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Sollte eine sanftmüthige, bescheidene, friedfertige Seele den Muskeln des Angesichts diejenige Wildheit, Strenge, Furchtbarkeit geben können, welche das Gesicht eines rohen, harten, zornigen, und unerbittlichen Menschen verunstalten? Ist es nicht, wenn es auch keine Erfahrung bestätigte, für die bloße Vernunft schon zum voraus, wo nicht gewiß, doch äußerst wahrscheinlich, daß der moralische Charakter eines Menschen großentheils von dem physischen im weitern Verstande, und von seinem intellectuellen Charakter abhange; daß folglich, wenn diese, die Prämissen, aus dem Aeußerlichen erkennbar sind, auch der moralische zugleich mit aus eben diesem Aeußerlichen erkennbar seyn könne und müsse?
Johann Caspar Lavater (15.11.1741 - 2.1.1801): Von der Physiognomik (1772). Zweyter Abschnitt