3. Mai 2015

Frankreich. Das Märchen vom gemeuchelten Moussa

Die Einwohner von Trappes beweinen Moussa und sein bezauberndes Lächeln
Update
Warum die Medien das Foto so präsentieren: Kopf ab, Unterleib ab!
Die Schülerin trägt die schwarze Abaya, die neue Islam-Uniform für Frauen.
Update 2
2 000 oder mehrere Hundert beim Schweigemarsch für das arme Opfer Moussa

Es war einmal ein kleiner Junge, der hieß Moussa. Er war 14 Jahre alt, zierlich, ein Dreikäsehoch, aber ein kräftiges Kerlchen und geistig sehr rege. Moussa war der Sonnenschein der Stadt Trappes. In dieser friedlichen Stadt, im Département Yvelines, 35 Kilometer südwestlich von Paris, lebte er und erfreute mit seinem bezaubernden Lächeln alle, denen er begegnete.

Vorbildlicher Sohn, Fußball mit Freunden, immer am Ball, entwaffnender Charme gegenüber den Lehrern, Humor und Witz, um seine Freunde bei Laune zu halten, das waren seine Markenzeichen. Er war von einer Selbstlosigkeit, die ihm einen Sitz im Jugendrat der Stadt einbrachte.

Nie hat man von ihm Böses vernommen. Die Polizei wußte nicht einmal seinen Namen, er war den Polizisten von Trappes vollkommen unbekannt.

Da bricht über Moussa am Freitagnachmittag, den 1. Mai 2015, eine schlimme Tragödie herein. Eine Maschinengewehrsalve in seinen Unterleib tötet den Jungen, der eben mit einem 17-jährigen Freund plaudernd und maifeiernd des Weges geht. Wie durch ein Wunder wird der nur leicht am Bein verletzt, während Moussa hinscheidet in seinem Blute.

"Wir waren am Freitag zum Fußballspiel verabredet, er ist gestorben, bevor er uns treffen konnte," seufzt ein Freund umwölkten Gesichts.

Der Ort ist außer sich vor Trauer. Spontan versammeln sich am folgenden Tag ungefähr 400 Trauernde, Schüler der "Cocteau-Bande", seiner Grundschule bilden eine Kette und bibbern unter Regenschirmen, ehemalige Lehrerinnen schluchzen und erinnern sich seines Lächelns, das man nie vergißt. "Man konnte ihm nicht böse sein," haucht eine von ihnen, "ein sehr guter Schüler, umgänglich, gesellig, hilfsbereit, charmant."

Der sozialistische Bürgermeister der Stadt Guy Malandain, der sich als Vater aller Kinder des Ortes sieht und von RiposteLaïque "Stiefellecker" genannt wird, weil er den Muslimen des Ortes nicht nur das Grundstück für eine riesige Moschee, sondern noch dazu eines für ihr islamisches Kulturzentrum schenkt, will am Montag, um 18 Uhr, mit anderen Abgeordneten und Vertrauten des Opfers in Trappes einen "Weißen Marsch" veranstalten, eine Art Umzug durch den Ort, mit Halt am Tatort, um Blumen und Kränze abzuwerfen.

Am Vorabend war Moussa von einer durch seine Schule organisierten Reise aus der Auvergne zurückgekehrt. Dort hatte er während der Ferien seine Mittlere Reife vorbereitet. "Seine Mutter war alles für ihn, er arbeitete viel, auf daß sie auf ihn stolz sein könnte," erzählt eine Freundin.

Auf Twitter ist #RIPMoussa am Samstag das am meisten geteilte Thema. Unter den Unterstützernachrichten, den "Gebeten", findet man die des Humoristen Omar Sy, der auf derselben Schule war wie der Jugendliche, und die "tiefe Trauer" des berühmten Rappers La Fouine.

Die zwei bislang unbekannten Tatverdächtigen sind weiterhin flüchtig. Sie entkommen in einem schwarzen Renault Clio, der "einen Monat zuvor in Seine-Saint-Denis gestohlen, nach der Tat einige Kilometer entfernt verlassen und angezündet wurde," erklärt ein Sprecher des mit dem Fall befaßten Gerichts von Versailles gegenüber AFP.

Ein durch die Ermittler verhörter Zeuge sagt aus, daß "der Schütze aus dem Wagen ausgestiegen sei, bevor er die Salve abgab," wahrscheinlich aus einer "automatischen Waffe" des Kalibers 9 mm. Gezielt auf den Dreikäsehoch Moussa, nicht jedoch auf seinen Kumpan, wie aus dem Bericht hervorgeht.

Die Hypothesen der Ermittler richten sich auf Rache, genährt durch seit Anfang April ausgetragene Rivalitäten der Stadtteile Léo-Lagrange und Albert-Camus. Vor drei Wochen ist ein Mitglied der einen Bande durch einen Schuß in den Fuß verletzt worden. Vor zwei Wochen seien Schüsse am Platz Albert-Camus vernommen worden, erklärt das Gericht. In Trappes herrscht anscheinend das Gesetz der Abrechnungen unter Banden.

Nun befürchten die Bürger von Trappes Ausschreitungen, Rache der Jugendlichen, die sagen "+die+das+getan+haben+werden+bezahlen", berichtet der 40-jährige linke Stadtrat Mohamed Kamli, Präsident des Kollektivs Bürger von Trappes, Trappes Citoyens, und dann beschimpft er den Bürgermeister, der durch Nichtstun das Drama nicht verhindert hätte. Dieser regt sich derweil vor den Angehörigen und Freunden des Opfers und des leicht am Bein verletzten 17-jährigen über die unmenschliche, barbarische Tat auf.

Für eine Freundin Moussas ist der nicht tot: "Ich glaube, ihn am Montag noch in der Schule zu sehen."

Schülerin in Islam-Uniform

Einen wenig märchenhaften Wermutstropfen gibt eine Kameradin Moussas in den berauschenden Trank, mit dem Politiker und Medien den Franzosen die Sinne vernebeln: "Petit Soldat Moussa, 01.05.2015". Kleiner Soldat Moussa, 1.5.2015, steht auf dem Rücken ihrer schwarzen Uniform. Damit wolle sie daran erinnern, daß ihr Freund ein "Mutiger war, der immer da war, um seinen Freunden zu helfen, sobald sie in Schwierigkeiten gerieten." Aha!

Und wenn er auch gestorben ist, so lebt er noch heute.

Update 2

Die Umnebelung der Franzosen geht in allen Printmedien weiter, bis hinein in mein Lokalblatt des Roussillon L'Indépendant, das unter Actualités berichtet und das Foto der kopf- und unterleibslosen Muslimin bringt. Derweil fehlt von den mindestens zwei Tätern jede Spur:

Der 14-jährige Realschüler Moussa, ohne Geschichte und beliebt, fällt einem Krieg zwischen Banden um Herrschaftsgebiete zum Opfer. Um was sie da rivalisieren? Niemanden interessiert es. Fragt einer, warum die Täter gezielt nur den "Kleinen Soldaten Moussa" unter Feuer nehmen, 15 Patronenhülsen vom Kaliber 9 mm werden am Tatort sichergestellt, und ihn durch einen Schuß ins Herz umnieten, also nicht durch eine Salve in den Unterleib, wie zunächst berichtet, und sein neben ihm spazierender Kumpan dabei am Bein leicht verletzt wird? Nein!

Und es wird immer schöner: Moussa sei kollaterales Opfer einer Abrechnung unter Banden. Darum steigt der Schütze aus dem Auto und zielt genau auf ihn.

Für dieses Pack richtet die sozialistisch regierte Gemeinde von Trappes einen Schweigemarsch aus, une marche silencieuse, und 2 000, andere meinen, mehrere Hundert, folgen dem Aufruf.

Armes Frankreich!