7. Mai 2013

NSU-Prozeß. Frankreich im Delirium


Photo : Kerstin Joensson Associated Press

#5 BePe   (06. Mai 2013 17:44), danke für Deine Links zum internationalen Desinteresse am NSU-Prozeß. In Frankreich können sich die Medien allerdings nicht einkriegen über das von Nazis verseuchte Deutschland. Ich liefere also einige Links, die das von Dir erwähnte "etwas größere Interesse an dem Fall" dokumentieren.

Im November 2012 berichtet France24 International News 24/7 (Video 3:39), der englischsprachige Zweig von France24, der Welt über die "rechtsextreme Zelle hinter den Morden, von 2000 bis2006, eines Dutzends [sic!] von Türken" und damit über die Ausmaße der Verseuchung Deutschlands. Der staatliche Sender interviewt den Journalisten Thomas Kuban (Pseudonym) zu seinem eben erschienenen Buch Blut muß fließen (Blood must flow); er ist acht Jahre mit versteckter Kamera undercover in Neonazikonzerten unterwegs. France24 erhöht auf "mehr als 15 Jahre". Im NDR schildert Thomas Kuban im April 2012 seine Horrorerlebnisse in den "gesetzlosen Gebieten" Deutschlands. Blick frei auf einen roten Koffer mit Hakenkreuz, auf Waffen und Nazidevotionalien, T-Shirts mit dem aufgedruckten Schwur auf den Führer, Blick frei auf einen Vortrag und ein Interview von und mit Regisseur Peter Ohlendorf, der mit Thomas Kuban über das Thema einen Dokumentarfilm gedreht hat. Im Hintergrund Neonazis, die den Arm zum Hitlergruß recken.

Tobias Lehrerer, vom Bavarian Information Center on Extremism, vom Bayerischen Informationszentrum über Extremismus, wird eingeblendet (2:12). Ein Thomas Lehrerer, oder vielleicht Thomas Lederer? ist im Internet nicht aufzufinden. Ein Zentrum des Namens gibt es nicht in Bayern, es ist auch nicht die Fachstelle gegen Rechtsextremismus gemeint, sondern die Bayerische Informationsstelle [nicht über, sondern] gegen Extremismus mitsamt dem seit Februar 2011 vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz betriebenen Aussteigerprogramm. Selbstverständlich handelt es sich ausschließlich um den Kampf gegen Rechts, das braucht die Informationsstelle nicht eigens zu betonen, es versteht sich von selbst: "Bayern gegen Rechtsextremismus". Vielleicht sollten sich PI München und Die Freiheit dahin wenden? Dann kämen sie bestimmt bald wieder aus dem Beobachteten-Status. Imam Bajrambejamin Idriz und sein ZIE-M leben ebenfalls im Einklang mit der Stelle und werden nicht mehr beobachtet. Geht doch!

Ab 2:50 wird Felix Beneckenstein, Aussteiger nach zwölf Jahren, gezeigt und interviewt. Die Behörden hätten ihn vormals als gefährlich eingestuft, sie täten nicht genug, die Bewegung einzudämmen. Nun bezichtigt er die Polizei: "Es hat kaum ein Konzert stattgefunden, in dem nicht Straftaten begangen worden sind, und die Polizei kann mir nicht erzählen, sie hätte davon nichts gewußt." Es gehe um Tausende von illegal veranstalteten Konzerten. Abby d'Arcy Hughes und Anne Mailliet klären die Welt auf über in Deutschland lebende rechtsextreme Parallelgesellschaften. Deutschland wache nur allmählich auf. Es ist dem staatlichen Sender France24 zu danken, daß die deutschen Behörden endlich in die Gänge kommen. Der NS-Untergrund ist nur die Spitze des Eisbergs.

Der Krieg Frankreichs gegen Deutschland, Länder der Eurozone, findet im Äther und auf Altpapier statt.

Ein weiterer Kämpfer gegen Rechts in Deutschland ist der ehemalige, bis Herbst 2008, Israel- und jetzige Deutschlandkorrespondent des Figaro Patrick Saint-Paul, 38 Jahre alt. Ein Foto auf seinem Blog zeigt ihn sonnengebräunt in Israel. Dem Land scheint seine Sehnsucht zu gehören. Soviel Haß auf Israelis und auf ihre Politik habe ich lange nicht gelesen. Jetzt sitzt der Sohn eines deutsch-französischen Elternpaares also in Berlin und sorgt sich.

In seinem Artikel über die Parteigründung der Alternative für Deutschland beweist er nicht nur seine Ahnungslosigkeit, sondern der Korrespondent erklärt den Lesern auch, warum es in Deutschland bislang anders als in Frankreich keine erfolgreichen populistischen oder nationalistischen Parteien gegeben habe. Erraten? Der Nazi-Vergangenheit Deutschlands wegen. Frankreich kann froh sein, daß es unter solcher Vergangenheit nicht leidet. Vichy France? Rafle du Vel d'Hiv? Kollaborateure? Darum kann sich Frankreich seit vierzig Jahren den Front National (FN) leisten. In Frankreich besteht die Gefahr des Rechtsextremismus nicht.

Der Entlarvung des Rechtsextremismus in Deutschland widmet sich der Korrespondent seit der Aktualität des NSU-Prozesses und dessen Skandalen der letzten Zeit mit besonderer Sorgfalt. Wer des Französischen mächtig ist und sich das antun möchte, bitte!

Es versteht sich, daß für ihn alles schon bewiesen ist, die Morde und die Attentate in Köln sind vom NSU-Trio begangen, einem trio de marginaux, einem Trio am Rande der Gesellschaft. Die beiden Männer haben ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt, um der Polizei zu entgehen, er wählt für sie das englische Wort Gang=Bande. Er hinterfragt nichts, sondern listet alles als Tatsachen auf, das 15-minütige Video mit dem Rosaroten Panther, in dem die angeblichen Mörder von neun Türken sprechen, die sie ermordet hätten, und es fällt ihm nichts daran auf. Eines der Opfer ist ein Grieche. Das sollten die Täter nicht wissen? Wie kommt ein unversehrtes Video in eine völlig ausgebrannte Behausung? Weitere Artikel dieser Art über deutsche Neonazis und das Versagen der Polizei kann man auf der Seite anklicken.

Sein neuester Beitrag handelt von Neonazis in Berlin-Schöneweide, die defilieren am Vorabend des 1. Mai 2013 unter den Fenstern ihrer Anhänger. 3000 Nazi-Gegner bilden eine Gegendemonstration: "Dieser Stadtteil der deutschen Hauptstadt ist verseucht von den Nostalgikern des Führers". Er wird nicht der letzte Artikel seiner Art sein, alles muß raus und auf den Tisch. Der CRIF übernimmt den Artikel auf seine Website.

In Frankreich defiliert derweil der Front National (FN) am 1. Mai, und seine Präsidentin Marine Le Pen lädt die Franzosen zur Hoffnung ein. Eine Umfrage ergibt, daß Marine Le Pen, wenn morgen Wahlen wären, mit 23 Prozent der Wählerstimmen in die Stichwahl einzöge. Der FN reicht bis weit in die Mitte der französischen Gesellschaft. Kein Wunder, hat der FN doch den deutschen Neonazis 40 Jahre voraus, in denen sich seine Anhänger domestiziert haben und nicht mehr als Bürgerschreck wahrgenommen werden. Ihr Programm liest sich in weiten Teilen wie das des linksextremen Front de Gauche, staatshörig, gegen Privatisierung von öffentlichen Betrieben, Erhöhung der "Reichensteuer" und der Luxussteuer, Renationalisierung der Post. Aber der Front National will auch gemeinsam mit Deutschland aus der Eurozone austreten, zum Franc zurückkehren und den abwerten, damit Frankreich wieder wettbewerbsfähig wird. Frank Plasberg hätte seine Freude!

Den Vogel schießt unsere Provinzzeitung L'Indépendant ab, leider ist  selten etwas online. Ihre Kenntnis der Lage ist diffus, sie weiß so ungefähr, was Sache ist, desto besser läßt es sich gegen Deutschland und seine Nazis auftrumpfen: Justiz. Deutschland: Beginn eines Neonazi-Prozesses wegen einer Mordserie. Am 6. Mai im Internet, am 7. Mai auf Papier. Drei Fotos spendiert das Blatt: Beate Zschäpe, mit Blicken abgenommen von Polizisten, eine junge Türkin, die gehindert wird, in den Gerichtssaal zu gelangen, und Stadtvater Christian Ude, umringt von Journalisten und Polizisten, wie er sich die Beschwerden von zwei jungen Frauen anhört, die als Zuschauer in den Gerichtssaal wollen. Es sind die Türkinnen, die ihr Sonderrecht verlangen. Die Zeitung zitiert eine der Frauen, nachdem diese eine Flasche zu Boden geworfen habe: "La presse turque n'est pas autorisée à entrer dans le tribunal. Où est la justice?" "Die türkische Presse ist nicht autorisiert, den Gerichtssaal zu betreten. Wo ist die Gerechtigkeit?" L'Indépendant läßt das so im Raume stehen, bei den Lesern kommt an, daß den Türken der Einlaß verweigert wird. Das Theater der Platzvergabe ist an den Journalisten vorbeigezogen. Andererseits vermerken sie weiter unten, daß zig türkische Journalisten angekommen seien. Ob sie Einlaß finden, steht nicht dort, aber es ist den Lesern gewiß klar, daß nicht. Sie stellen sich vielmehr an, um einen Platz zu bekommen. Nur 50 Plätze gebe es für Journalisten und Öffentlichkeit.

Weniger als 100 antirassistische Demonstranten hätten sich vor dem Gerichtsgebäude eingefunden: "Gegen den Nazi-Terror und den täglichen Rassismus". Sie forderten den deutschen Staat auf, noch mehr zu kämpfen gegen die von der extremen Rechten begangenen Verbrechen.

Der Artikel ist inzwischen von der Startseite entfernt.

Was mir in Frankreich oft begegnet: Kinder und Enkel der Kollaborateure und Mitläufer sind heute die besten Kämpfer gegen Adolf Hitler. Kinder und Enkel von Widerstandskämpfern differenzieren, scheren nicht alle über einen Kamm, kommen Deutschen erst einmal positiv gestimmt entgegen. 

Im Artikel 163 ans d’histoire de l’Indépendant, 163 Jahre Geschichte des Indépendant, liest man: L'Indépendant erscheint nach der Besetzung von Zweidritteln Frankreichs durch die deutschen Truppen, Juni 1940, weiter, wie 78 Prozent der Presse der, bis 11. November 1942, nicht besetzten Zone. Das Blatt ist begeistert von der nationalen Revolution des Marschalls Philippe Pétain und begibt sich "auf den Weg der Kollaboration". 1940 erscheint es in einer Auflage von mehr als 50 000 Exemplaren auf zwei Seiten und kostet einen Alten Franc. L'Indépendant breitet sich in der Region des heutigen Languedoc-Roussillon aus. Direktor des Blattes ist seit 1935 Georges Brousse, bei Übernahme der Position 27 Jahre alt. Er ist überzeugter Anhänger des Ministerpräsidenten Pierre Laval, der eine noch intensivere Zusammenarbeit Frankreichs mit Deutschland fordert. Ab 1942 bekommt Georges Brousse Zweifel an den Auswüchsen der Kollaboration, aber L'Indépendant erscheint auch nach dem 11. November 1942 weiter, angeblich zur Sicherung der Arbeitsplätze und des Maschinenparks. Er schreibt nicht mehr fürs Blatt, mit der im Januar 1943 von Pierre Laval gegründeten französischen Nazi-Miliz im Streit, verweigert sich L'Indépendant den Anforderungen der deutschen Besatzer und der Vichy-Regierung. Am 4. März 1944 wird Georges Brousse verhaftet, am 26. April deportiert und 1945 von den Deutschen ermordet. Bis zur Libération, der Befreiung der Pyrénées-Orientales, 19. August 1944, ist L'Indépendant nur noch ein Propagandainstrument im Dienste der Nazis und der Ultras der Kollaboration. 

Am 20. August 1944 wird sein Erscheinen verboten. Das Verbot dauert sechs Jahre.

L'Indépendant ist heute immer auf der Seite der Immigranten, der Muslime, unterstützt den Moscheebau, die Begeistrung über den Islam serein, den heiteren Islam, kennt keine Grenzen, die Muslime können die Journalisten leicht einseifen, sie merken es nicht einmal. Das Blatt ist auch sonst politisch korrekt. Deutschland, Angela Merkel und die deutsche Politik sind im Indépendant nicht sehr beliebt, wenn denn überhaupt etwas darüber erscheint. Auch über Österreich gibt's nur Schelte: Autriche. L'Académie de médecine était nazie, 17. Februar 2013. Endlich hätte die Akademie das zugegeben: Die medizinische Akademie Österreichs war Nazi. In für Frankreich entscheidenden Fragen, z.B. der "Ehe für alle", ist L'Indépendant nach allen Seiten offen und äußert ein deutliches JEIN. Was den neuen Papst angeht, so hoffen die Katalanen angeblich auf einen, wie Johannes-Paul II. gewesen ist. Benedikt XVI. bleibt dem Indépendant allzeit ferne.

Von Zeitungen wie dem Figaro und dem Indépendant werden die Franzosen über Deutschland nicht informiert, sondern sie werden indoktriniert. Ich bin gespannt, was ich noch so alles im Laufe des NSU-Prozesses vorgesetzt bekomme.