2. März 2013

Islam und Judenfeindschaft. Günter Seufert denkt wirklich so

Es ist kaum zu fassen, wer heutzutage als Experte gilt für dies&das, vor allem für den Nahen Osten, Israel, Islam, Islamismus, Islamophobie etc. Die von 1998 bis 2005 vom Politikwissenschaftler Dr. Christoph Bertram und ab 2005 vom Politikwissenschaftler Dr. Volker Perthes geleitete, seit 50 Jahren wirkende staatseigene Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), das Forschungsinstitut zur Fließbandproduktion regierungsgenehmer und wirtschaftsverwertbarer Politikvorlagen, von der Berliner Zeitung zur Denkfabrik erhöht, vom Tagesspiegel den Angaben der SWP entsprechend gar zur größten Denkfabrik Europas, ist gesättigt mit solchen Experten, einer experter als der andere, mehr als fünfzig, sie treten einander auf die Füße sowie neben ihrem Einsatz als "Sparringspartner der Politik" auf in ARD und ZDF. In altpapierverdächtigen Zeitungen beeindrucken sie die Leser mit ihren Geschichten und Meinungen. Geht es dabei um die linkslastige Neven DuMont-Presse, dann ist eh immer alles recht, was der Ideologie dient, auf Tatsachen kommt es dort nicht an.

Außer Dr. Volker Perthes, der als Nahostexperte gilt, gibt es dort weitere. Einer von ihnen ist der Soziologe Dr. Günter Seufert, der als Türkei-Experte gehandelt wird und so bizarre Forschungsgebiete beackert wie "Politisierung primordialer Identitäten, die kulturellen Dimensionen von Staatsbürgerschaft, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Wandel in der Türkei". Deshalb interviewt ihn Michael Hesse, vom Kölner Stadt-Anzeiger, zum Ausspruch des Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan auf der Konferenz der Alianza de Civilizaciones. Noch in Erinnerung? Es ist schon lange her, daß er am 27. Februar 2013 den Zionismus zum Verbrechen gegen die Menschheit erklärt.

Und was ist die zentrale Erkenntnis aus dem Gespräch? "Erdogan denkt wirklich so". Wer hätte das geahnt, wer von denjenigen, die schon seit langem aus des Başbakan Munde den Ausspruch kennen: Islam ist Islam? Der Lider der Türken meint immer, was er sagt, Taqiyya ist Sache der Perser. Aber das kann der Türkei-Experte Dr. Günter Seufert nicht gelten lassen, für ihn gibt es selbstverständlich auch Islamismus, außer zwischen zwei Buchdeckeln kommt der allerdings im wirklich wahren Leben nirgends vor: Islamismus als symbolische Repräsentation einer sich modernisierenden muslimischen Gesellschaft. Wenn's nicht so traurig wäre, könnte man sich über diesen Titel kaputtlachen.

Selbstverständlich hat der Türkei-Experte auch nichts gegen die Übersetzung von humanity als Menschlichkeit statt Menschheit einzuwenden. Ob und wie jemand ein Verbrechen gegen ein Abstraktum begehen kann, interessiert ihn nicht. Genaue Begrifflichkeit ist kontraproduktiv für die Erarbeitung regierungsgenehmer und wirtschaftsverwertbarer Politikvorlagen. Und so argumentiert er denn auch gegenüber Michael Hesse, wiegelt ab, relativiert, interpretiert, bringt Übersetzungsprobleme an, von den Aktivitäten der IHH und ihrer Gaza-Friedensflottille scheint er nichts zu wissen: "Aussagen dieser Art [sind] in der türkischer Rhetorik fest etabliert". Ahnung vom Zionismus und seiner Beziehung zur Türkei hat er ebenfalls nicht.

Zur Zeit des Sultans Abdulhamid II (1842 - 1918) reist, nach dem Dreyfus-Skandal, der in Ungarn geborene Theodor Herzl, vom führenden Wiener Presseorgan Neue Freie Presse, dreimal nach Istanbul, 1898, 1901 und 1902. Er will eine Audienz beim Sultan bekommen. Dank der Vermittlung des Rabbi Moshe Levy erhält er sie beim dritten Anlauf. Theodor Herzl versucht, eine jüdische Heimat unter  dem Schutz des türkischen Sultans analog dem Status von Kreta zu erreichen. Von Palästinensern ist keine Rede; denn die gibt es nicht, sie sind eine arabische Erfindung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, das Land gehört zum Osmanischen Reich. 

Es handelt sich nicht um einen "türkischen Kontext", in dem Recep Tayyip Erdogan den Zionismus sieht, sondern um einen islamischen. Die Türkei hat seit Beginn des 21. Jahrhunderts aufgehört, ein mit dem Westen und seinen Werten kompatibler Staat zu sein, das aber wäre keine regierungsgenehme und wirtschaftsverwertbare Erkenntnis. Dr. Günter Seufert verdient sein Gehalt nicht, Forschungsergebnisse zu produzieren, die nicht im Sinne der deutschen Politik und Wirtschaft benutzt werden können. 

Da trifft es sich gut, daß dieser angebliche Türkeikenner vom dort herrschenden und gelebten sunnitischen Islam keine Ahnung hat; denn hätte er Ahnung, wäre es ihm gewiß peinlich, seinen Auftraggebern so nach dem Munde zu reden:

"Der Antisemitismus, der sich im Islam findet, kommt aus Europa. Die Judenfeindlichkeit im Islam war nie so ausgeprägt wie die europäisch-christliche. Grundsätzlich wurden Juden im Islam besser behandelt als im christlichen Europa. Vor dem Ersten Weltkrieg gab es weder Judenpogrome, Verfolgungen oder gar einen Holocaust in der islamischen Welt. Der Antisemitismus in der Gestalt eines Rassismus, mit dem Versuch, diesen wissenschaftlich zu grundieren, ist ein Export aus Europa in die islamische Welt. Dieses gedankliche Modell aus Europa wurde dann in eine religiös begründete Distanz zu den Juden integriert. Bedenkt man dann noch, dass in den muslimischen Ländern die religiöse Identität eine größere Rolle spielt als bei uns und zieht man die nach dem Sechs-Tage Krieg erfolgte Radikalisierung in Betracht, ist die Existenz des Antisemitismus in der islamischen Welt zumindest ein Stück weit erklärt."

"Der Antisemitismus, der sich im Islam findet", der heißt nicht so, sondern Judenfeindschaft, Judenhaß. Die sind begründet in der Lehre des Islam. Im Koran, wo in den Suren 1:6-7, 2:65-66, 2:191, 2:216, 4:89, 5:51, 5:60, 7:166, 8:55, 9:29, 61:9, 98:6 und vielen anderen steht, was mit den Juden zu tun ist. Aus Europa kommt schmückendes Beiwerk, die Protokolle der Weisen von Zion und ähnliche Machwerke. Sie sind nicht nötig, gläubige Muslime etwas über Juden zu lehren. Juden sind auch nicht "im Islam besser behandelt als im christlichen Europa", oder wie erklärt der Experte die Flucht der Juden aus dem Spanien des Goldenen Zeitalters, aus Al-Andalus, in die Länder der christlichen Herrscher des Nordens? Das Goldene Zeitalter, also die Zeit, in der Juden zwar Dhimmis sind, jedoch einzelne von ihnen zu Amt und Würden aufsteigen können, bis die Lehre des Islam und der Neid der Muslime dem ein Ende machen, diese Zeit dauert nach der Eroberung der Iberischen Halbinsel durch Tariq Ibn Ziyad, im Jahr 711, ca. 250 Jahre.

Einer der Aufsteiger ist der Arzt, Lehrer und Staatsmann Hasdai Ibn Shaprut (915 - 975). Kalif Abdelrahman III. von Cordoba macht ihn zu seinem Leibarzt, zum Generalzollinspektor und zu seinem außenpolitischen Berater. Er ist also ein früher Kollege des Dr. Günter Seufert.

Der Nachfolger des Kalifen, Hakam II. übernimmt den tüchtigen Juden, der seinem Land dient, in dem er gute Beziehungen zu den christlichen Reichen bis hin nach Byzanz pflegt. Der byzantinische Kaiser Romanus II. schickt ihm ein medizinisches Buch in griechischer Sprache; es wird von Hasdai und anderen Gelehrten ins Arabische übersetzt. 

Hier haben wir ein Beispiel von unzähligen, die bis heute von den Muslimen als Beleg gebracht werden zur überragenden Kultur des Islam; denn das medizinische Buch in arabisch gilt als von muslimischen Gelehrten verfaßt und von ihnen ins dunkle europäische Mittelalter transferiert. Mehr dazu liest man bei Sylvain Gouguenheim: Aristote au Mont Saint-Michel. Les racines grecques de l'Europe chrétienne. Aristoteles auf dem Mont Saint-Michel. Die griechischen Wurzeln des christlichen Europas.

Was das Osmanische Reich angeht, so schreibt Dan Diner dazu in seinem Buch Versiegelte Zeit, auf Seite 177: "Dafür (für Ansehensverlust herrschaftlicher Autorität und Verletzung des sakral imprägnierten Vertrauens in die Währung) steht der Aufstand des Jahres 1589, ein Ereignis, das sich an der Schwelle zum Jahr 1000 (1591/92) muslimischer Zeitrechnung abspielte und das wegen dieser magischen Ziffer zu apokalyptischen Erwartungen Anlass gab. Damals rotteten sich Angehörige der Janitscharen, aber auch Handwerker und andere Teile der Bevölkerung zusammen, um gegen die Abwertung der akçe und als drakonisch empfundene steuerliche Maßnahmen der Pforte gewalttätig vorzugehen. Wie bei ähnlichen den Geldwert betreffenden Unruhen wurde das jüdische Viertel gebrandschatzt und geplündert."

Dann sei erinnert an das Vergessene Pogrom von Safed, im Norden Jerusalems, vom 15. Juni bis 17. Juli 1834, The Great Plunder of Safed.

Im 18. und 19. Jahrhundert schüren muslimische Autoritäten durch ihre Predigten und die erniedrigende Behandlung der Juden systematisch Haß und Verachtung der arabischen Bevölkerung gegen die Juden. Ein Aufruhr arabischer Landarbeiter, im Jahr 1834, gegen den Vizekönig von Ägypten Muhammad Ali wird durch Haßpredigten auf die Juden umgeleitet. Alexander William Kinglake schreibt, daß das Morden und Plündern in Safed von Mohammed Damoor, einem islamischen Prediger, angestachelt wird, der den Muslimen auf dem Marktplatz von Safed ´prophezeit´, die Juden würden angegriffen und ihres Besitzes beraubt, weil sie sehr reich seien:

"Am 15. Tag des folgenden Juni würden die Rechtgläubigen sich in gerechtem Zorn gegen die Juden erheben und sie ihres Goldes und ihres Silbers und ihrer Juwelen berauben. ... Als der Tag herankam, versammelte sich die gesamte muslimische Bevölkerung des Ortes in den Straßen, um das Ergebnis dieser Prophezeiung zu sehen. Plötzlich eilte Mohammed Damoor wütend in die Menge, und der wilde Schrei des Propheten bestätigte bald die Erfüllung seiner Prophezeiung."

Bis heute hat sich nichts am Vorgehen der Muslimfunktionäre geändert. Sie werten in ihren Verlautbarungen die Juden ab, setzen Lehren, Prophezeiungen, Mubahalas, Fatawa und Pseudo-Fatawa in die Welt und warten, daß sich gehorsame zur Ausführung des Werkes bereite Gläubige finden oder gar Gläubige, die sich auf diesem Felde der Drohungen und Einschüchterungen mit eigenen Beiträgen einbringen: Rushdie, Raddatz, Redeker. Je nach Wirkung der Aktion für die Machtausdehnung des Islams verdammen, leugnen oder rechtfertigen sie anschließend das Ergebnis.

Was die Höhe der Zahl der ermordeten Juden von Safed an der Gesamtzahl der in Palästina lebenden Juden bedeutet, zeigt der Reisebericht The Innocents Abroad, von Mark Twain, aus dem Jahr 1869, worin er schreibt, es gebe in Bethlehem 200 jüdische Familien. Von den Juden aus Safed sind nach dem Massaker von 1834 nur wenige übrig.

Allein dieses Massaker widerlegt zweierlei, erstens, daß Muslime und Juden in arabischen Staaten gleichberechtigt und in Harmonie zusammenleben, bevor die Zionisten in Palästina ankommen, und zweitens, daß der arabische Antisemitismus ein europäischer Import ist. Die kleinen jüdischen Gemeinden in Safed, Tiberias und Jerusalem sind im 18. und im 19. Jahrhundert routinemäßig Opfer des muslimischen Überlegenheitswahns; die Juden Palästinas werden von den Arabern verfolgt in Pogromen, hebräisch me´oraot, "Ereignissen".

Die Judenverfolgungen und Pogrome in der arabischen Welt vor dem Ersten Weltkrieg durchziehen 1400 Jahre islamischer Geschichte. Vielleicht liest der Experte demnächst darüber, oder schadet das der Produktion regierungsgenehmer und wirtschaftsverwertbarer Politikvorlagen? Ist es besser, dumm zu bleiben? Wie sich Muslime gegenüber Juden zu verhalten haben, kann man nachlesen im Artikel Antisemitismus und Judenhaß: Mythen und Wahrheiten. Die Wahrheiten schaden der Verwertbarkeit der Politikberatung; denn weder in der Bundesregierung noch im Bundestag möchte jemand diese Wahrheiten, besser Tatsachen, zur Kenntnis nehmen, und da meine ich nicht nur Claudia Roth, sondern alle, bis hin zur Bundeskanzlerin und zum Bundespräsidenten.

Der Antisemitismus "in Gestalt eines Rassismus" hat die Muslime noch nie interessiert, weil für sie weder Rasse noch Nation Kategorien sind, die ihnen das geringste bedeuten. Der türkische Nationalismus ist unislamisch. Für Muslime zählt, ob jemand Muslim ist oder nicht, Bruder oder Kafir. Die "religiös begründete Distanz zu den Juden" wird dadurch um keinen Millimeter verändert. In den islamischen Ländern spielt die religiöse Identität nicht eine größere Rolle als bei uns, sondern die Identität des Muslims ist der Islam, er ist Unterworfener des Islam. Mit dem Sechs-Tage-Krieg wird nichts erklärt, ebenso wenig wie mit dem Siedlungsbau. Die Radikalisierung beginnt acht Jahre vor dem Sechs-Tage-Krieg, mit Gründung der Fatah durch Yasser Arafat, in Kuwait, informell 1957, offiziell 1965. Sie ist gegen die Existenz Israels gerichtet, ist darauf angelegt, Israel zu vernichten. Dieses Ziel hat die Fatah bis heute. Im Phased Plan, vom 9. Juni 1974, wird das bestätigt.

Der Experte der SWP ist entweder ahnungslos, oder er weiß es besser und lügt. Denkt er wirklich so? Man suche es sich aus, er selbst wird sein Geheimnis nicht preisgeben. Ich aber schenke ihm einen Text über die Deutsch-türkische Allianz; er wird ihn, weiß er doch schon alles, gewiß nicht über seine türkischen Freunde belehren:

"Es war eine tragische Fügung, daß Deutschland, seinem osmanischen Bundesgenossen die Treue haltend, in die Katastrophe hineingezogen wurde, daß deutsche Truppen fern der Heimat auf dem heißen Boden Asiens Gesundheit und Leben opfern mußten, um der Türkei den vertraglich zugesicherten Beistand zu erhalten. So gewinnt das 'Jildirim-Unternehmen' als der Ausdruck deutscher Bundestreue in schwerster Zeit eine geschichtliche Bedeutung, die weit über den militärischen Rahmen hinausgeht. Daran vermag auch die Aussichtslosigkeit, zu der es unter türkischer Kriegführung von vornherein verurteilt war, nichts zu ändern."

Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen.