Seit 1989, immer Ende August/Anfang September, findet in Perpignan, im äußersten Südwesten Frankreichs, ein internationales Festival des Fotojournalismus statt, Visa pour l'Image, in diesem Jahr zum 23. Mal, vom 27. August bis 11. September 2011, mit einer Woche für die Profis, vom 29. August bis 4. September. Dieses Jahr wird auch das Attentat auf die Zwillingstürme vorgestellt, jubilée oblige. Stellen die internationalen Zeitungen in einigen ihrer besten für den Wettbewerb um den Daily Press Award eingereichten Aufnahmen des Jahres einmal die USA nicht negativ dar, sondern einfach nur sachlich? Und Israel, werden der Staat und seine Bevölkerung als eigenes Subjekt und nicht in Abhängigkeit des Bedarfs an linker Propaganda für die Palästinenser erwähnt?
Der Brite Peter Dench knöpft sich in einem Porträt der ersten zehn Jahre des 21. Jahrhunderts nicht die fetten, unkultivierten Amerikaner, sondern ihre englischen Vettern vor in ihrer lächerlichen Kleidung, gräßlichen Fraß essend und sich unangemessen verhaltend. Man wird sich scheckig lachen über diese sich oft daneben benehmende Nation England, verspricht Visa. Nix Inspector Barnaby, das ist keine idealisierende Broschüre eines grünen angenehmen Landes: England unzensiert.
Jocelyn Bain Hogg legt nach, den staunenden Franzosen die in den letzten zehn Jahren degenerierten Zustände in England vorzuführen. Beunruhigende Gewehr- und Messerkriminalität der britischen Jugend, kriminelle Unterwelt, Waffen- und Drogenhandel, die organisierte Kriminalität ähnlich al-Qaida nicht mehr zentralisiert, sondern eine zersplitterte britische Gesellschaft von Kriminellen mit geringem Organisationsgrad und wenig Führung. Russen, Albaner, Kosovaren und Türken seien die neuen Herrscher der britischen Unterwelt, aber auch originäre Briten seien weiter mit dabei. Pakistanis und Araber, deren Staaten die Mehrheit der britischen Muslime stellen, werden nicht erwähnt, man darf gespannt sein, ob ein Zusammenhang zwischen dem Islam und seiner Überlegenheits- und Kriegsideologie festgestellt wird. Ein Blick auf seine Werke läßt nicht darauf schließen.
Obgleich aus unerfindlichen Gründen nicht auf der offiziellen Website von Visa 2011 erwähnt, bekommen die USA dennoch ihr Fett weg. Barbara Davidson, frischgebackene Pulitzer-Preisträgerin 2011 und Mitarbeiterin der Obama-Wahlkampfmaschine Los Angeles Times, stellt die Gangs von Los Angeles vor. Erschütternd und herzzerreißend, meint Der Westen, aus der WAZ Mediengruppe, zu dem preisgekrönten Foto. Auch die anderen Fotos der Preisträgerin zeigen das nackte Elend.
Kann ich froh sein, daß ich da nicht lebe, sondern im kultivierten Frankreich, im Land des François Mitterand und des Dominique Strauss-Kahn, und da im sauberen Perpignan, wo Straßen und Gehsteige blitzen, die Menschen aussehen, als wenn sie in Paris als Modell auf eine Modeschau wollten, wo Kunst und Wissenschaft in Ehren gehalten werden.
Mit dem Gefängnis bekommt ja nicht jeder zu tun, damit geht Bertrand Gaudillère, vom Collectif item, "ebenso, ebenfalls", am Beispiel des 45-jährigen "Illegalen" Guilherme aus Angola ins Gericht. Auf YouTube gibt es ein Vidéo von FR3 Rhône-Alpes mit Bertrand Gaudillère über den Fall des neun Jahre in Frankreich lebenden Mannes und seiner Familie, die bereits viermal ausgewiesen werden sollten und viermal nach Lyon zurückgekehrt sind. Dort kann man auch Fotos dazu sehen.
Visa pour l'Image zeigt ihre Sympathie, in dem der "Illegale" in Anführungszeichen gesetzt wird. Es versteht sich von selbst, daß keiner dieser Förderer der illegal nach Frankreich eingereisten und hier auf Kosten der Steuerzahler lebenden Menschen einen von diesen bei sich aufnehmen würde, ihm und seiner Familie eine Wohnung in seinem Haus oder auch nur in der Cabane nebenan einräumen würde.
Leroy Soleil gründet sich selbst
Gründer und Generaldirektor ist Jean-François Leroy, er und sein Team präsentieren Jahr für Jahr auf Fotopapier festgehaltene schwarz-weiß oder farbig dokumentierte einseitige Weltsicht, Israelfeindschaft, Begeisterung für die palästinensischen Kämpfer gegen Israel und Anti-Amerikanismus, der Rest ist Entwicklungsländerexotik, durchsetzt mit Schrot und Blei. Jean-François Leroy nennt solches "Fotojournalismus von Qualität". Auf meiner alten Homepage fand man fünf Artikel, zwei zur Ausstellung 2009 und drei zu der des letzten Jahres. Im Artikel Perpignan. Visa pour l´Image: Seit wann sagen Fotos die Wahrheit? habe ich Jean-François Leroy, seine Weltsicht und die seiner selbst vorgestellt [nicht mehr online]. Ein Exkurs in die Geschichte der Ausstellung, und man wird Zeuge der Ausmaße der Selbstgerechtigkeit und des Hasses auf Israel und die USA.
Die Internationale Fotoausstellung Visa pour l'Image bedient sich der gleichen Strategie wie Iran PressTV. Kritisiert und angeklagt werden die anderen, die eigene Klientel, die beruflichen und politischen Freunde, bleiben immer und das eigene Land meistens davon ausgespart. Verbündete kommen gut und Gegner schlecht weg. Anhand der Fotos kann der Besucher - wie analog der Zuschauer des Iran PressTV - feststellen, wie die Ausstellungsmacher und wie Frankreich zu den jeweiligen Ländern und Ereignissen stehen, welchen Grad der Überlegenheit sie sich gegenüber den vorgeführten anderen zuschreiben. Sie bedienen sich der Fotografen, ihre politische Weltsicht kundzutun, von Abbildung der Wirklichkeit ist keine Spur.
Wird das World Press Photo 2011 zum zehnten Jahrestag des Attentats gegen die USA etwas bringen, das nicht die Regierung der USA zur indirekten Täterin und die Muslime zu armen Opfern erklärt? Wird einmal die Situation in Israel dargestellt, Alltagsleben oder gar Beschuß durch Kassam-Raketen aus Gaza, oder gibt's die Gaza-Flottille, vom 31. Mai 2010? Die 14 gelisteten Fotografen und Agenturen deuten auf nichts hin.
In den Darbietungen der Abende, auf dem Campo Santo und der Place de la République wird man den arabischen Frühling in Tunesien, Ägypten, Syrien, Libyen, Algerien, Jemen und Bahrain blühen sehen. Das ist die Jahreszeit, von der mir ein Freund in Israel mitteilt, daß darauf direkt der "arabische Winter" folgen werde.
Afghanistan und Irak werden im andauernden Krieg präsentiert und zehn Jahre 9/11 feierlich begangen. Die Griechen gehen auf die Straße, um ihr von anderen finanziertes Leben weiterführen zu können, sie sind Verbündete der Linken Frankreichs, Stichwörter: Rente mit 60, 35-Stundenwoche. Es werden viele goldene und andere Visa-Preise verteilt, darunter der neu geschaffene Visa d'Or humanitaire, der Goldene Menschenfreundlichkeits-Visa.
Über die Pressekonferenz zur letzten Visa habe ich im Artikel Perpignan. Visa pour l´Image 2010 berichtet: Die Provinzzeitung L´Indépendant ist schon Tage vorher unterwegs, Jean-François Leroy und sein gespreiztes Ich ins rechte Licht zu setzen, auf der Pressekonferenz präsentiert er es: "Je suis un mec heureux !" Ich (Ich!) bin ein glücklicher Kerl! Es dreht sich alles um ihn, und der Minister für Kultur und Kommunikation Frédéric Mitterrand unterstützt ihn dabei, in dem sein Ministerium Fotos aus der Ausstellung aufkauft - vom Geld der gebeutelten Steuerzahler, wohlgemerkt.
In diesem Jahr setzt er noch eins drauf, er ist das Festival Visa pour l'Image persönlich. Das verkündet er auf der Pressekonferenz, am 13. Mai 2011, und Frédérique Michalak kolportiert es wörtlich. Es reicht nicht mehr, daß er sich als absolutistischer Herrscher deklariert, Leroy Soleil: Ich habe mich im letzten Jahr für die Reportage über die 'chemises rouges' am 5. Juli die Ausstellung entschieden", über die Rothemden aus Thailand, denen L'Express mit Foto von ar-Reuters schon am 16. März 2010 einen langen Artikel widmet.
Leroy Soleil als personifiziertes Festival antwortet auf den Einwurf, daß trotz Bitten und Ersuchen das Festival in Perpignan bleibe: Ja, ich bin treu! Und hier, wie mir der Bürgermeister sagte, unterliege ich keinem Druck! - Als wenn man Druck auf Sie ausüben könnte! - (Gelächter) Er könnte es [ja mal] versuchen ...
Dann kommt das Thema auf das Foto vom toten Osama bin Laden: "Ein Foto, das kaum einer gesehen hat, macht viel von sich reden ... Muß man oder muß man es nicht zeigen?" Darauf die Antwort: "Ich habe niemals Propagandafotos gezeigt, nicht die vom in seinem Rattenloch gefangenen Saddam Hussein, noch die von Bin Laden, aufgenommen von amerikanischen Militärs. Ich bin ein Festival des Fotojournalismus, nicht ein Festival der Militärfotos." Das ist selbst dem Indépendant zuviel, und er titelt: Perpignan. "Ben Laden mort ? Visa n'est pas un festival de photos militaires." Bin Laden tot? Visa ist kein Festival der Militärfotos.
Am Tag der Pressekonferenz ist weltweit bekannt, daß kein offizielles Foto des Osama bin Laden veröffentlicht ist, daß Leroy Soleil von "ungelegten Eiern" redet, wie man im Ostwestfälischen dazu bemerkt. Alles, was im Internet kursiert, sind Fakes und Karikaturen. "Präsident Obama 'entschied, diese Fotos nicht an die Öffentlichkeit zu geben, weil er denkt, sie hätten ein Potential zur Aufhetzung' unter bin Ladens Anhängern, sagte [der Republikanische Senator Dan] Coats. 'Ich bin zufrieden mit dieser Entscheidung. Ich meine, es hätte das Potential zur Aufhetzung, weil heutzutage Bilder so leicht manipuliert werden können.' ..." Das schreibt die journalgazette.net aus Indiana, am 17. Mai 2011.
Als ob das nicht an Arroganz längst genug wäre, geht es weiter, und Leroy Soleil zeigt seine Erhabenheit über die Menschheit. Frédérique Michalak fragt: "Im Gegensatz dazu hat man viele Fotos der Hochzeit des Prinzen William und der Kate Middleton gesehen. Es ist bekannt, daß das nicht Ihr 'cup of tea' ist, aber wird Visa daran erinnern?" - "Ja, man wird Fotos der Hochzeit bringen, um sich über die Welt lustig zu machen. Wenn man den Reichtum der Aktualitäten sieht, und sich die ganze Welt dann dafür in London in Bewegung setzt, dann kann einen das zur Verzweiflung über die menschliche Gattung bringen. Weil das von keinerlei Interesse ist. Übrigens wäre ich neugierig gewesen zu sehen, was passiert wäre, wenn bin Laden während der Hochzeit in London getötet worden wäre. Das wäre eine schöne Gelegenheit gewesen, die Berufsethik der Medien zu beobachten. Sie hätten in der Scheiße gesteckt!"
Also geruht Durchlaucht Leroy Soleil von seinem Thron eben das Volk niederzumachen, das Jahr für Jahr in seine Propaganda-Schau strömt. Er beweist auch, wie seinerzeit das Original, Le Roy Soleil Louis XIV, daß er nichts vom realen Leben versteht, nichts von Wirtschaft, nichts von Politik. Die königliche Hochzeit ist aus mehreren Gründen ein Weltereignis, wirtschaftlich sowieso, die Hochzeitsindustrie macht gigantische Umsätze, das Steuersäckel der Briten wird Millionen Pfund Mehreinnahmen ausweisen, politisch wirkt die Hochzeit stabilisierend, das Paar ist noch dazu Vorbild für die Bürger, nicht nur Englands, sondern auch Frankreichs und weltweit. 5 Milliarden Menschen haben die Hochzeitsfeier im Fernsehen verfolgt. Das versteht einer vielleicht nicht, der Vorbilder wie François Mitterrand, dessen Neffen Frédéric Mitterrand und Dominique Strauss-Kahn gewohnt ist.
Das Timing der Liquidierung Osama bin Ladens betreffend, hat die US-Regierung die Hochzeit anscheinend berücksichtigt. Die Frage stellt sich also nicht. Man sieht aber sehr wohl, wie einer von eben den Medien spricht, dank derer seine Ausstellung überhaupt stattfinden kann. Paris Match, National Geographic, Elle, Days Japan, France 24, RFI. Die von ihm bevorzugten Fotografen werden auch andere Fotos als reine Propaganda aufnehmen, irgend woher muß die Knete zum Leben ja kommen. Was die Überschneidung eigener Produktion mit einem Weltereignis bedeutet, habe ich im Kleinstmaßstab am 14. Oktober 1964 im Saarländischen Rundfunk erlebt, da mein erster, von Hellmut Prinz betreuter Live-Beitrag über den Sender gehen sollte. So schnell habe ich mich noch nie aus dem Studio katapultiert gesehen. Solches also wünscht er den Fotografen an den Hals.
Und was die Royals angeht, so stellt Leroy Soleil 1998 Fotos zum Tod von Prinzessin Diana aus und diktiert dazu einem seiner Skribenten in die Feder: "[David] Modells Fotos stellen eine emotionale Vorstellung von den Menschen her, die von dem Drama überrascht wurden, und das bewirkt andererseits eine trügerisch einfache und faszinierende Art von Verbindung, die es uns so vorkommen läßt, als wenn wir anwesend wären - eines der Markenzeichen eines großen Fotojournalisten."
Was seine angebliche Ferne zur Propaganda angeht, so ist die gesamte Ausstellung seit 1989 Propaganda, Leroy Soleil verkörpert sie à vomir.