9. August 2019

Recep Tayyip Erdogan setzt die EU unter Druck

Foto: UNHCR

Recep Tayyip Erdogan droht der EU, die Schleusen zu öffnen für 3,6 Millionen Flüchtlinge und Migranten aus Syrien, Afghanistan und dem Irak, wenn türkischen Staatsbürgern nicht die Visa-freie Einreise in die EU gewährt werde. Am 22. Juli 2019 erklärt der türkische Außenminister, die Türkei steige aus dem Migrationsvertrag aus. Zum durch die Rückführung der Syrer in ihr Land sich ergebenden Migrantenstrom von Syrern käme dadurch der noch breitere von Türken.

Diesen Vertrag "zur Vertiefung der EU-türkischen Beziehungen und des Angehens der Migrationskrise" verdankt die EU der Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Der türkische Innenminister Süleyman Soylu: "Wir stehen der größten Migrantenwelle der Geschichte gegenüber. Wenn wir die Dämme öffnen, wird keine europäische Regierung in der Lage sein, sechs Monate zu überleben. Wir raten ihnen, unsere Geduld nicht überzustrapazieren."

Die Türkei will nach wie vor Mitglied der EU werden. Die Visa-freie Einreise der Türken in die EU sieht dessen Außenministerium als Voraussetzung und ersten Schritt an. Zig Millionen Türken könnten dann nicht mehr gehindert werden, in die EU einzureisen. Die Wirtschaftskrise in der Türkei wird dazu führen, daß Millionen Türken in die EU einwandern werden. Elf Millionen Türken leben in Armut; unter ihnen zahlreiche, die davon träumen, sich in Mitteleuropa niederzulassen. Die wäre Recep Tyyip Erdogan gern als erste los.

Turkey Threatens to Reignite European Migrant Crisis, by Soeren Kern. 


Als wenn das nicht schon genug wäre, bildet die Türkei nach einem in drei Tagen ausgehandelten Kompromiß vom 7. August 2019, zwischen türkischem und amerikanischem Militär gemeinsam mit den USA an der Grenze zu Syrien, auf türkischem Territorium, ein "Gemeinsames Operationszentrum", das eine "Sicherheitszone" im Nordosten Syriens einrichten soll. Dieser Kompromiß "könnte Ankara dazu bringen, für den Augenblick auf eine Operation in der Region [gegen die Kurden!] zu verzichten." Zwei solcher Operationen haben die mit den USA verbündeten Kurden bereits hinter sich.

USA und Türkei wollen Sicherheitszone in Syrien gemeinsam verwalten. DerStandard, 7. August 2019

Beide Regierungen, die amerikanische wie die türkische, betrachten Syrien als Niemandsland, in dem sie nach Belieben schalten und walten können, ohne die syrische Regierung und ihren Verbündeten Rußland einzubeziehen. Damaskus reagiert umgehend:

"'Syrien lehnt das Abkommen der zwei amerikanischen und türkischen Besatzer zur Schaffung dessen, das eine Sicherheitszone genannt wird', kategorisch ab, hat die offizielle [syrische] Nachrichtenagentur Sana erklärt und das syrische Außenministerium zitiert."

Derweil kommt der Islamische Staat zum zweiten Mal in den Irak und nach Syrien zurück, zwar nicht als Kalifat wie auf seinem Höhepunkt, 2015, unter Abu Bakr al-Baghdadi, wohl aber als Gegner, dessen zerstörerisches Potential man sich vorstellen kann.

ISIS'S SECOND COMEBACK: ASSESSING THE NEXT ISIS INSURGENCY
By Jennifer Cafarella with Brandon Wallace and Jason Zhou. ISW, June 2019, 76 pages
Executive Summary. *Updated July 23, 2019

Geld spielt keine Rolle, Woher kommt das Geld? Durch Hawala? Durch in der Region gestohlene Antiquitäten, die von Spezialeinheiten des Islamischen Staates verkauft werden? Es ist kein Zufall, daß UN-Generalsekretär Antonio Guterres, in seiner Pressekonferenz, vom 1. August 2019, die  USA und Saudi-Arabien, die erklärten Feinde des Irans, Syriens und Rußlands nicht erwähnt.

Die USA werden sich schon des Islamischen Staates wegen ungebeten in Syrien definitiv festzusetzen versuchen. Die Rüstungsindustrie der USA und Lobbyisten wie John Bolton wird es freuen. Der Schritt in den Iran ist kurz. Rußland wird weiter mit Sanktionen belegt, so daß seine Möglichkeiten, den Syrern beizustehen, begrenzt sind.

"Der Islamische Staat hat nicht weniger als 300 Millionen Dollar, um den Kampf fortzusetzen"
UN Chief: Daesh has as much as $300m to keep fighting. Middle East Monitor, August 6, 2019

Damit werden Schläferzellen aktiviert, und aus der Türkei vertriebene Syrer gezwungen, für den Islamischen Staat zu kämpfen, nachdem sie, die es nicht in die EU schaffen, in Idlib abgesetzt wurden. Sie werden ohne Unterstützung durch türkisches Militär für den Büyük Lider und den Islamischen Staat gegen die Kurden vorgehen, ohne daß die USA sich einmischen.

Für die USA und ihre Rüstungsindustrie ist es am wichtigsten, daß die Region nicht zur Ruhe kommt, und daß Rußland keinen Vorteil erzielt.

Man kann sicher sein, daß unter den Syrern, die es in die EU und nach Deutschland schaffen, nicht wenige vorher vom Islamischen Staat angeworben und bezahlt werden. Für Migrantenschwemme und Terror der nächsten Jahre in der EU und da vor allem in Deutschland ist gesorgt.