28. März 2019

Konservative Abgeordnete betreiben Obstruktion gegen den Brexit

Florentin Collomp, dem London-Korrespondenten des Figaro, kann man nicht unterstellen, ein Freund der Brexiteers zu sein, aber er ist ein aufrechter Journalist, wenn er berichtet: "Außer der Ankündigung von Theresa May [ihres demnächst erfolgenden Rücktritts, wenn ihr Deal angenommen wird] ist dieses Auseinanderlaufen [der Meinungen über den Brexit] verstärkt worden durch die Anarchie des Unterhauses. Seit ihrem Sieg, am Montagabend, haben die aufsässigen pro-europäischen Konservativen, Gelegenheitsverbündete der oppositionellen Labour- und anderer Minderheitsparteien, die Kontrolle über die Tagesordnung übernommen."

Update, vom 29. und 30. März 2019
Withdrawal Agreement abgelehnt 286 : 344
Theresa May wird Neuwahlen ansetzen. Dann endlich ist's mit dem Brexit zu Ende.
Für nächste Woche wird die vierte Abstimmung über den Deal erwartet: "Kill Brexit!"
170 Abgeordnete und 10 Minister schreiben Brief: Keine Verlängerung des Ausstiegsdatums!
Remainer-MP Dominic Grieve kriegt das Vertrauen seiner Wähler entzogen.

"Brexit: Theresa May verpflichtet sich zurückzutreten, wenn ihr Deal ratifiziert wird."
Brexit: Theresa May s'engage à démissionner si son accord est ratifié. Par Florentin Collomp

So ist es. Es war von vornherein klar, daß keine der durch den Remainer Sir Oliver Letwin ermöglichten Brexit-Alternativen eine Mehrheit finden würde. Die Remainer betreiben im Unterhaus nichts als Obstruktion, spielen auf Zeit, intrigieren in Brüssel, verleumden die Brexiteers, um den Austritt Großbritanniens aus der EU zu verhindern.

"Die Leute sehen, wie die EU uns behandelt hat in den Verhandlungen, wie einen Abtrünnigen. Und die europäische Integration, die wir ablehnen, ist seit dem Referendum fortgeschritten, sagt Matthew Elliott, Geschäftsführer der Brexit-Kampagne Vote Leave von Boris Johnson, zum Korrespondenten. Er ist gegen einen No Deal und den dann am 12. April 2019 folgenden EU-Austritt.

Er weiß außerdem, von einer unter Verschluß gehaltenen Umfrage, die ergeben hat, daß bei einer Wiederholung des Referendums noch mehr Briten für den Austritt aus der EU stimmen würden, als am 23. Juni 2016.

Warum die Brexiteers den Verstand verloren haben sollten, ist dem Interview nicht zu entnehmen. Die Wahlbeteiligung, am 23. Juni 2016, betrug 72,21%, eine Beteiligung, von der Frankreich und Deutschland träumen könnten. 51,89% waren für den Brexit. Beim zweiten Referendum wäre die Wahlbeteiligung noch höher, wetten? Den Verstand hat nämlich keiner von ihnen verloren.

"Matthew Elliott: 'Ich denke, die Brexiteers haben den Verstand verloren',"
Matthew Elliott: «Je pense que les brexiters ont perdu la raison». 
Propos recueillis par Florentin Collomp, Le Figaro, 27 mars 2019


Eben auf Sky News: Morgen, am 29. März 2019, dem Tag, der den Brexiteers fast heilig ist, weil er bis gestern der gesetzlich festgelegte Austrittstag war, morgen also wollen sie im Unterhaus ganztags quasseln, ohne daß mangels Mehrheit für Theresa Mays Deal ein "meaningful vote" vorgesehen ist. Sie verhöhnen die Bürger, nicht nur diejenigen, die aus der EU austreten wollen, sondern alle.

Die neueste Version ist, daß morgen, am "Brexit-Tag", nur über den halben Vertrag abgestimmt werden soll, den Austrittsteil, Withdrawal Agreement. Die Political Declaration, die Politische Erklärung, die integraler Bestandteil des Vertrages ist, wie Therea May wiederholt erklärte, soll weggelassen werden. So leiste man den Anforderungen des Europäischen Rates genüge, der dem Austritt zum 22. Mai 2019 nur zustimmt, wenn positiv über das Austrittsabkommen befunden wurde.

Es ist irre, für wie bekloppt Theresa May die Abgeordneten hält. Der Austrittsteil ist (!) der Brexit-Vertrag. Er umfaßt 585 Seiten. Die Politische Erklärung macht 26 Seiten aus.

Brexit latest news: MPs to vote for third time on PM's deal tomorrow - 
but only Withdrawal Agreement part. By Jack Maidment, The Telegraph, 28 March 2019, 6:08 pm

In der nächsten Woche wollen die konservativen Chaoten, wieder auf Einladung der Regierung, im Unterhaus weiter quasseln und neue Probeabstimmungen präsentieren, so lange, bis sie ein zweites Referendum oder eine Zollunion erreichen. Da eine Umfrage ergeben hat, daß dann noch mehr Wähler für den Brexit sein werden, läuft ihre Absicht wohl auf eine Zollunion, auf Fälschungen der Ergebnisse des zweiten Referendums oder aufs Hoffen auf ein Wunder hinaus. Die britische Demokratie muß doch zu zerstören sein!

"EUR FARCE ZWEI. Streitende Abgeordnete drohen, eine WEITERE Runde Brexit Abstimmungen abzuhalten - aber was wollen sie eigentlich?"
EUR FARCE TWO. Squabbling MPs vow to hold ANOTHER round of Brexit votes – 
but what do they actually want? By Natasha Clark, THE Sun, 28 March 2019

Derweil ändert Brexiteer Boris Johnson seine Meinung. Gestern noch wollte er  für den Deal der Premierministerin stimmen, weil Großbritannien sonst nie aus der EU käme, heute dagegen erklärt er, der Deal der Theresa May sei "tot". Sie sollte trotzdem zurücktreten, auch wenn sie ihren Rücktritt bislang daran gebunden hätte, daß ihr Deal vom Unterhaus angenommen werde.


"Wir wissen, daß Mays Deal tatsächlich ein internationaler Vertrag ist, von einer ausländischen Macht aufgesetzt, um uns schwach und in Abhängigkeit zu halten."

Sein Umschwenken kommt, weil die Nord-Iren der DUP sowie bis zu 25 hartleibige Brexiteers nicht für den Deal stimmen werden. So ist auch die morgige Quasselbude zu erklären, die aber von Theresa May auch einberufen worden sein könnte, um ihren Deal zum dritten Mal vors Unterhaus zu bringen.

"Boris setzt zum Todesstoß an"
Boris goes for the kill. By Martin Robinson et al., Mail Online, 28 March 2019


Briten sind nicht wie Deutsche, die immer mit allem "zufrieden" sind. Wer's nicht glaubt, der schaue die insgesamt sehr interessanten Folgen von "Bares für Rares", im ZDF. Wie das Ergebnis der Verhandlungen mit den Antiquitätenhändler auch ausfallen mag, 95 von 100 Anbietern sind immer "zufrieden". Erwartung 1 500 €, erzielt weniger als die Hälfte?  "Ich hatte mir zwar mehr erhofft, aber ich bin zufrieden." Spricht's, wedelt mit den Scheinen und verläßt strahlend die Szene.

Brexit in meinem Blog-Archiv

Es hört auf, wie es anfängt, oder?
Brexit exit! 28. Juni 2016

Update, vom 29. März 2019


Prime Minister's Motion:
This House approves the Withdrawal Agreement so the UK can leave EU on 22 May
Yes 286 : No 344

Ich wage die nächste Vorhersage: Volkes Wille wird nicht berücksichtigt, weil diejenigen im Unterhaus, die ihn durchsetzen müßten, aus eigenen geschäftlichen und politischen Erwägungen für den Verbleib Großbritanniens in der EU sind. Von den am 8. Juni 2017 gewählten Abgeordneten haben mindestens 244 ihre Wähler getäuscht. Diese Zahl ergibt sich aus der Differenz zwischen der Zahl der Wahlbezirke mit Remainer-Mehrheit, 242, und der Zahl der Remainer-Abgeordneten, 486.

Der letzte Stand des Betruges an den britischen Wählern immer hier:
Le Figaro Brexit

Update, vom 30. März 2019

Die Ablehnung des Deals der Theresa May erreichte im Unterhaus am 15. Januar eine Mehrheit von 230, am 13. März eine von 149, und am 29. März eine von 58 Stimmen. Das kommentiert Theresa May: "Wir gehen wenigstens in die richtige Richtung." Nächste Woche will sie wieder abstimmen lassen, so lange eben, bis das Ergebnis des de facto Verbleibs ohne Stimmrecht in der EU erreicht ist. Darin unterstützt sie die Mehrheit der Konservativen Remainer, die gegen den Willen der Wähler ihrer Stimmbezirke nichts unversucht lassen, Großbritannien in der EU zu halten. Sie werden am Montag, als Aprilscherz gewissermaßen, über weitere Ergänzungen des Vertrages abstimmen lassen. Inzwischen ist ihnen alles recht, Hauptsache, sie können Zeit schinden. Einen No Deal, haben sie zu verstehen gegeben, werden sie nicht akzeptieren.

"Whether you are a Brexiteer or a Remainer this is a deal that a nation signs only after having been defeated at war. This is not a deal that is fit for purpose for any sovereign country." Yanis Varoufakis

Sollte Emmanuel Macron dem Theater ein Ende setzen? Er ist davor, die Angelegenheit ein für allemal zu regeln. Es geht auch um die von Großbritannien zu räumenden, bereits unter die 27 Staaten verteilten Pfründen, die Abgeordnetenmandate und Posten im EU-Parlament und der Kommission. Eine Beteiligung Großbritanniens an den Wahlen zum EU-Parlament wäre "ein Dorn im Fuß der Union," schreibt Florentin Collomp, im Figaro, 29./30. März 2019.

Derweil rechnet Theresa May mit weiteren Wochen, also über den letztmöglichen No Deal Austritt, vom 12. April 2019, hinaus, um von den Abgeordneten ihren Deal doch noch bewilligt zu bekommen. Verhandlungen hinter verschlossenen Türen finden statt. Vielleicht im Atom-sicheren Bunker?

[Der Fernsehsender] "Sky News kann enthüllen, daß die Streitkräfte ein Team in einem 
Atombunker unter dem Verteidigungsministerium aktiviert haben, um Vorbereitungen für einen 
'No Deal' Brexit zu verstärken."


BREXFAST
Tory MPs in revolt as 170 sign letter demanding that Theresa May rejects long Brexit delay
By Ave Hawken, THE Sun, 30 March 2019, 4:04 pm GMT

"Mehr als die Hälfte der Abgeordneten aus Mays Partei revoltieren des Brexits wegen, 170 - 10 ihres Kabinetts einbegriffen - unterzeichnen einen Brief, in dem sie ihr auftragen, keinem langen Aufschub zuzustimmen, auch wenn das No Deal heißt (und wenn sie einen neuen Mißtrauensantrag stellen könnten, wäre sie raus)."

More than half of May's MPs in revolt over Brexit
as 170 - including 10 of the Cabinet - 
sign letter telling her not to agree a long delay, even if it means No Deal (and if they could hold a new confidence vote she'd be out). By Henry Martin, Mail Online, 30 March 2019. Updated 16:24 GMT


Dem Remainer Dominic Grieve, dem Tory-Abgeordneten des Wahlkreises Beaconsfied, wurde am Freitagabend 182 : 131 von seinem Konservativen Verband das Mißtrauen ausgesprochen, weil er für den Deal der Theresa May stimmte und erklärte, die UKIP wäre in die Brexit-Bewegung der Konservativen eingedrungen. Und wer springt diesem Abgeordneten zur Seite? Boris Johnson und der Parteivorsitzende Brandon Lewis. Herrliche Kommentare auf deren Twitter Accounts! Grieve ist eben kein "guter Mann und wirklicher Konservativer", sondern er diskutiert mit Mitgliedern der französischen Regierung seine Pläne, den Brexit zu verhindern.

Dominic Grieve verliert Vertrauensvotum seines Konservativen Verbandes,
und Aktivisten weisen Behauptungen über UKIP-'Entrismus' zurück"
Dominic Grieve loses confidence vote by his local Conservative association as activists reject claims of Ukip 'entryism'. By Jack Maidment, The Telegraph, 30 March 2019

Schon am 28. Juni 2016 ist klar: Auch Boris Johnson hat keine Eile mit dem Brexit. Nigel Farage ist "aufgeregt", ob sich dessen Position zum Brexit aufweicht. Ja, sicher, was dachten Sie denn?


Brexit exit! Vorhersage, vom 28. Juni 2016
Nach Lektüre des heutigen Figaro komme ich zum Ergebnis, daß jetzt, ausgehend vom Artikel 50 des Lissabon-Vertrages, der größte politische Betrug der Nachkriegszeit in Gang gesetzt wird.