19. Dezember 2014

Frankreich. Wir wohnen in Mipylarou

Liebe Freunde!


Lange habt Ihr kein Geblöke von mir gehört. Das liegt daran, daß meine Herrin mich immer großzügiger behandelt, mich fast ernst nimmt. Zwar muß ich in meinem mit verzinkten Drahtknotengittern garantiert ausbruchssicher errichteten Pferch bleiben, aber angetüdert bin ich nicht, und sie beschäftigt sich viel mehr mit mir als früher.
Update
800 Personen bei der Demonstration in Colmar, Sonntag, 21. Dezember 2014

So stehe ich auf festen Klauen, bin gesund und nehme lebhaften Anteil am Geschehen um mich herum. Veranlassung, mich zu beschweren habe ich nicht, Angst vorm Spieß oder dem Kochtopf brauche ich auch nicht mehr zu haben. Allerdings hat meine Herrin neulich gelesen, daß sie auf einer Bockauktion für mich mehrere Tausend Euro erzielen könnte. Sie hat das unterstrichen und mir in den Pferch geworfen.

Menschen kann schaf letztlich nie vertrauen, sie wissen nicht, was wahre Liebe und Anhänglichkeit ist, sie müssen immer ihre Macht demonstrieren, aber sie ahnen nicht, daß wir Schafe sie durchschauen. Was wäre denn meine Herrin, wenn sie mich verkauft hätte? Allein, mit ihrem Frust allein! Sie hat doch sonst keinen, vor dem sie sich aufspielen könnte, blök!

Wie Ihr vielleicht noch wißt, lebe ich vorm Ferni. Das mutet sie mir zu. "Schaf," sagt sie, und Ihr seht, daß ich immer noch keinen Namen habe, "Schaf, ich brauche dich genau dort; denn ich könnte es nicht ertragen, wenn die Verfälschungen, Phantastereien und Lügen von ARD und ZDF direkt auf mich gerichtet wären, die Putin-Pegida-Päderasten-Propaganda. Deine Wolle nimmt vieles davon auf, es wird gedämpft und versinkt darin, und darum wirst du erst einmal nicht geschoren." Einmal im Jahr ist das aber fällig, das weiß sie genau, sonst leide ich im Sommer unter der Hitze.

"Herrin, aber im nächsten Frühjahr machst du das, da scherst du mich, oder? Es wird sehr heiß, hier in Nordkatalonien alias Roussillon. Sonst verfilzt mein Pelz, und Ungeziefer setzt sich hinein. Dann nützt auch kein frisches Stroh, und die Flöhe könnten auf dich überspringen!"

"Schaf," seufzt sie, "nenne nicht Nordkatalonien, es treibt mir die Zähren auf die Wangen. Da wohnen wir nämlich bald nicht mehr." Ich bin entsetzt: "Willst du mit mir umziehen? Nein, nicht? Ich will nicht wieder hinten im Auto sitzen, einen Jutesack um mein Hinterteil, damit ich dir nicht in den Wagen kacke, kein Wasser auf Hunderten von Kilometern, von frischen Möhren nicht zu blöken!"

"Es ist viel schlimmer, wir bleiben hier und werden doch woanders wohnen." Nun verstehe schaf einmal die Menschen! Was soll das heißen? "Herrin, du bist nicht krank, nein?" blöke ich schüchtern.

"Die sozialistische Regierung bekommt weder Wirtschaft noch Finanzen in den Griff, nicht die kleinste Strukturreform, aber sie ist seit zweieinhalb Jahren dabei, Identitäten zu zerstören, die von Menschen, Gruppen, Institutionen, und nun auch die von Regionen. Ob Genderismus mit an die 60 möglichen Geschlechtsvarianten, Ehe für alle, ob Schule ohne Noten und Sitzenbleiben, da sollen auf Anordnung der Ministerin Najat Vallaud-Belkacem die Schüler jetzt mit den Farben Grün-Gelb-Rot bei Laune gehalten und bis zum Abitur, dem Bac, mitgeschleppt und die guten Schüler demotiviert werden, ob öffentliche Gebäude zu Weihnachten ohne Krippen, im Krieg gegen den Katholizismus, erst recht ohne Chanukah-Leuchter, im Namen der Laizität, sie machen alles platt, sie schaffen den Neuen Menschen, die Neue Gesellschaft.

Nun ereilt es die Identität der bislang 22 Regionen Frankreichs."

"Herrin," staune ich, "wie  kann man Regionen Frankreichs die Identität zerstören? Das verstehe ich nicht." Sie schaut mich strafend an: "Denk nach! Was bedeutet es, wenn es nicht mehr 22, sondern nur noch 13 Regionen gibt?" Ich bin ratlos: "Vielleicht Unglück, weil 13 eine Unglückszahl ist?" Ihre Stirn legt sich in böse Falten: "Bist du abergläubisch? Das bemerke ich zum ersten Mal an dir."

Ich grübele: "Ach, bin ich dumm! Es gibt dann weniger Funktionäre im öffentlichen Dienst. Deren Zahl ist doch in den letzten zwei Jahren weiter angestiegen, und die will Staatspräsident François Gérard Georges Nicolas Hollande wieder senken!" Ich bin stolz, daß ich darauf gekommen bin.

Meine Herrin schüttelt nur den Kopf, dann haucht sie: "Wie kommst du darauf? Schon unter Ausschluß dessen, was nicht sein kann, ist das unmöglich. Die Sozialisten werden doch nicht an ihre Wählerschaft gehen! Jeder eingesparte Funktionär, Beamte, Angestellte im öffentlichen Dienst, wäre ein Feind der Sozialisten mehr; denn die hat er gewählt, auf daß seine Position erhalten bleibe. Und du weißt vielleicht von den Muslimen, daß Konvertiten radikaler sind als diejenigen, die nie gläubig waren. Jeder einzelne eingesparte Bedienstete wird zum Front National überlaufen, das tun viele ja heute schon, weil die Sozialisten nicht halten, was sie ihnen vor den Wahlen versprochen haben."

Ich kauere mich in den Pferch, bin in Heu und Stroh kaum noch zu sehen: "Herrin, sag mir doch, worum es geht, bittäää!"

"Schaf, es geht um die Namen der entstehenden Regionen. Damit haben sich weder die Nationalversammlung noch die Regierung groß befaßt!" "Ja," blöke ich beruhigt, "Name ist Schall und Rauch." Meine Herrin schaut mich entgeistert an: "Nur weil du keinen Namen hast, meinst du, der wäre nicht wichtig? Du hast keinen Namen, weil du so besser meinen Vorstellungen entsprechend einzusetzen bist. Stell dir vor, ich hätte dich 'Hermann Löns' genannt. Dann könntest du dich auf den Namen zurückziehen und Anweisungen nicht ausführen, 'weil Hermann Löns sowas auch nicht gemacht hätte'. Es wäre für mich schwieriger, dich zu  erziehen und zu führen."

"Und so ist das auch mit den neuen Regionen und deren Namen?" blöke ich staunend. "Ja, so ist es. Nimm nur einmal unser Nordkatalonien. Das ist unter dem Namen Roussillon noch in der Region Languedoc-Roussillon vorhanden. Die Region wird nun aber mit der Region Midi-Pyrénées zusammengelegt. Montpellier wird nicht mehr die Hauptstadt sein, sondern Toulouse. Unsere Region wird der anderen angeschlossen."

"Wie die DDR der Bundesrepublik?" Ich bin ganz aufgeregt. "So ähnlich schon," meint meine Herrin, es gibt dann eine erweiterte Region Midi-Pyrénées, unsere Region und ihre Hauptstadt Montpellier verlieren ihren Wert." Mancher kann froh sein, daß er tot ist, Georges Frêche beispielsweise, der Sozialist hat unsere Region entwickelt, aber als er sie Septimanie nennen wollte, zu Ehren der Tradition, da kreischten alle auf, vor allem seine Parteigenossen, die immer dabei sind, den Neuen Menschen in allen seinen Lebenslagen zu schaffen, die von Traditionen nichts halten.

"Nun interessiert die regierenden Sozialisten überhaupt nicht mehr, wie die Regionen Frankreichs heißen, und so sinnieren die Bürger auf der Straße darüber nach, also nicht etwa in Referenden, sondern sie werden zum Beispiel von Journalisten befragt: "Wie sollen die drei Regionen Aquitanien, Poitou-Charentes und Limousin demnächst heißen?"

"Lies," befiehlt meine Herrin und wirft mir allerlei Links in den Pferch. Ich staune: "Süd-West-Atlantik, das ist schön," meint eine Passantin. "Aquitania? Woher holen sie das denn?" fragt eine junge Frau und beweist ihre mangelnde Geschichtskenntnis. "Von Aliénor", bezeugt eine Rentnerin, "meine Enkelin heißt so."

Im Osten werden die drei Regionen Elsaß, Lothringen und Champagne-Ardenne zusamengeschlossen, und die Namen überschlagen sich: "Länder des Ostens", "Herz Europas", oder auch "Alca". So steht es bei Cyber-Actu.

"Was ist denn Alca," wundere ich mich. "Hat das was mit dem Vogel Alk zu tun? Ist das nicht der 1844 ausgestorbene Pingüino o Alca Gigante oder Albatross? Ist es gar so etwas wie Alka-Seltzer? Und das soll der Name der neuen Großregion werden? Das Elsaß soll aussterben? Dagegen ruft die UMP den Verfassungsrat an.

Wo bleibt Lothringen? Jeanne d'Arc ist jetzt aus Alca? Und Champagner gibt's auch nicht mehr?"

"Siehst du nun, wie sie die Identitäten der Regionen zerstören," fragt meine Herrin streng. "Den Kopf zerbrechen sich nicht die regierenden Sozialisten, sondern nur die Betroffenen. Ich war gestern auf dem Weihnachtsmarkt, auf dem Quai Vauban. Da ist jedes Jahr eine Frau aus dem Elsaß, sie verkauft Brezeln, Gugelhupf und andere Spezialitäten des Elsaß. Mit ihr unterhalte ich mich immer auf deutsch. 'Ja, uns wird es demnächst nicht mehr geben, kein Katalonien, kein Elsaß, euch haben sie ja im Vertrag der Pyrenäen schon 1659 den ursprünglichen Namen geraubt, mit uns machen sie das jetzt.' Sie schaut traurig drein."

Meine Herrin ebenfalls, und da frage ich: "Aber Nordkatalonien ohne seinen Namen hat doch auch seine Identität behalten, oder?" Da hättet Ihr sie sehen sollen, sie wäre mir beinahe an die Hörner gegangen: "Schaf, bekommst du denn gar nichts mit? Die ständigen Bemühungen, die Katalanität nicht untergehen zu lassen? Es gibt eine Website Per una regió Catalunya Nord. Sie erhält immer mehr Zugriffe, Katalanen Frankreichs stimmen ab für den Anschluß an das spanische Südkatalonien. Egal, ob das eine gute Idee ist oder nicht, egal auch, ob Katalonien besser ein unabhängiger Staat wäre oder nicht, zeigt es doch die Unzufriedenheit der Nordkatalanen mit der Pariser Regierung."

"Ich sehe, wenn ich auf der Seite 'Economie' anklicke, daß Nordkatalonien bereits viel verloren hat in der Region Languedoc-Roussillon, und das wird sich noch verschärfen. Wir gelten jetzt schon nichts in Paris. Herrin, du hast dich darüber ja des öfteren auf unserem Blog ausgelassen."

"Erinnere dich, Schaf, daß in diesem Jahr zum ersten Mal nach 57 Jahren, eine Politikerin aus dem Roussillon in ein höheres Amt der Regierung berufen wurde. Das gab's seit der IV. Republik [1944 - 1958] nicht. Die Ernennung, im Jahr 1957, von Arthur Conte (er verstarb im Alter von 93 Jahren, im Dezember 2013) ins Staatssekretariat für Industrie und Handel dauerte knapp drei Monate.

Frankreich besteht aus Paris und Umgebung, die Widersacher der Zentralregierung werden nunmehr endgültig beseitigt, für Eigenständigkeit ist kein Raum mehr. Weg mit Burgund! Wenn das Ludwig XI. (1461-1483) noch erlebt hätte! Vielleicht aber wäre es nicht einmal ihm recht gewesen?"

Meine Herrin verdreht die Augen: "Selbstverständlich hat sich niemand ernsthaft Gedanken gemacht, wie wir heißen sollen, und so bin ich auf die Idee gekommen, unsere neue Großregion könnte 'Mipylarou' heißen. Dann wären wenigstens noch Spuren des Languedoc-Roussillon zu sehen. Midi-Pyrénées wird sich in der Region politisch und wirtschaftlich sowieso durchsetzen, unter welchem Namen auch immer, dafür sorgt schon EADS. Das sind die mit dem schwer verkäuflichen Airbus A380 und dem überteuerten Airbus A400MDu selbst hast schon über den A380 geblökt.

Kinder würden fragen, woher der Name 'Mipylarou' kommt, und Großmutter erzählt von alten Zeiten."

Plötzlich lache ich laut auf. "Was ist komisch daran," fragt meine Herrin genervt. "Es ist wunderbar! Um die Identität des Elsaß ist mir nicht bange." Ich zeige ihr den Fund, und sie lacht wie schon lange nicht mehr: "In der Nationalversammlung erklärt der UMP-Abgeordnete des Fünften Wahlbezirks des Niederrheins Antoine Herth seine Ablehnung der Fusion des Elsaß mit anderen Regionen Frankreichs. Die drei zu fusionierenden Regionen Alsace-Champagne-Ardenne-Lorraine würden mit verschiedenen neuen Namen beehrt, aber für ihn klänge das etwa so wie 'Arschloch'. Ha, feixt meine Herrin, das finden nur einige wenige Kollegen komisch, dabei hat er recht: Ardenne-Champagne-Lorraine-Alsace."

Ich kriege mich nicht ein. Der empörte sozialistische Kollege Philippe Bies will, daß Antoine Herth den deutsch-elsässischen Begriff sofort ins Mikrofon übersetzt. Sozialisten haben keinen Humor, mehr noch, sie kennen kein Pardon, wenn sich ihnen jemand widersetzt, der keine Neuen Menschen, Gruppen, Institutionen und Regionen will.

"Sie sind eben Arschlöcher!" blöke ich laut.

Blök!
Euer Schaf
deutscher Heidschnuckenbock


Update

Nachdem 170 Personen in Altkirch versammelt waren, ruft die Vereinigung "Les Alsaciens réunis" zu einer erneuten Demonstration gegen die Zusammenlegung der Regionen Elsaß-Lothringen-Champagne-Ardenne auf, in Colmar, vor der Präfektur, am Sonntag, 21. Dezember 2014, um 15 Uhr.

Réforme territoriale. Manifestation anti-fusion ce dimanche à Colmar
L'Alsace.fr, 18 décembre 2014


"Für uns ist das Elsaß sowohl die Erinnerung an unsere Vorfahren als auch die Zukunft unserer Kinder," sagt Frédéric Turon, der Mitbegründer von "Alsaciens réunis".

Devant la préfecture avec les "Alsaciens réunis"
Par Olivier Roujon, L'Alsace.fr, 22 décembre 2014