Liebe Freunde!
Heute kommt meine Herrin aus ihrem Stammcafé und kriegt sich nicht ein vor Lachen. "Schaf," gluckst sie, "erinnerst du dich an den Korrespondenten Patrick Saint-Paul, der kein gutes Haar läßt am 'Hebräerstaat' (Israel), und der jetzt im Auftrag des Figaro Berlin unsicher macht, der weder von der 'schiitischen Organisation' (Hezbollah) noch von Konnopke's Currywürsten Ahnung hat? Ich hatte ihn beinahe vergessen, aber heute läuft er zur bekannten Vollform auf."
Ich mag es gar nicht, wenn meine Herrin so euphorisch heimkommt, das bedeutet meistens, daß sie vergißt, mir Möhren, Heu und frisches Wasser vorzusetzen, daß sie mich nervt mit immer neuen Varianten des Themas, und daß ich herangezogen werde, ihr zu assistieren, in den Archiven zu graben, um Belege zu finden, damit sie noch mehr lachen kann.
Menschen denken immer nur an sich, blök!
Ich tue also erst einmal so, als wenn ich nichts hörte, aber sie gibt keine Ruhe, rüttelt an den Gitterstäben meines Pferchs, dann wieder reißt sie die Arme in die Höhe, prustet, japst nach Luft, so daß ich blöke: "Herrin, meinst du nicht, es ist jetzt genug?" Da erholt sie sich allmählich, und ich erfahre Einzelheiten: Les opposants d'el-Assad traqués jusqu'à Berlin. Oppositionelle des Al-Assad verfolgt bis nach Berlin.
Ich schrecke zusammen. "Herrin, was ist denn daran komisch, wenn jemand vom syrischen Diktator verfolgt wird, stell es dir vor, der ist so wichtig, daß die Verfolger eine Entfernung von 2795km Luftlinie oder gar 3738km im Auto zurücklegen, nur um ihm seine Opposition heimzuzahlen! Und bedenke, die müssen doch Waffen transportieren, sie werden also im Auto gekommen sein, welch ein Aufwand! Oder leben die Verfolger schon in Deutschland, die Häscher des Bashar al-Assad, und der Verfassungsschutz schläft mal wieder wie im Fall der rechtsextremen Dreipersonenterrorbande? Um wen handelt es sich denn, der liquidiert werden soll?"
"Na, ja, liquidiert, das wäre ein wenig übertrieben, meine ich. Schaf, es handelt sich um den seit 1996 in Deutschland lebenden syrisch-kurdischen deutschen Staatsbürger (seit 2005) Ferhad Ahma, Berliner Lokalpolitiker der Grünen, der am zweiten Weihnachtstag in seiner Wohnung in Wedding Besuch von Unbekannten bekommt, die sich als Polizisten ausgeben und ihn verprügeln. Laut seiner Aussage haben sie ihn schwer verletzt. Die ZEIT berichtet es voller Mitleid, und auch, daß Ferhad Ahma Mitglied der syrischen Opposition sei, wobei sie verschweigt, daß er ein Funktionär des Nationalrates von Syrien ist." Nun verstehe ich armes Schaf mal wieder gar nichts. Ferhad Ahma ist ein deutscher Politiker, aber er ist Mitglied einer ausländischen oppositionellen Gruppierung, die in ihrem Lande mit Waffengewalt gegen die Regierung kämpft? Von deutschem Boden aus führt er Krieg? "Herrin, was meint denn das Auswärtige Amt dazu, daß in Deutschland von Deutschen innersyrische Gefechte ausgetragen werden?" Nun ist Schluß mit ihrer Euphorie, und sie erklärt mir, daß solche Stellvertreterkriege nicht etwa dem syrischen Deutschen angelastet werden, daß der nicht zur Zurückhaltung aufgefordert wird, schließlich haben wir keinen Krieg mit Syrien, sondern daß sich die Maßnahmen des AA ausschließlich gegen Syriens Regierung und ihre Vertreter richten: "Das Auswärtige Amt ist nicht neutral, sondern auf Seiten der kriegführenden Opposition Syriens. Der Botschafter Syriens wird 'eingeladen', diese Haltung des AA zur Kenntnis zu nehmen."
Ich konsultiere das Internet und finde einen Artikel von Quotenqueen, deren Schreiber sich recht von Herzen lustig machen über den angeblich schwerverletzten Grünen, Foto anbei: Araber verprügeln Grünen. Die Kommentare haben es in sich, SPON meine, es könnte auch alles ganz anders sein, Händel unter Kurden beispielsweise. "Herrin, du hast da auch deinen Senf dazugegeben, sehe ich, du meinst also, in Deutschland sollten Politiker Politik für Deutschland machen und nicht für andere Staaten, sich erst recht nicht in militärische Kämpfe einmischen?" Sie winkt müde ab.
"Was ist denn nun mit Patrick Saint-Paul," blöke ich ungeduldig, wieso läuft er zur Vollform auf?" Meine Herrin zeigt mir den Artikel, der schon damit beginnt, daß der Korrespondent nicht einmal den Namen der figure des Verts allemands richtig schreibt, der großen Persönlichkeit der deutschen Grünen. Der heißt Ferhad, persisch Farhad, das ist ein gängiger Name, bei dem man höchstens "e" und "a" verwechseln kann, türkische oder persische Vokaleinfärbung, nicht aber die Reihenfolge der Konsonanten, es sei denn, man hat wirklich keine Ahnung. Dann geht es weiter damit, daß es ganz Deutschland aufgeregt hätte, was mit dem Oppositionellen geschehen sei, und da fragt man den Korrespondenten, wieso er erst am 11. Februar 2012 darüber berichtet. Zur Zeit des Geschehens tut es eine AFP-Meldung, da ist wohl die "große Persönlichkeit" noch nicht klar erkannt, oder ist Patrick Saint-Paul gerade im Weihnachtsurlaub? Heute wird der Bericht über den von "Schergen des Baath-Regimes" verfolgten sehr aktiven Oppositionellen im Figaro unter den Schlüsselwörtern Spionage, Syrien, Berlin, Fehrad [sic!] Ahma, Asad El- abgelegt, es fehlt das Schlagwort Theaterdonner.
Lesen und staunen!
Der Figaro-Korrespondent interviewt den deutschen Kämpfer für die Befreiung Syriens, der erzählt ihm von zwei unmaskierten Männern in den 30ern, die klar Syrern glichen, ressemblaient clairement à des Syriens. So ändert sich seine Wahrnehmung. "Dem Berliner Tagesspiegel sagte er am Dienstagabend: 'Die beiden Täter sahen arabisch aus. Gesagt haben sie während des Angriffs nichts mehr.' " Am 27. Dezember 2011 sind es Araber, und im Interview mit dem Figaro sind sie klar als Syrer zu erkennen gewesen. Selbst auf der Website der Grünen steht nur: "Nach früheren Drohungen und auch aufgrund des arabischen Aussehens der beiden Männer, die sich nicht zu erkennen gaben, muss befürchtet werden, dass es sich hier um Mitarbeiter des syrischen Geheimdiensts handelt, die den in der syrischen Opposition aktiven Ahma einzuschüchtern versuchten." Aber am schönsten ist der Kommentar darunter, hier ein Auszug daraus:
"Verfasst von Gast am Fr, 2011-12-30 13:13.
der Arme ist ja wahrlich fast totgeprügelt worden .... Herrgott, lass' Hirn regnen !!! - behauptet, die hätten auch seinen Tod billigend in Kauf genommen, braucht aber nicht 'mal in die Ambulanz .... Ich habe selber 'mal vor über 25 Jahren einen GRÜNEN Ortsverband mitgegründet, dachte über Jahre, meine Ideen von Frieden, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit seien in dieser Partei zuhause. Was ich heutzutage sehe, ist eine Partei, die ganz vorne dabei ist, sich für irgendwelche 'gerechten' Konflikte einzusetzen, diese durch sogar vorweg-Wiederkäuen der ständigen Main-Stream Lügengeschichten."
Dem Figaro-Korrespondenten, der auch von der Mitgliedschaft des Opfers im Nationalrat Syriens berichtet, erzählt er seine Geschichte, jahrelang werde er verfolgt, er werde fotografiert, sein Vater werde in Syrien, im kurdischen Dorf al-Qamischli, regelmäßig von syrischen Geheimdienstlern aufgesucht: "Sie sagen ihm, daß ich nichts zu suchen hätte in Aachen, Hannover oder Berlin auf Demonstrationen gegen das Regime. Sie sagen ihm, ich täte gut daran, mich ruhig zu verhalten und zum Vorteil aller fern von der Politik." Vater, Onkel und Brüder wären schon wiederholt im Gefängnis gewesen, aber Ahma mache weiter mit Demonstrationen vor der syrischen oder der russischen Botschaft. Er erzählt, daß zu seinem Fall der syrische Botschafter einbestellt worden sei, die deutschen MSM berichten übereinstimmend, er sei "eingeladen" worden, was seitens des AA ausdrücklich als Unterschied gesehen werden soll, aber im Zusammenhang mit der Mediatisierung der Platzwunde durch die Grünen werden die Tatsachen wie üblich verbogen und aufgebauscht. In Deutschland lebten 50 000 Syrer, davon 30 000 mit deutschem Paß. Nun hätten die deutsche Polizei und die Geheimdienste die Ausmaße der syrischen Spionage in Deutschland erkannt und vier Angestellte der syrischen Botschaft ausgewiesen.
"Herrin, die deutschen Geheimdienste können also froh sein, daß die Grünen sie auf das Unwesen der Syrer in Deutschland aufmerksam gemacht haben?" blöke ich zweifelnd. "Ja, unsere Geheimdienste wären darauf sonst nicht gekommen, heißt das. Es hat nichts damit zu tun, daß sich die Lage verschärft, daß Deutschland sich genötigt sieht, Flagge zu zeigen, die islamgrüne der Sunniten nämlich, sondern es ist Ferhad Ahma zu danken, der heftet sich das ans Revers." Meine Herrin beginnt plötzlich wieder, laut zu lachen, und ich befürchte das Schlimmste. "Schaf," preßt sie heraus, "jetzt erzähle ich dir über die Pläne des Ferhad Ahma für die 'Zeit danach'." Ich scharre gespannt mit den Hufen im Heu: "Was denn, was denn?"
"Ferhad Ahma [hier ist Ferhad zum ersten und einzigen Mal richtig geschrieben] würde gern seine Expertise in den Dienst des Wiederaufbaus eines demokratischen und für Umweltfragen sensiblen Landes stellen. ... Wir wollen die Freiheit."
Derweil berichtet er Petra Sorge, auf CiceroOnline, in einem Interview über seine militärstrategischen und nachrichtendienstlichen Vorstellungen: Unterstützung von "Netzwerken, die bereits im Land agieren", und in der üblichen fordernden Haltung des Muslims: "Die Hilfe muß unbürokratischer werden." Er fordert technische Unterstützung der syrischen Oppositionellen, "Visaerleichterungen für Mitglieder der syrischen Oppostion", zu deutsch Unterstützung darin, den Krieg in unser Land zu holen, nebenbei erklärt er, Ungarn, wohin Syrer abgeschoben wurden, sei "nun wirklich kein lupenreiner demokratischer Staat", und am 10. Februar 2012 weiß er immer noch nicht, ob er tatsächlich von syrischen Geheimdienstlern malträtiert wurde. Das erzählt er nur dem depperten Franzosen, der eh nicht richtig deutsch versteht.
"Herrin," blöke ich beeindruckt, "was ist denn dieser Nationalrat Syriens, le Conseil national syrien (CNS)? Darüber berichten deutsche Medien nicht." Meine Herrin freut sich nun doch, den ausführlichen Artikel von Georges Malbrunot, im Figaro, vom 3. Februar 2012, Seite 2 und nicht online, aufgehoben zu haben. Er ist wie die besten Perlen des Korrespondenten nur Abonnenten vorbehalten: Dans les coulisses de l'opposition syrienne en exil. Hinter den Kulissen der syrischen Opposition im Exil.
Der CNS, die Gruppierung des Ferhad Ahma, ist die größere der beiden Hauptströmungen der Opposition. Vorsitzender des CNS ist der 66-jährige ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiter an der Sorbonne, der Soziologe und Politologe Burhan Ghalioun, gebürtig aus Homs und seit 30 Jahren im Exil in Frankreich. Die andere Gruppe nennt sich Comité national de coordination pour le changement. Nationales Komitee der Koordination für den Wechsel. Das Komitee steht den arabischen Nationalisten nahe, sein Vorsitzender, ebenfalls seit 30 Jahren im Exil, ist der 60-jährige ehemalige Psychotherapeut Haytham Manna, aus Deraa. Beider Hauptquartier ist in Paris. Zwischen beiden Gruppierungen bestehen größere ideologische Differenzen, und die Vorsitzenden sprechen lange Zeit nicht miteinander. Der Direktor der National Intelligence der USA James Clapper beklage denn auch die Zersplitterung der Opposition.
Burhan Ghalioun geht, obgleich er selbst laizistisch ist, mit den Islamisten. Haytham Manna ist farouchement anti-islamiste, ein entschiedener Gegner der radikalen Muslime, der "Islamisten". Der Vorsitzende des der Türkei nahestehenden CNS hat von Katar 22 Millionen Dollar erhalten, wie seine Konkurrenten vom Komitee wissen. Katar finanziert wie in Libyen so auch in Syrien den sunnitisch-wahhabitischen Umsturz, die militärische Führung hat der libysche Al-Qaida-Chef Abdelhakim Belhaj, von der Libyan Islamic Fighting Group (LIFG). Man rufe seinen Namen bei Google auf und erhalte als Angebote abdelhakim belhaj libya sowie abdelhakim belhaj syria. Syrische freie Armee von Abdelhakim Belhaj kommandiert, weiß Thierry Meyssan, vom Voltairenet.org.
Die beiden Vorsitzenden Burhan Ghalioun und Haytham Manna unterzeichnen trotz ihrer Divergenzen am 30. Dezember 2011 ein Abkommen zur Organisation des demokratischen Überganges der Macht in Syrien, im Januar sollten alle Gruppierungen des Widerstandes zusammenkommen zu einem Kongreß. Der Generalsekretär der Arabischen Liga Nabil al-Arabi ist begeistert und erwartet sie in Kairo, um sie zu dem Fortschritt zu beglückwünschen. Aber nur einige Stunden nach der Unterzeichnung haben die alliés islamistes, die radikalislamischen Mitglieder des CNS und die katarischen Sponsoren den Vorsitzenden Burhan Ghalioun unter Druck gesetzt, vom Abkommen zurückzutreten. Nabil al-Arabi ist wütend: "Für wen halten die mich?"
Es geht darum, daß der CNS das Abkommen verweigert, weil darin die suprématie du pouvoir civil sur le religieux festgeschrieben wird, die Vorherrschaft der zivilen vor der religiösen Macht. Drei Mitglieder des CNS-Exekutivkomitees, Ahmed Ramadan, ein ehemaliges Mitglied der Muslimbrüder, Imad Eddin Rashid und Obeida al-Nahhas, zwei angeblich moderate "Islamisten", haben den CNS gegründet und "haben das Ohr des US-amerikanischen Außenministeriums". Dessen Niveau im Erkennen der Problematik druckt der Figaro unter dem Foto der lieb lächelnden Hillary Clinton ab: Il n'y aura pas d'avenir pour la majorité si on n'accorde pas aux minorités tous leurs droits. Es gibt für die Mehrheit keine Zukunft, wenn man der Minderheit nicht alle ihre Rechte zubilligt. Diese sybillinische Formulierung, "alle ihre Rechte", heißt was? Von wem zugebilligt? Wie im Koran den "Ungläubigen"?
Inzwischen ist die Entwicklung der militärischen Lage in Syrien so weit fortgeschritten, daß weder der CNS noch das Nationale Komitee zur Koordinierung des Wechsels noch den geringsten Einfluß im Lande haben. "Wenn auch die Herren Manna und Ghalioun die erste, pazifistische Phase der Revolte vertreten haben, erscheinen diese ehrenwerten Persönlichkeiten heute der Militarisierung der Revolte wegen überholt; sie hätten ihren repräsentativen Charakter an der Basis verloren, meint ein Diplomat in Damaskus, sie hätten als Sprecher der Opposition gedient, aber jetzt folge die Straße den Aufrufen der bewaffneten Kämpfer. Wer zu denen zählt, liest man bei Pârse&Pârse, im Artikel Syrien: Im Würgegriff der Medien.
Nun wird vom CNS gefordert, mehr für die Oppositionellen in Syrien zu tun. "Unter dem Einfluß der Islamisten und sehr fern den Empfehlungen der Frau Clinton haben die anti-alawitischen (die Minderheit die die al-Assads unterstützt) Parolen bei vielen Oppositionellen die Oberhand gewonnen. Nibras al-Fadel ist deutlich deshalb entfernt worden aus dem Politbüro des CNS, weil er Alawit ist." Der ist ein Freund Frankreichs, 2002 bis 2003 Kooperationspartner des Staatspräsidenten Jacques Chirac. Dem Nibras al-Fadel hat die Geheimpolizei 24 Stunden gegeben, das Land zu verlassen. Er wird gehandelt als Nachfolger von Burhan Ghalioun, geht im Elysée Palast ein und aus, und im Lande gälten er und seinesgleichen als Agenten des Auslands, meint der Diplomat.
"Herrin," blöke ich, "nun wissen wir endlich, wo die Persönlichkeit des CNS Ferhad Ahma, des Vertreters der syrisch-kurdischen Jugend, zu verorten ist, mag er auch angeblich und möglicherweise Platz 236 einer Liste des syrischen Geheimdienstes einnehmen, mag er auch den Korrespondenten Patrick Saint-Paul mit seiner Wichtigkeit beeindrucken. Die Patronen werden woanders verschossen. Die jetzt unter Spionagevorwurf erfolgte Festnahme mutmaßlicher syrischer Spione steht nicht im Zusammenhang mit dem Überfall auf den Lokalpolitiker der Grünen, weiß der FOCUS."
Vielleicht prüft man ja doch noch einmal, ob der Faustschlag aufs Auge nicht einer innerkurdischen Auseinandersetzung geschuldet ist, oder, noch besser, man vergißt den Vorfall einfach.
Blök!
Euer Schaf
آزادی