Die Unkenntnis Deutschlands, der Bundesrepublik und der DDR, bringt diesen Artikel hervor. Jemand, der Präsidenten wie François Mitterand, Jacques Chirac oder gar Nicolas Sarkozy erlebt hat, kann nicht ermessen, wie eine aus dem real existierenden Sozialismus hervorgegangene Politikerin tickt. Man muß ihm zugute halten, daß nicht einmal der schlaue Fuchs Helmut Kohl das hat einschätzen können.
Neun Monate später, im Mai 2010, schreibt Patrick Saint-Paul über Konnopke's Imbiß, den mit dem Deppengenitiv, und auch da merkt man ihm an, daß er noch nicht mit den Feinheiten des deutschen Gemythes vertraut ist, erst recht nicht mit Berliner Chuzpah, noch zu französisch verseucht ist und, verdorben durch die Aufklärung, auf die sich ihm bietende Romantik blickt. Inzwischen aber hat er Zugang gefunden, und mit dem recto&verso vom 20. April 2011, auf der Seite 2 des Figaro, liefert er sein Gesellenstück: L'Allemagne se convertit à l'écologie. Deutschland konvertiert zum Umweltschutz. Leider ist dieser Artikel den Abonnenten vorbehalten, man sollte ihn übersetzen und als Postwurfsendung in allen deutschen Haushalten verteilen, vielleicht wachen dann ja welche auf.
Seit der Katastrophe in Fukushima sei die Sorge um die Umwelt zur Besessenheit geworden, was immer Deutsche täten, sie fragten sich dabei, ob man das nicht auch anders machen könnte, um die Umwelt zu schützen. Über die Grünen, die sich dreißig Jahre für den Umweltschutz engagiert hätten, mache sich niemand mehr lustig. "Plus personne ne songerait à moquer ces idéalistes." In der Tat geben sie sich als Idealisten aus, mit allen Konsequenzen, die das für ihre Umwelt hat und noch haben wird. Ihr Realismus heißt, die Phantasiewelt als wirklich zu verkaufen, und ein ganzes Volk in einen Sog zu reißen. Wer dem nicht Folge leistet, wird die harte Hand der Idealisten noch zu spüren bekommen, und darum begeben sich CDU/CSU und FDP bereits jetzt in die Dhimmitude. "Depuis quelques années, les électeurs chrétiens-démocrates se tournent de plus en plus vers le vote écolo", sagt der Soziologe Dr. Gero Neugebauer, vom Berliner Otto-Suhr-Institut, heute im Ruhestand. Seit einigen Jahren wendeten sich die christdemokratischen Wähler zunehmend der Umwelt-Wahl zu. Umweltschutz sei eine Form des Konservatismus.
Ich halte das vielmehr für eine Ersatzreligion.
Die Ausmaße, die das Abdriften in die Irrationalität annimmt, schildert Patrick Saint-Paul kommentarlos. Es liest sich wie eine Satire. Ein grüner Bundeskanzler 2013 sei ernsthaft in Betracht zu ziehen. Wer die Geschichte Deutschlands kennt, hält nichts für unmöglich. Der Korrespondent berichtet über den Laden Eco Fitness, am Berliner Ku-Damm, die Champs-Élysées Westberlins. Ich weiß nicht, wie die Pariser Prachtstraße jetzt beschaffen ist, war lange nicht mehr dort, aber so auszusehen wie der Ku-Damm, ist den eleusinischen Feldern nicht zu wünschen.
Die Heimtrainer, die schon ohne Ausrüstung zur Erzeugung von Strom eine Plage sind, autistisch trampeln darauf die Gesundheitsapostel herum, die erfüllen nun auch noch einen Ökozweck: "Während Sie laufen, in die Pedalen treten, oder wo Sie auf Maschinen rudern, die wir verkaufen, produzieren Sie von nun an Elektrizität, die Ihren Laptop auflädt, Ihr Telefon oder eine Batterie, an die Sie dann ein Haushaltsgerät anschließen können," erfährt Patrick Saint-Paul vom Ladenbesitzer Steffen Potrykus. Ein Blick auf die Preise der Gerätschaften ist aufschlußreich.
Charlène Lafont hat im Figaro-Artikel von Eco Fitness gelesen und ist hin&weg. Ein Foto auf GREENZERO zeigt, wie mittels Eco-Trainer Strom erzeugt wird. Der Blick richtet sich dabei aufs Meer, was entweder bedeutet, daß die Szene nicht in Berlin aufgenommen, oder daß ein wunderbares Poster an der Wand aufgehängt wurde, gegen die deutsche Umweltschützer anlaufen.
Woran erinnert es nur? Wie ist das mit den Hochöfen in der VR China zu Maos Zeiten? "Permanente Revolution" von Millionen "roten" und gleichzeitig "fachkundigen" Protagonisten. Es entstehen über eine Million primitiver Mini-Hochöfen, schreibt Kai Möller im Buch über die Außenpolitik der VR China von 1949 bis 2004.
"Seit drei Wochen sprechen unsere Kunden von Fukushima, wenn sie zur Ladentür hereinkommen," erzählt Steffen Potrykus. Sie wollten nicht so weitermachen, sondern sauberen Strom konsumieren, diese Saubermänner, "courant propre", mit kleinen Gesten solle eine Energie-Revolution ermutigt werden, auch wenn es ein wenig teurer käme. "Eco Fitness legt eine ausgewogene Kohlenstoffbilanz vor und pflanzt einen Baum für jede verkaufte Maschine."
In Berlin und in anderen deutschen Städten sei es heuer unmöglich, ein Gebäude zu errichten, ohne die Einrichtung eines Dachgartens oder die Installation von Solarzellen vorzusehen. Mülltrennung sei zur zweiten Natur geworden - kein Wunder, wenn man keine erste hat. Mit dem Fahrrad fahre man zum Einkaufen zu den Bio-Läden. José Bové hätte seine Freude, das ganze Land eine einzige Grünenpartei, Grün-CDU, Grün-CSU, Grün-FDP, Grün-SPD, Grün-Grüne, Grün-Linke, Grün-Islam.
Diese Lebensart ist der Mittel- und der Oberschicht vorbehalten, diese alternde Gruppe kreist um ihre Gesundheit und die Umwelt. Die unteren Schichten der Gesellschaft haben andere Probleme als die Frage, wie man besser essen, sauberer konsumieren und den Kindern eine Welt hinterlassen könnte, die noch reibungslos funktioniert, meint Dr. Gero Neugebauer.
Dennoch wollten 80 bis 85 Prozent der befragten Deutschen aus der zivilen Atomenergie aussteigen. Sie versteigen sich dazu, von der Vermeidung eines "nuklearen Holocausts" zu sprechen. Patrick Saint-Paul berichtet vom plötzlichen Umschwenken der Bundeskanzlerin in der Frage der Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken, nun müsse sie sich den Titel "Klimakanzlerin" ihrer ersten Amtszeit wiedererwerben. "Merkel muß jetzt rudern, um ihre Ökolo-Schärpe wiederzuerlangen."
Die Kanzlerin der CDU ist also nicht grün genug. Joschka Fischer werde von den Deutschen als Kanzler der Angela Merkel vorgezogen. Die SPD wäre Juniorpartner. Daran kann man vor allem die Ausmaße der politischen Verkommenheit in Deutschland abmessen. Unseren Nachbarn sollte angst und bange werden vor einer Bevölkerung, die pazifistischer ist als die Grünen. Sie wird nichts und niemanden verteidigen, am wenigsten sich selbst.
In den quartiers "bobo", den Stadtvierteln der alternativ eingestellten Wohlstandsbürger, wie Prenzelberg oder Friedrichshain, erzielten die Grünen Höchstwerte, ihre Mitgliederzahl sei um 20 Prozent angestiegen, berichtet Patrick Saint-Paul. Man sieht daran die weise Vorausschau, daß zur Regierungsbildung sowohl in diesem Jahr in Berlin als auch 2013 im Bund Personal nötig ist, das gute Gehälter nach Hause tragen wird. Wer da noch von Angstwahl, Angstreaktionen spricht, und nicht vom Durchsetzen persönlicher Interessen, der hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Renate Künast bekennt, daß sie niemals gewagt habe, das zu erträumen, was heute geschieht. "Ich habe immer davon geträumt, daß man es erreichen könnte, die Gesellschaft zu verändern, daß man Menschen und Waren anders transportiert, daß man anders unterwegs, ist, anders wohnt. Um nicht auf Kosten der anderen zu leben." Die Veränderung der Gesellschaft, die Beherrschung der Bevölkerung durch immer engere Gesetze und Maßregeln, die bald das Niveau und die Menge der Fatawa islamischer Scheichs erreichen, in allen Städten Tempo 30, per Gesetz beschlossener weiterer Mülleimer in der Küche, Rauchverbot, Verbot von bestimmten Glühbirnen, 100 000 Umweltarbeitsplätze will Renate Künast in Berlin schaffen. Berlin, Modell der "Green Economy".
Es gibt nur einige Widerstände von Leuten, die sich ihre Landschaft nicht mit Windmühlen und Solarzell-Konstruktionen verstellen lassen wollen, manche befürchten auch Preisexplosionen beim Stromverbrauch, das aber soll die Grünenfunktionäre nicht hindern, unsere Gesellschaft zu verändern. Sie selbst leben nicht neben Windmühlen, ihr ästhetisches Empfinden ist wenig ausgeprägt, wie man am Solarzellenwahn des grünen Bürgermeisters von Marburg Dr. Franz Kahle sieht, dem erst vom Land Baden-Württemberg das Handwerk gelegt werden konnte.
Leider ist das Foto im Internet nicht aufzufinden. Wer jemals die Folgen des wunderbar kitschigen englischen Krimis Inspector Barnaby gesehen und die Landschaft bewundert hat, der kann sich vorstellen, was zu sehen ist: Bäume, Büsche und Hecken, Holzzäune, Sonnenblumen, Rasen, links im Bild ein mit Solarzellen auf dem Dach ausstaffiertes rotes Haus (nicht Barnaby-gemäß), drei radelnde Freiburger im Stadtteil Rieselfeld, unter ihnen kein Nordafrikaner, Türke oder Schwarzafrikaner, auf einer Straße, die hinten abgeriegelt ist mit einer Schranke, kurz, eine Bobo-Landschaft, wie sie besser nicht erfunden werden könnte. Und tatsächlich, sie ist erfunden, "Rieselfeld - ein riesiges Feld für Leben, Eigentumsbildung, Zukunft". Auf den Seiten des Rieselfeld-Auftrittes sind zahlreiche Personen abgebildet, keine ist zu erkennen als "ausländisch", zur Gruppe derjenigen gehörend, die von den Bobos des Rieselfeldes so geliebt werden. Dort ist man unter sich, wählt grün und backt für den Kaffeeklatsch am Nachmittag Kuchen, derweil die Kinder den Tag nicht erwarten können, endlich Abi zu haben und abzuhauen aus dem Mief.
Das ist das Deutschland der Radfahrer, der Mini-Energieerzeuger, der Klientel der Grünen.