30. März 2015

Frankreich. Nicht demokratisch, sondern republikanisch


In unserem Département Pyrénnées-Orientales [ganz unten, Mitte] wählen die Bürger zu 55-65% rechts, d.h. UMP-UDI oder FN, und deshalb bekommen wir nun einen Départementsrat mit 22 Sozialisten und 12 UMP-UDI Räten. Logisch, oder? PS 65%, UMP-UDI 35%, FN 0%.

Update. Linksradikale Wirtschafts- und Sozialpolitik des FN? Ende der Fahnenstange!

Hier gab es sechs Dreiecks-Aufstellungen, also PS - UMP-UDI - FN. Der Grund war, daß Nicolas Sarkozy jeden aus der UMP ausschließen wollte, der mit dem FN Absprachen träfe und UMP-Kandidaten zugunsten des FN und umgekehrt zurück zöge.

Das hat zur Folge, daß die sechs Bezirke an die Sozialisten fielen, die in allen sechs Bezirken den beiden Gegnern 1:3 bis 2:3 unterlegen waren. In den Wahlbezirken, in denen UMP-UDI gegen den FN stand, hat die Mehrheit der Wähler "républicain" gewählt. Der Begriff wurde von den Sozialisten eingebracht, zu 29% von deren Anhängern befolgt, und von denen der UMP-UDI zu 10%.

Dort, wo der PS gegen den FN stand, erzielte der FN zwischen 41% und 48% der Stimmen.


FAZIT: 55%-65% rechter Wähler bekommen wieder eine sozialistische Regierung. Die sozialistische Départementspräsidentin Hermeline Malherbe erklärt dazu, im Indépendant: "Das ist ein schöner Sieg, wir haben elf Wahlbezirke, obgleich unsere Niederlage von unseren Gegnern vorausgesagt wurde. Unsere Bürgernähe und die Arbeit vor Ort haben sich ausgezahlt. ... Dieser Sieg ist vor allem ein Ausdruck unseres Team-Geistes, der es verstanden hat [der Geist!], an einem Projekt und einem Programm zu arbeiten."

C'est une belle victoire. Von so viel Realitätsverlust ward lange nicht vernommen.

Das Theater geht sogar so weit, daß im zu unserer Region Languedoc-Roussillon gehörenden Département Lozère, das seit Jahrzehnten rechts regiert wird, als einzigem in Frankreich zum PS gewechselt wurde. Man sieht es an dem kleinen linksdrehenden Pfeil im rosa Feld.

Die vom PS zur UMP-UDI gewechselten Départements in Frankreich sind solche, in denen der FN im ersten Durchgang hohe Ergebnisse erzielt hatte, und "républicain" im zweiten Durchgang obsiegte. Jetzt ist "républicain" nicht mehr synonym für demokratisch, sondern für Wählermanipulation.

Man kann vom FN halten, was man will, die Nachrichtensprecher in ARD und ZDF heißen ihn "rechtsextrem", obgleich sein wirtschafts- und sozialpolitisches Programm, Rente weiterhin mit 60, Beibehaltung der 35-Stunden-Woche, mehr dem der Linksfront des linksradikalen Jean-Luc Mélenchon ähnelt, aber in Frankreich heißen sie gar nicht mehr, es gibt hier die "Linke" und die "Rechte" sowie den FN, der von den Funktionären der UMP-UDI und PS und ihren Medien nicht zur Republik gezählt wird - und von den Ideologen der linken und grünen Splitterparteien sowieso nicht.


Was den Wechsel des Dutzends der Départements süd-östlich der Linie Bordeaux - Straßburg angeht, so sind sie mehrheitlich Hochburgen des FN, dem die sozialistischen Wähler dort zur Verhütung des bevorstehenden Vierten Reiches, von Pétain zu Le Pen, durch ihr Kreuz bei der UMP-UDI Einhalt geboten haben, ils ont fait le barrage au Front National. Es handelt sich um die Gegend Frankreichs, um die sich die Zentralregierungen, ob links oder rechts, mit Ausnahme von Toulouse, des Sitzes der EADS, noch nie gekümmert haben. Da macht man allenfalls Urlaub.

Siehe dazu meine Artikel Frankreich besteht aus Paris und Umgebung, vom 28. Juni 2013, sowie Frankreich besteht aus Paris und Umgebung. Fortsetzung  und Frankreich besteht aus Paris und Umgebung. Fortsetzung 2, vom 5. und 9. April 2014.

Der Front National hat in Frankreich 62 Départementsräte erhalten. Im Département Pyrénnées-Orientales hat er bei einem Stimmenanteil von durchschnittlich mehr als 25% keinen einzigen Rat durchbringen können. Das ist heuer "républicain". Die Wähler werden es nicht vergessen.

Update

Mit der Beibehaltung des Programmes einer Wirtschafts- und Sozialpolitik nach Art des Front de Gauche wird der Front National am Ende seiner Möglichkeiten ankommen. Handwerkern und der Klein- und Mittelindustrie reicht schon der Staatssozialismus des Parti Socialiste. Bündnispartner werden so nicht gewonnen. Sicherheits- und Immigrationspolitik reichen nicht zur Einbindung weiterer Wählerkreise.

Après les départementales, des questions sur la ligne de Marine Le Pen.
Par Emmanuel Galiero, Le Figaro, 31 mars 2015, p. 6