François Hollande mit jungen Bewunderern in Tulle
Photo : Pierre Andrieu, AFP
Nun ist klar, nach welchem Vorbild François Hollande lebt, der Staatspräsident Frankreichs.
Die Gemeinsamkeiten sind zahlreich: leicht angeknitterter Anzug von der Stange, Verherrlichung der Kleinstadt Tulle als Zentrum des wahren Frankreich, Selbstversorgung für die Urlaubsreise ins Fort Bregançon, keine Unterstützung für die Produktivitätsprogramme seines Schülers Arnaud Montebourg. Er fährt im Mittelklassewagen oder mit der S.N.C.F., die Bahnfahrkarte kauft er inkognito in Begleitung eines Sicherheitsbeamten und grabbelt anschließend noch ein wenig in der FNAC, wo ihn rein zufällig ein Journalist von France Info entdeckt, er nimmt sich viel Zeit für Diskussionen, und ein verklärtes Lächeln huscht über sein Antlitz, wann immer sich ihm irgendwelche von ihm selbst herangezogenen Spinner nähern, ihm die Hände zu schütteln. Ein Attentat auf ihn zu verüben, darauf käme allerdings nicht einmal der schärfste Gegner des Westens aus dem Stall des Ayman al-Zawahiri.
Le Figaro ereifert sich über die medienwirksame Abreise des "normalen" Präsidenten in den Urlaub, an seinen Urlaubssitz Fort Brégançon; dazu besteigt er, nun schon zum dritten Mal während seiner einige Wochen währenden Amtszeit, einen Zug. Er begründe das, um abzulenken von seiner Sucht nach dem Bad in der Menge, damit, daß die Bahnfahrt die kürzeste Zeit des Transportes sei. Das weiß Le Figaro aber besser, Paris - Hyères mit dem TGV brauche viereinhalb Stunden, mit dem Flugzeug sei man in eineinhalb Stunden dort, und rechne man die Transporte zum und vom Flughafen, sei die Reise im Flieger immer noch kürzer. Die Kosten für die Sicherheit des Präsidenten seien immens, so müßten entsprechend einem 60 Jahre alten Gesetz alle Brücken, über die der Zug fahre, durch Polizei gesichert werden. Schon deshalb sei Nicolas Sarkozy immer geflogen.
Auf eines kommt Le Figaro nicht, aber das wird schon bei der ersten, verpatzten Flugreise nach Berlin deutlich. Man erinnert sich? Angeblich wird das Flugzeug vom Blitz getroffen und muß umdrehen. Welch eine Beleidung für die Falcon aus dem Hause des Figaro-Besitzers Serge Dassault! Meine Ansicht? François Hollande hat Flugangst, Angst vorm Fliegen hat er. Daher das Brimborium mit dem Bad in der Menge, mit dem Fahrscheinkauf. Der Präsident ist ein Schißhase, wie man zu deutsch sagt. Wenn dieser Mann nicht Präsident wäre, niemand würde ihn bemerken. Er ist eine Kreatur des ex-Lambertisten Lionel Jospin. Die trotzkistischen, maoistischen und sonstigen linksschrägen Burschen ziehen jeder seine hierarchisch geordnete Seilschaft nach, das ist in Frankreich nicht anders als in Deutschland. So wird François Hollande an die Macht gespült, und da ist er nun, der ehemalige Bürgermeister der 16 000-Seelen-Stadt Tulle.
Die Stadt des Département Corrèze erlebt im Mai und Juni, daß Touristen aus Frankreich und dem Ausland, vor allem aus Japan und den Niederlanden, neugierig sind zu wissen, wo der Präsident seinen Kaffee getrunken, wo er gegessen und wo er die dreißig Jahre seiner Amtszeit in Tulle gewohnt hat. Einige Bürger antworten gern, andere verweigern die Adresse seiner Einzimmerwohnung; denn mehr ist es nicht, arbeitet er doch in Paris unter Premierminister Lionel Jospin und dann in der Opposition als Erster Sekretär des Parti Socialiste, von 1997 bis 2008. Abgeordneter der Nationalversammlung ist der Multifunktionär obendrein, von 1988 bis 1993 und von 1997 bis 2012. Als Bürgermeister von Tulle wirkt er von 2001 bis 2008, zusätzlich als Präsident des Generalrats, von 2008 bis 2012. Mitten in Frankreichs Provinz gibt's sonst niemanden, Generalrätin Bernadette Chirac ist von der falschen Partei.
Beeindruckt vom Interesse, das ihre Stadt mit der Präsidentschaft für Touristen gewonnen hat, kommen die Stadtoberen, eine Art Abderiten im Herzen Frankreichs, auf die Idee, einen Stadtrundgang Auf den Spuren eines Präsidenten zu schaffen. Christoph Martin Wieland hätte es nicht besser ausdenken können. Vor zwei Tagen, am Mittwoch, den 1. August 2012, um 9:30 Uhr, soll's losgehen, Kosten: 22 bis 35 €, Mittagessen inbegriffen, entweder in der Taverne du Sommelier, Menu 22-36€, oder im 40 Jahre florierenden Central, einer weiteren "Kantine" des Präsidenten. Dieses allerbescheidenste Beisl an der Rue Jean Jaurès, der Straße symbolträchtigen Namens, ist im GaultMillau mit zwei Kochmützen von fünf notiert, dreigängige Menus bekommt man, Getränke nicht inbegriffen, schon für 27-60€, à la carte rechnet man 65€. "Über das Central, das nationale und lokale politische Persönlichkeiten beider Seiten empfängt, sind sich alle einig," wirbt der Besitzer Raymond Poumier. Dort feiert der Präsident am 6. Mai 2012 seinen Sieg. Die Qualität dort, behaupte ich freihändig, ist besser als die im teuereren Pariser Restaurant Fouquet's, wo Nicolas Sarkozy 2007 seinen Wahlsieg in kleinem Kreis feiert und dafür gescholten wird.
Trotz der kulinarischen Anreize kommt keiner, der Rundgang, der die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten präsentieren soll, fällt aus, obgleich der Präsident das Motto selbst ausgesucht hat, einen von vier Vorschlägen des Touristenbüros von Abdera: Sur le pas d'un président. Es ist verlockend, sich auszumalen, wie die anderen Vorschläge lauten:
* Jahrhundertstadt eines Jahrhundertpräsidenten
* Die Kantinen von Tulle genießen und sterben
* Für Schulden Frankreichs hier kein Zutritt
* Die Stadt, in der François Hollande besser geblieben wäre
* Tulle ohne François Hollande ist wie jeden Tag Sonntag
* Spazierengehen in Tulle anstatt im Pariser Müll