11. Juli 2015

Rußland. Wladimir Putin war in Ufa wie zu Hause

Photo : Alexander Nemenov / AFP

Wenn es nicht so armselig wäre, könnte man sich über Frankreich und seinen Figaro-Korrespondenten Pierre Avril beölen. Er schreibt unter der Überschrift "In Ufa stellt sich Wladimir Putin als Leader der aufstrebenden Länder dar" über die baschkirische Hauptstadt, die während des Gipfeltreffens der BRICS und der Shanghai Cooperation Organization (SCO) verwaist und von Einwohnern und ihren Autos entleert gewesen wäre.

Das liest sich anklagend. So macht es der Diktator, der sich "mit fünfzehn gegenüber Washington mißtrauischen Staatschefs umgibt", da haben die Menschen und ihre Bedürfnisse nichts zu suchen. Der Artikel ist den Abonnenten vorbehalten, ich versichere aber, daß nichts darin steht, das auch nur von weitem etwas mit sachlicher Berichterstattung gemein hätte.

À Oufa, Poutine se présente en leader des pays émergents.
Par Pierre Avril, Le Figaro, 11 juillet 2015, p. 8


Pierre Avril ist derjenige, der sich seinerseits in Moskau als Asien-Korrespondent darstellt, im Schnee, Hände in den Taschen, in den Klauen des Bären. Seit 2009 hält er sich tapfer.

Anscheinend hat er in seinem Sibirien nie etwas von den Zuständen gehört oder gelesen, die anläßlich des G7-Gipfeltreffens, vom 7. und 8. Juni 2015, in und um Garmisch-Partenkirchen und Schloß Elmau herrschten, teilweise schon mehrere Wochen vor dem Treffen. Ich habe das knapp drei Wochen vor dem Ereignis persönlich in Garmisch-Partenkirchen bewundert:

garmisch elmau sicherheitsvorkehrungen: 28 000 Ergebnisse


In der Papierausgabe bringt die Redaktion dazu ein Sergei Karpukhin / ar-Reuters-Foto vom schmallippigen Wladimir Putin mit "Heiligenschein". Das Foto ist so von unten aufgenommen, daß der helle Rand des  SCO-Logos sich genau um den Kopf des Redners legt. Das Foto wird von der österreichischen Zeitung "Die Presse" zu einem sehr lesenswerten (!) Artikel über die für das Blatt erstaunliche Zusammenarbeit der Scheichs mit Rußland auf die Website gestellt. Danke dafür!

Man kann vom Figaro-Internet-Foto ersehen, welcher Verrenkungen des Fotografen es bedurfte, eine solche Niedertracht hinzubekommen. Rutschen auf Knien wie in der Moschee war dazu nötig.


Ar-Reuters kennen meine Leser noch von meiner alten Website, aus der Kampagne gegen Israel, im Libanonkrieg, Sommer 2006, aus der Szene des "Kana Massakers". Stichwort: "Green Helmet Guy".

"Wladimir Putin war in Ufa wie zu Hause"

Pierre Avril schreibt über den Auftritt des russischen Staatspräsidenten: Vladimir Poutine était comme chez lui, à Oufa. Das muß man sich vorstellen! Eigentlich hat er da nichts zu suchen, oder wie? Wenn man nur den europäischen Teil Rußlands berücksichtigen würde, dann wäre Ufa ungefähr da, wo in Deutschland München läge. Bei einem Besuch der Bundeskanzlerin schriebe Nicolas Barotte, der Berlin-Korrespondent des Figaro: Merkel était comme chez elle?

Bei der Berücksichtigung der Ausdehnung ganz Rußlands läge Ufa proportional etwa dort, wo sich in Deutschland Frankfurt am Main befindet.

Angela Merkel war in Frankfurt am Main wie zu Hause

Von den Saudis, die 9,07 Milliarden Euro in russische Investitionsprojekte stecken werden, weiß Pierre Avril nichts. Vielleicht zählt Saudi-Arabien für ihn zu den ex-satellites soviétiques de l'Asie centrale?

"Damit hatte man nicht gerechnet. In einer Zeit, in der russlanderfahrene Firmen eher auf Standby stehen, plötzlich Beistand von den Scheichs, während man sich aufgrund der Sanktionen ohnehin nach China wendet?" schreibt "Die Presse".


Aber Wladimir Putins angebliche Philosophie sowie die Neue Seidenstraße. Nouvelle route de la soie, die werden vom Korrespondenten des Figaro gewürdigt. Sie werde von den Chinesen gesehen als ein Mittel, eine eventuelle Erdöl-Blockade der Amerikaner zu umgehen. Eine Studie werde erstellt.

" 'Die Staaten der SCO sind die ersten, die eine Alternative zur amerikanischen Politik in Asien präsentieren, und an der Seite der BRICS benutzt Putin diese, um zu zeigen, daß er nicht isoliert ist,' erklärt Aleksey Maslov, Professor an der Hochschule für Ökonomie."

Man kann sicher sein, daß der Professor nicht geäußert hat, daß Wladimir Putin die SCO-Staaten "benutzt", Poutine les utilise; denn Professor Aleksey A. Maslov ist Professor für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen und Mitglied des Akademischen Rates der Higher School of Economics, einer der besten Universitäten Rußlands, und dort tätig in der Abteilung für die Entwicklung der Zivilgesellschaft des Ostens. Er macht aus einer Zusammenarbeit nicht ein "Benutzen" anderer Staaten durch Wladimir Putin.

Dann weiß Pierre Avril noch etwas von der Verurteilung eines mysteriösen westlichen "Versuchs" bezüglich des Zweiten Weltkriegs, "die Geschichte zu verzerren", ein "Hauptelement der internen Propaganda des Kreml."

Vielleicht geht es darum, daß Frankreich, was den Sieg über Nazi-Deutschland angeht, von Wladimir Putin den Platz zugewiesen bekommen hat, der ihm gebührt, nämlich am Ende der Tafel, wenn nicht am Katzentisch?

Es folgen noch einige Nörgeleien über die Krim, und die Ukraine, die ausgeklammert worden seien beim Treffen, über die nicht erwähnte G7, von der Rußland ausgeschlossen ist, sondern nur über G20, wo Rußland Mitglied ist, über die Kritik an Washington, weil die USA das Projekt zur Reformierung des IWF zur Erhöhung des Einflusses der Entwicklungsländer nicht ratifiziert haben, über die Sorglosigkeit der EU in der Griechenland-Krise sowie über die öffentlichen Schulden der USA.

"In Ufa konnte nichts das Fest des Präsidenten verderben."