung ... die Angst macht
... ein Bevölkerungsanstieg, "der für Konflikte sorgt". Catherine Bernié-Boissard, Geographin und Professorin an der Universität von Nîmes, kennt den Prozeß gut. "Das Languedoc-Roussillon hat den Vorteil [sic!] eines sehr starken Bevölkerungs- wachstums, das es übrigens nötig hat, aber in einem wirtschaftlich schwierigen Zusammenhang. Seine Arbeitslosenrate ist auch unter den höchsten Frankreichs. So haben es die Neuankömmlinge oftmals schwer, eine Anstellung zu finden, sich zu integrieren, und können als Eindringlinge wahrgenommen werden. Es herrscht ein Gefühl der Ablehnung." [Ende der Übersetzung]
Part de la population immigrée en Languedoc-Roussillon stable depuis 10 ans. Der Anteil der ins Languedoc-Roussillon eingewanderten Bevölkerung seit zehn Jahren gleichbleibend, findet dagegen das weniger auf Phantasie, als auf der Grundlage von Zahlenmaterial arbeitende Institut national de la statistique et des études économique (Insee), das Pendant zum Statistischen Bundesamt Wiesbaden. Die Hälfte der Einwanderer stammt aus Nordafrika und der Türkei. Siehe Tableau 1 im Artikel von Insee.
An den Schwerpunkten und den Äußerungen beider Wissenschaftler sieht man ihre ideologische Ausrichtung. Nicht nur in der Politik, redressement productif, produktive Aufrichtung, Économie sociale et solidaire, soziale und solidarische Wirtschaft, Réforme de l'État et Simplification, Reform des Staates und Vereinfachung, sondern vor allem in der Wissenschaft werden Arbeitsbereiche schon lange nicht mehr sachorientiert, sondern schon in der Bezeichnung ideologisch ausgerichtet. Es wird nicht einmal ein Hauch von Unvoreingenommenheit vorgetäuscht.
Wie man es aus überregionalen, regionalen und lokalen Blättern kennt, wird grundsätzlich keine Äußerung der Interviewten hinterfragt, die Geographin erzählt etwas von einer großen Anzahl von Zuwanderern ins Departement Roussillon, die sich nicht integrierten und für Konflikte sorgten, un boom démographique pourvoyeur de conflits, ohne zu erwähnen, daß diese nicht integrierten zukünftigen Arbeitslosen alle aus Nordafrika stammen, was Leser des Indépendant allerdings schon richtig verstehen.
Der Politologe weiß, daß die Wähler des Front National mehrheitlich sous-diplomé sind, ohne Ausbildungsabschluß. Darüber lachen die Gäste meines Stamm-Cafés herzlich, unter ihnen ein verrenteter Volkswirt, ein aktiver Ingenieur, ein Gerichtsvollzieher, ein ehemaliger Militärkommandeur, Absolvent der Militärakademie von Saint-Cyr, und eine promovierte Meeresbiologin. "Was gibt es Lustiges," fragt der auf ein Schwätzchen in der Mittagspause eintretende Immobilienhändler. Dann lacht er mit.
Auf den vom Politologen zitierten Grund zur Wahl des Front National : un anglais qui m'a volé ma place de parking ..., ein Engländer, der mir meinen Parkplatz weggenommen hat, muß man erst einmal kommen!