Nun wundere ich mich: "Herrin, aber wir wohnen doch gar nicht in Deutschland, sondern hier, am Fuße der Pyrenäen, was geht es uns an?"
Das hätte ich nicht blöken sollen. "Schaf," kreischt sie, und ihre Stimme überschlägt sich fast, "ich bin freiwillig hierher gezogen, ich habe dich freiwillig mitgenommen im Auto, ich hoffe, du hast es nicht vergessen, ich erinnere mich noch gut, wie stolz du warst. Wir waren nicht wie die Juden und die politischen Gegner der Nazis gezwungen auszuwandern, sondern es war freie Entscheidung. Ich bin gern hier, aber wenn mich jemand gefragt hat, ob ich nicht lieber Französin würde, dann habe ich geantwortet, daß ich gern Deutsche bin und bleibe."
Meine Herrin fällt ins Sinnieren, dann seufzt sie: "Bislang war es leicht. Wenn die französische Politik, französische Behörden, Krankenkassen, Banken sich fehlverhielten oder mich genervt haben, dann habe ich mich zurückgezogen und gesagt, was soll's, ich bin Deutsche, wenn in Deutschland ähnliches Ungemach war, dann war ich froh, daß ich da nicht wohne, sondern hier, am Mittelmeer, freundliche Menschen, blauer Himmel, guter Wein. Als Jacques Chirac neulich zu zwei Jahren mit Bewährung verurteilt worden ist, weil er in seiner Amtszeit als Bürgermeister von Paris zu Wahlkampfzwecken auf Staatskosten fiktive Posten geschaffen und mit seinen Parteifreunden besetzt hat, da konnte ich immerhin sagen, er hat es nicht zu Zwecken der persönlichen Bereicherung getan, und außerdem ist das die Angelegenheit der Franzosen, ça ne me regarde pas !"
Meine Herrin hat immer, wenn was mit Korruption bei Politikern Frankreichs war, noch hinzugefügt, daß die mit Ausnahme des Alain Juppé wenigstens als Persönlichkeiten interessant waren, man denke nur an das aufregende Doppelleben des François Mitterrand, der plötzlich zwei Familien hatte, viele Jahre war das nur ein paar Eingeweihten bekannt, und Sarko in den USA auf dem Boot mit seiner Frau Cécilia und Rashida Dati, na, das hatte doch was, es war immer irgendwie sexy.
Jetzt aber ist der Präsident der Bundesrepublik Deutschland Gesprächsthema, heute steht über ihn im Figaro ein Artikel, der schafft es nicht einmal auf die Startseite der Rubrik International, und da steht nun wirklich alles, von den Verhandlungen der Lefebvristen mit dem Vatikan, über Interna des Irak bis zu Nordkorea und seinem Großen Vorsitzenden Kim Jong-un. Gleich drei Artikel über Nordkorea prangen auf der Startseite. Über Christian Wulff erfährt der Leser erst, wenn er dessen Namen in die Suchfunktion eingibt, und da wißt Ihr ja, liebe Freunde, daß mir das mit meinen Klauen schwerfällt, ich muß erst meine Herrin bitten, die so gar keine Lust hat, über diesen mediokren Deutschen auch noch im Figaro zu lesen: Le président allemand s'accroche à son poste. Der deutsche Präsident klammert sich an sein Amt.
Meine Herrin schämt sich, und nicht nur für ihn, sondern für den gesamten Politiker-Set, von dem die FAZ weiß: "Der in der Kritik stehende Bundespräsident bekommt derweil immer mehr Zuspruch aus der schwarz-gelben Koalition."
Meine Herrin schämt sich, daß in Umfragen des Focus 75,3 Prozent der User wollen, daß der Bundespräsident zurücktritt, aber dennoch eine von der ARD in Auftrag gegebene Befragung angeblich 70 Prozent bringt, die ihn behalten wollen. Da wüßte auch ich gern, wie die Fragen gestellt worden sind, die ein solches Ergebnis bringen, blök!
Meine Herrin schämt sich, daß der SPIEGEL zunächst abstimmen läßt darüber, ob es jetzt gut ist mit den Vorwürfen an den Präsidenten, er in Ruhe gelassen werden (25,48 Prozent), oder ob er sich doch noch entschuldigen sollte (74,52 Prozent), eine Manipulation, den Rücktritt gar nicht erst zum Thema zu machen, er nun aber aus allen Rohren schießt.
Die Regierenden Deutschlands und weite Teile der MSM bieten der Welt ein Spektakel, in dem sie die Gesetzesbrüche des Bundespräsidenten, seine miesen Bereicherungen im Urlaub, Upgrading von Economy in die Erste Klasse, Feriendomizile bei Freunden, sein angebliches Nichtwissen über Werbekosten für sein Buch, für nicht ausreichend halten, ihn des Amtes zu verweisen, ihn, den Heuchler, der das mit Thilo Sarrazin leichter Hand und auftragsgemäß bringt.
"Deutschland ist eine Bananenrepublik!" erklärt meine Herrin, "ich gehöre täglich weniger zu diesem Land!"
Blök!
Euer Schaf
das keine Bananen mag