In der Tradition des sozialistischen Journalisten tritt sie auf als Agitator, Propagandist und Organisator. Was das heißt, liest man im Pamphlet Warum man den Zuschauern nichts erstatten sollte. Noch bevor der Leser überhaupt weiß, worum es geht, regelt Petra Sorge die finanzielle Seite: Geld gibt's nicht. Es geht um die Zwangsgebühren alias Haushaltsabgabe für ARD, ZDF und Deutschlandradio. Die bekämen bis 2016 rund 1,15 Milliarden Euro "mehr in die Kassen als bisher erwartet." Es versteht sich fast von allein, daß Petra Sorge weder mitteilt, wie hoch der Betrag ist, den die Sender erwartet haben, noch die Summe nennt, die sie bislang durchschnittlich jährlich unter den früheren Bedingungen einnahmen. Im Internet kursieren Beträge zwischen sieben und neun Milliarden Euro/Jahr. Es wäre zu recherchieren gewesen, wie hoch der letzte Jahresbetrag war, vielleicht hätte die Onlineredakteurin auch eine Graphik suchen oder, wenn nicht im Internet vorhanden, anfertigen können über die Entwicklung der Zwangsabgaben von der Gründung des NWDR, 1948, bis heute. Vielleicht hätte das Hans-Bredow-Institut ihr dabei geholfen.
Dann aber wäre ihr AgitProp auf den Altpapierhaufen gewandert; denn das Thema wäre gewesen: Was liefern ARD, ZDF und Deutschlandradio für sieben bis neun Milliarden Euro/Jahr? Dann wäre Petra Sorge aufgefallen, daß es sich nicht um Populismus handelt bei dem Vorschlag der Intendanten, die Gebühren zu senken, auch nicht ums Einknicken vor Kritikern, sondern um ihr Überleben. Was ist "Populismus"? Man kann sicher sein, daß Populismus das ist, was Petra Sorge in aller Willkür dazu erklärt. Mit den meisten anderen Begriffen ist es ebenso: Absurdistan, enthusiastisch, überschwänglich, billiger Applaus, notorische Quartalsnörgler, Niveau rasieren, von den Dudelapparaten und dem Weltklasse-Rundfunk sowie dem Wahn und der geistigen Gesundheit dieses Landes nicht zu reden. Für die sollen ARD und ZDF anscheinend wie die Krankenkassen zuständig sein. Der Unterschied ist nur, daß die Krankenkassen im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen Anstalten keine Institutionen der Erziehung und Indoktrination sind, in der DDR genannt Agitation und Propaganda.
Die Diskussion über die Zwangsgebühren ist eine andere, als Petra Sorge auch nur ahnt; sie fängt eben erst an. Es geht um die Notwendigkeit zweier Fernsehanstalten, ARD und ZDF, die Zahl der Regionalsender, die Ausstattungs-, Personal- und Produktionskosten, um die Programmgestaltung und die politische Ausrichtung der Nachrichtensendungen. Wofür zahlen die Bürger 17,98€/Monat oder 17,25€? Die 73 Cent spielen tatsächlich kaum eine Rolle, aber aus anderen Gründen, als Petra Sorge sie verkündet.
Warum gibt es kaum noch Festanstellungen in den Sendern, warum verharren viele Journalisten "in prekärer, de facto sittenwidriger fest-freier Position, mit Fristverträgen und miserablen Honoraren"? Das wäre ein Thema, aber daran traut sich Petra Sorge wohl nicht. Befürchtet sie, auf die Schwarze Liste zu kommen? Die gibt's nicht? Sollte sie seit meinem Studium abgeschafft sein?
Es geht nicht um die "fuffzigste Talkshow", sondern um die tägliche, zur besten Sendezeit, ob die "Talkshow-Perle" 2+Leif oder die der Alleinunterhalter im ZDF und in den ARD-Regionalsendern. Sollen sie beibehalten werden? Was die "Verschwendung bei Sportrechten" angeht, urteilt Petra Sorge auch da ex cathedra. Ich schaue weder Fußball noch sonstige Sportsendungen, mir reicht es, daß ich selbst Sport treibe, aber eines ist mir bekannt: Die meisten Fernsehzuschauer lieben sie. Petra Sorge aber fragt nicht, sondern bestimmt argumentfrei, welche Maßnahmen zu treffen und welche Sendungen zu retten sind. Sie zählt ihre Lieblingssendungen auf. Wozu Gebührenzahler drei Sinfonieorchester eines einzigen Regionalsenders zu finanzieren haben, ist aber mindestens eine Frage wert.
Wenn Cicero den Intendanten Peter Boudgoust zum "Salon-Absteiger des Jahres" kürt, sollte er besser die Finger von den drei "beachtlichen Radio-Sinfonieorchestern" lassen, sonst findet er sich bald in der Gosse wieder, oder wie? Wer, bitte, ist die Zeitschrift Cicero, das Magazin für politische Kultur? Dieses Blatt ist wie manch ein anderes vom Gang auf den Altpapierhaufen der Geschichte bedroht, und die anderen, das sind nicht nur Lokalzeitungen, sondern bekannte überregionale Blätter. Von den Zwangsgebühren fällt für sie nichts ab, aber Forderungen, vom Kuchen ein Stück zu erhalten, werden von der Seite auch noch kommen. Petra Sorge weist vorsorglich auf die Notwendigkeit hin: "Dort, wo Medien vor Ort verschwinden, breitet sich der Rechtsextremismus aus." Weitere finanzielle Mittel zum Kampf gegen Rächtz müssen her, zur Schaffung von "Qualitätsjournalismus". Weiß die Qualitätsjournalistin Petra Sorge, daß dieser Begriff bei kritischen Bloggern zur Bezeichnung des Elends der deutschen Medien verwendet wird?
Ausgerechnet NRW, verschuldet bis über Kopf und Kragen, richtet eine Stiftung ein, um noch mehr Qualitätsjournalisten zu produzieren? Die Stiftung selbst ist der 1,6 Millionen Euro kostende Schönheitsfehler. Dort werden Posten eingerichtet für politische Freunde. Von welcher Partei die sind, kann man sich ausrechnen, abgehalfterte Genossen von SPD und Grünen. Eine Professur für Lokaljournalismus wird dringend benötigt? Wer bestimmt das? Warum kommen die dritten Rundfunkanstalten nicht hin, wohin Lokalredakteure von Zeitungen kommen können? Passen ihre Aufnahmegeräte nicht durch die Wohnungstür? Welch eine Begründung! Lokaler Rundfunk und Lokalzeitung haben grundverschiedene Aufgaben. Nicht umsonst heißt es "Wer schreibt, bleibt!"
Hat Petra Sorge überhaupt schon einmal als Mitarbeiterin einer Lokalredaktion gearbeitet? Anscheinend nicht; denn so läuft das alles nicht. Aber seit wann kümmern sich Qualitätsjournalisten um Tatsachen? Sie verkünden auf rasiertem Niveau die Wahrheit über Dudelapparate und Weltklasserundfunk.
Die Kommentare unter dem AgitProp zeigen, daß die Leser dem nicht folgen. Solche Kommentare findet man heuer unter den meisten Artikeln der MSM, zumindest so lange, wie die Kommentarfunktion nicht deaktiviert wird. Das soll die Journalisten aber nicht hindern, weiter an der Wirklichkeit vorbei zu schreiben und zu senden. Die einen landen auf dem Altpapierhaufen der Geschichte, die anderen verflüchtigen sich demnächst im Äther. Niemand wird ihnen eine Träne nachweinen.