15. September 2011

Perpignan. "Zakhor Pour La Mémoire" verteilt die jährlichen Preise

Neulich gerate ich mit einem Facebook-Nutzer aneinander. Anlaß sind einerseits die jährlichen Feierlichkeiten zu Preisverleihungen durch die Vereinigung Zakhor Pour La Mémoire. Zakhor für die Erinnerung, in Perpignan, wobei zakhor, erinnere dich! von hebräisch lehaskîr = léazkêre = erinnern / rappeler kommt, und andererseits ein Link auf Facebook zum Film von Hanna Laura Klar Berlin - Paris. Die Geschichte der Beate Klarsfeld. Über die gute Deutsche, wie die FAZ sie nennt, gibt es schon einen Film aus dem Jahr 2008, mit Franka Potente als Frau, die Nazis jagt, hier den "Schlächter von Lyon" Klaus Barbie.

Artikel aktualisiert, 15. Oktober 2022

Im Ausland wird sie, selbst keine Jüdin, aber mit einem Juden verheiratet, mehrfach dekoriert und am 23. November 2007 durch den Präsidenten der Republik in den Räumen des Élysée-Palastes zum Officier de l’Ordre National du Mérite ernannt, und mit ihr Sohn Arno, zum Chevalier de l’Ordre National du Mérite. Der Orden ist eine von General Charles de Gaulle am 3. Dezember 1963 eingerichtete Auszeichnung. Was ihr noch fehlt, ist das Bundesverdienstkreuz, das aber wollen ihr weder Joschka Fischer noch Guido Westerwelle überreichen. Der zweite Vorschlag kommt von Gregor Gysi, im Jahr 2009. Wer hätte es gedacht, daß ich diesen Außenministern noch einmal recht gebe!

Klarsfeld sagte, sie warte, weiß der Focus, am 26. März 2010. Aus dem Artikel geht hervor, daß sie das Bundesverdienstkreuz erwartet für die und nicht trotz der Ohrfeige, die sie Kurt-Georg Kiesinger, auf dem CDU-Parteitag, am 7. November 1968, verpaßt hat. Nun hofft sie auf einen SPD-Bundespräsidenten. Wenn ich an alle diejenigen denke, denen man das Bundesverdienstkreuz nachgeworfen hat, sowie an diejenigen, denen es peinlich ist oder wäre, eines zu erhalten!

 "Holocaust-Gedenken" I

Der FB-Nutzer kennt den encensement réciproque nicht, die gegenseitige Ehrung. Unter der Schirmherrschaft Seiner Exzellenz Yossi Gal, Botschafter Israels in Frankreich, und des Ehrenpräsidenten von Zakhor Anwalt Serge Klarsfeld sowie von 16 Mitgliedern des Exekutivbüros, unter denen sich ein einziger aschkenasischer Jude und damit ein als Vertreter des europäischen Judentums zu identifizierendes Mitglied befindet, Jacques Cukier, ist Jahr für Jahr (hier im Jahr 2011) jeder einmal Preisverleiher und Preisträger, der Ehemann der guten Deutschen Beate Klarsfeld, er selbst Offizier der Ehrenlegion und des Nationalen Verdienstordens, ehrt den Gründer und Präsidenten von Zakhor Philippe Benguigui und schlägt ihn in Anwesenheit des Ordensverwalters Michel Scheinder zum Ordensritter, zum Chevalier de l'Ordre National du Mérite; Ritter Philippe Benguigui ehrt Beate Klarsfeld (2008) und ihren Ehemann (2005) mit dem Zakhor-Ehrenpreis. Die Verleihung des Nationalen Verdienstordens durch Serge Klarsfeld geschieht im Namen des Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. Weitere Zakhor-Preise gehen an Sponsoren aus der Politik, an Richard Prasquier, den Präsidenten des Conseil Représentatif des Institutions juives de France (2006), an Freunde und Bekannte aus Kultur und Unterhaltung. Die Preise und Ehrungen für den "Frieden unter den Völkern oder den Kampf gegen alle Formen der Ausgrenzung":
  • Le Prix d'Honneur Zakhor Pour la Mémoire / Ehrenpreis Zakhor für die Erinnerung
  • Le Prix Zakhor Pour la Mémoire / Preis Zakhor für die Erinnerung
  • Le Prix Histoire-Mémoire et Education en Pays Catalan / Preis Geschichte-Erinnerung und Erziehung in Katalonien
  • Le Prix Mémoire et Fraternité / Preis Erinnerung und Brüderlichkeit
  • Remises des Médailles et de Diplômes d'Honneur / Überreichung der Medaillen und Ehrendiplome
Regelmäßig anwesend sind Vertreter von Yad Vashem, ihrerseits manchmal Preisträger (2007 und 2008), manchmal Preisverleiher an den verdienstvollen Philippe Benguigui, und eines Vertreters der Botschaft oder des Generalkonsulats Israels, der Präfekt von Perpignan in ordengeschmückter Offiziersuniform (2005) oder sein Stellvertreter, Abgeordnete der verschiedenen Parlamente Frankreichs (2004), hin&wieder als besonders begrüßter Gast die Ehrenkonsulin Deutschlands, Garantin, daß unser Land nie wieder vom Wege abkommt: Gedenken an die toten Juden, Wachhalten der Erinnerung, manchmal mit dem Partisanenlied, in dem sich rêver reimt auf crever.

Das alles in enger Zusammenarbeit mit dem Centre Méditerranéen de Littérature (CML) und dessen Präsidenten André Bonet, Verehrer der Juden- und/oder Israelhasser sowie der Robert Brasillach, Louis Ferdinand Céline, Jacques Vergès, Frédéric Mitterrand, Jonathan Littell und Amos Oz: La paix maintenant, Frieden jetzt! Peace Now! Promoting Peace in Israel. Amos Oz weiß, wie's geht. Zu diesem Personenkreis findet man auf meiner alten Website [nicht mehr online] und auf meinem neuen Blog reichlich Informationen, wenn man die Namen in die Suchfunktionen eingibt.

Damit jeder sieht, wie wichtig der Präsident der Vereinigung Zakhor ist, gibt es eine Seite Nos Rencontres. Unsere Begegnungen. "Unsere", das ist auf nahezu allen 66 veröffentlichten Fotos er plus Anhang, von Serge Klarsfeld über André Bonet, Yvan Levaï, dem geschiedenen Mann der Anne Sinclair, vom Präsidenten Nicolas Sarkozy bis zu ihm als Präsidenten, vor den Flaggen Frankreichs, der EU und Kataloniens. Leider ist die Seite nicht mehr aufzurufen. ich bin untröstlich!

Weitere Fotoalben, ebenfalls nicht mehr aufzurufen, zeigen die Preisverleihung 2010 (51), Fotos des Camp Joffre, in Rivesaltes (21), in dem der Reihe nach und manchmal gleichzeitig Spanienflüchtlinge, Juden, und, nach dem Zweiten Weltkrieg, deutsche Kriegsgefangene und Harkis von den Franzosen weggesperrt bzw. zum Abtransport nach Drancy und in weitere Lager vorbereitet werden, sowie die dortige jährliche Zeremonie am Auschwitz-Tag, 27. Januar 2011, geschmückt mit der Ehrenkonsulin (64). Vom Camp Joffre findet man deshalb nur 21 Fotos, weil dort der Präsident Philippe Benguigui irgendwie keinen Platz hat.  Schade, sniff! Er ist nämlich sehr photogen.

Der Präsident von Zakhor Philippe Benguigui, seinerzeit noch Vertreter der Fils et Filles des Déportés Juifs de France im Roussillon macht sich unermüdlich verdient. So deklariert er die eines Nachts des Frühjahrs 2004 im Camp Joffre, Rivesaltes, zerstörte Freske in den von ihm und den benachrichtigten Provinz- und Weltblättern umgehend als von jüdischen Kindern im Jahr 1941 oder 1942 gemalte, obgleich die Tatsachen auf deutsch und französisch seit mehr als zehn Jahren dokumentiert sind, bei Friedel Bohny-Reiter, im Tagebuch Vorhof der Vernichtung, 1993, Seite 58: "Der heimelige Raum mit Josephs Wandmalereien", und obgleich ein Redakteur der Zeitung L'Indépendant seinerzeit dabei ist, als die von einem Schweizer Internierten mit Namen Joseph gemalten Fresken entdeckt werden. Diese Geschichte ist so arg, daß ich sie meinem Schaf zum Blöken überlasse [nicht mehr online]. Nach dem Protest und der Stellungnahme von drei seit 1997 über das Lager von Rivesaltes arbeitenden Studienräten des Gymnasiums A. Maillol hält es eine [!] Zeitung für angebracht, eine Richtigstellung zu veröffentlichen, die Libération [nicht mehr online, wohl aber die Falschmeldung]. Auf der Website von Zakhor liest man bis heute [Stand 15. Oktober 2022]: 2004. Destruction et Profanation de la Fresque qui était peinte en 1941 par les enfants Juifs et les enfants de Républicains Espagnols. 2004. Zerstörung und Schändung der Freske, die 1941 von den jüdischen Kindern und den Kindern der spanischen Republikaner gemalt wurde. Andere Blogs übernehmen diese Falschaussage.

"Holocaust-Gedenken" II

"Anlässlich der Kandidatur der 'Nazi-Jägerin' Beate Klarsfeld bei der Wahl des neuen Bundespräsidenten am 18. März deckte die 'Welt' auf, dass die SED ihre berühmte Ohrfeige gegen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger 1968 mit 2000 DM honoriert hatte. Klarsfeld räumte ein, von der Stasi mit Informationen für ihre vermeintlich hochmoralischen Kampagnen versorgt worden zu sein."

Diese Ohrfeige für Kurt-Georg Kiesinger, auf dem CDU-Parteitag, am 7. November 1968, ist der Anfang der Karriere der Beate Klarsfeld als Nazi-Jägerin, Nazi Hunter bzw. in einem Wort: Nazijägerin. Diesen Begriff benutzen die Medien, ohne daß ihnen etwas dabei auffällt. Eine sicherlich ungewollt treffende Schilderung der Instrumentalisierung dieser Deutschen durch ihren Ehemann Serge Klarsfeld, der seinen Vater in Auschwitz verloren hat, findet man beim Film-Dienst:
Deutscher geht's nimmer, eine Menschenjägerin, geführt von einem Mann. Nicht er ohrfeigt den Bundeskanzler, der zu jener Zeit wie alle hochrangigen deutschen Politiker kaum bewacht ist, sondern er läßt ohrfeigen, er spricht die Tat mit ihr ab, sie ist seine Handlangerin: Klatsch! Beate Klatschfeld. Aktivistin wird sie unter seiner Führung. Verhöhne noch einmal jemand Frauen, die einen praktizierenden Muslim kennenlernen und seinetwegen zum Islam konvertieren!

Im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung nach 1968 ist berufenen Nazijägern, vor allem in Frankreich, die Karriere sicher. Je toter die Juden, desto größer die Genugtuung bei den Aktionen gegen Klaus Barbie, René Bousquet, Jean Leguay, Kurt Lischka, Maurice Papon, Paul Touvier. Sie werden aufgespürt und ihrem Prozeß zugeführt. Am 9. Juli 1979 wird vom Nazi-Ring ODESSA ein Mordversuch auf das Ehepaar Klarsfeld ausgeübt, "zur Verteidigung von verfolgten Juden waren sie in den gefährlichsten Augenblicken in Uruguay (1977), in Polen und der Tschechoslowakei (1970-1971), im Libanon (West-Beirut), 1986, in Syrien (1990-1991) oder im Iran (1979)," liest man in der Chronologie ihrer Aktivitäten.

So dienen die Klarsfelds gegenüber Israel und den Juden Frankreichs, ähnlich dem Stéphane Hessel gegenüber den Muslimen Frankreichs und der arabischen Welt, gleichzeitig der Reputation Frankreichs, dessen Regierung täglich neben ihrer pro-arabischen ihre projüdische Haltung demonstrieren und gleichzeitig einen Schlußstrich unter Vichy ziehen kann, was sich von den laschen Verfolgungspraktiken Deutschlands positiv unterscheidet. Es ist kein Zufall, daß in den Klarsfelds wie bei Stéphane Hessel das unerbittliche preußische Prostestantentum mit dem Gerechtigkeitsstreben des Judentums eine Allianz eingeht. Das Ergebnis? Menschenjäger.

Ihre Aktivitäten bringen der Familie Achtung, Berühmtheit und Aufträge, dem Sohn Arno Klarsfeld, Rechtsanwalt wie sein Vater und akkreditiert in Paris, New York und Kalifornien, verschafft es eine Kandidatur für die UMP bei den Wahlen zur Nationalversammlung 2007 und einen Beraterstatus beim Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. Als Rächer und Jäger ist auch Arno Klarsfeld unterwegs, "die Erinnerung an Vichy zu verändern" und "diese Regierung endgültig zu verurteilen". Eine Art Endlösung der Vichy-Frage.

Sonia Combe hat bereits 1994 ähnliches mitgeteilt, solches findet man mit zwei/drei Klicks, was bedeutet, daß es davon reichlich geben muß: Dans la région parisienne, le travail de recensement effectué en un temps record par les services de la préfecture de police dirigés par André Tulard suscite l’admiration de Théo Dannecker, chef de la Gestapo en France occupée. In der Pariser Region erregt die Arbeit der Erfassung [der Juden] durch die von André Tulard geleiteten Dienste der Polizeipräfektur in einer Rekordzeit die Bewunderung Theo Danneckers, des Gestapo-Chefs in Frankreich.

Wer dann noch wie ich in seiner Heimatstadt einen Okkupanten kennt, der zeit seines Lebens damit angibt, wie gut die Franzosen kooperiert hätten, daß es vorgekommen sei, daß nicht genug Waggons zum Abtransport der von den Franzosen gelieferten Juden vorhanden gewesen seien, sie hätten sie über die geforderte Anzahl hinaus zusammengetrieben, der weiß schon seit den 50er Jahren, welchen Anteil die Vichy-Regierung an der Judenvernichtung hat. Historiker wissen das noch besser, beispielsweise nachzulesen bei Robert O. Paxton: Vichy-France (1940 - 1944), Erstauflage 1972.

Ironisch habe ich dem Unterfangen der Familie Klarsfeld den Titel "Holocaust-Industrie" gegeben. Bei diesem Reizwort ist der FB-Kollege ausgerastet, und ich bin irgendwo in der Ecke des nationalsozialistischen Erbes deponiert worden. Norman Finkelstein war im Archiv meiner alten Website reichlich aufzurufen [nicht mehr online], positiv wird er nirgends von mir erwähnt. Der Titel seines Buches lautet: Die Holocaust-Industrie. Wie das Leiden der Juden ausgebeutet wird.

Dennoch, der Begriff hat etwas; denn genau das macht diese Familie, sie vermarktet - um den Ausdruck ausbeuten zu vermeiden - das Leiden der Juden. Die Aktivitäten werden institutionell und finanziell durch öffentliche Haushalte und private Spenden abgesichert, sie bewegen sich allesamt in staatlich und gesellschaftlich anerkannten Bereichen. Wer wollte es wagen, dem Gedenken an die toten Juden andere als hehre Absichten zu unterstellen? Frankreich und Israel sind in das Projekt eingebunden, wenn sie auch sonst schon seit 45 Jahren nicht mehr viel gemeinsam zustande kriegen.

Eine Vereinigung wird 1979 gegründet, Les Fils et Filles des Déportés Juifs de France militants de la justice et de la mémoire (FFDJF). Die Söhne und Töchter der jüdischen Deportierten Frankreichs, Kämpfer für die Gerechtigkeit und die Erinnerung. Serge Klarsfeld ist ihr Präsident. Leider ist auf der Website nichts über die Geschichte zu lesen, sie scheint neu gestaltet zu werden, ist im Aufbau begriffen - die Seite, nicht die Geschichte.

1981 enthüllt das Ehepaar in Israel ein großes Denkmal für die deportierten Juden Frankreichs, es trägt Namen, Datum und Geburtsort der 80 000 französischen Opfer der Vernichtung. 1986 initiieren sie eine Kampagne gegen den ehemaligen Wehrmachtsoffizier und seinerzeitigen Präsidenten Österreichs Kurt Waldheim, liest man beim Verlag Fayard. Die Aktion ist aber auch ohne diesen Hinweis noch in der Erinnerung.

Die Aktivitäten erstrecken sich inzwischen auf eine Beate Klarsfeld Foundation, mit Sitz an besten Adressen in New York und Paris. Die Vereinigung FFDJF bekommt auch einen englischen Namen: The Sons and Daughters of Jews Deported from France. Der amerikanische Journalist Peter Hellman berichtet über die Klarsfelds seit 1979. Es gibt einen Biographen der Gerechtigkeit. 1996 veröffentlicht er in der New York University Press French Children of the Holocaust: A Memorial. Französische Kinder des Holocaust. Ein Denkmal. They will not let France airbrush out of the picture, sometimes literally, the French police and militia who abetted the Gestapo, schreibt die LA Times. Sie werden Frankreich nicht aus dem Bild wegretuschieren, manchmal wörtlich, die französische Polizei und das Militär, die die Gestapo unterstützten. Die LA Times ergänzt auch, daß Beate Klarsfeld Protestantin ist und ihr Vater in der Wehrmacht gedient habe. Das wird deutschen Beobachtern der Szene auch ohne solche Informationen klar sein. Nazijäger, das können von Opferseite Juden sein, die der Gerechtigkeit nachjagen, wie Simon Wiesenthal, von deutscher Seite sind das Protestanten mit Nazi-Familie. Sie bekämpfen stellvertretend für ihre säumigen Eltern den Adolf Hitler. Je länger der tot ist und mit ihm das Dritte Reich, desto leidenschaftlicher der Kampf. In Serge und Beate Klarsfeld vereinen sich die beiden Strömungen zur Hochform.

Im Verlag Mille et une nuits, wird am 22. Juni 2005 sein Buch Adieu les enfants (1942-1944) veröffentlicht. Adieu, Kinder. Darin sind auf 160 Seiten Zeugenaussagen und Dokumente von deportierten Kindern und über sie zusammengetragen. Seit 1994 gibt Serge Klarsfeld gemeinsam mit der Beate Klarsfeld Foundation - To become a member, send $50 (dollar checks are accepted) - unzählige Fotos zu einem Buch mit inzwischen mindestens sechs Nachträgen im Eigenverlag der FFDJF heraus: Mémorial des enfants juifs déportés de France. Denkmal für die deportierten jüdischen Kinder Frankreichs. Den 11 400 aus Frankreich deportierten Kindern gibt er damit Namen und Gesicht zurück. Er baut daraus eine Ausstellung auf, mit der er ab 2003 durch französische Städte zieht. Positiv vermerkt wird, daß in Frankreich vor allem dank der tätigen Sympathie der nichtjüdischen Bevölkerung 84 Prozent der jüdischen Kinder gerettet werden konnten.

Im März 2007, herausgegeben und finanziert von der Stadtverwaltung Paris, erscheint eine 76-seitige Broschüre Enfants juifs déportés de France. Juin 1942 - Août 1944, mit einem Geleitwort des sozialistischen Bürgermeisters von Paris Bertrand Delanoë, der als Grund für das événement inouï, unique et inexpiable, das unerhörte, einzigartige, nicht wiedergutzumachende Ereignis [sic], der Ermordung von Dreivierteln des europäischen Judentums nicht Antisemitismus bzw. Judenfeindschaft/Judenhaß sieht, sondern für den sie durch ein Bündnis aus Unkenntnis, Haß und Gleichgültigkeit geschehen ist. Die Befehlshaber und willigen Vollstrecker, Deutsche vor allem, sowie ihre Helfer in den jeweiligen besetzten Ländern, beispielsweise die unter Führung der von Serge und Beate Klarsfeld gejagten Franzosen Klaus Barbie, René Bousquet, Jean Leguay, Maurice Papon, Paul Touvier u.a. fallen demnach nicht darunter. Verantwortliche Subjekte gibt es keine, das Niveau des Dramas ist erreicht. Die täterfreie Gesellschaft erstreckt sich nicht nur auf die Gegenwart, sondern auch auf Vergangenheit und Zukunft, immer handelt es sich um ein vollständig unerklärliches Drama, selbst wenn einen Mord und Mörder förmlich anspringen.

Negationismus, d.h. Leugnung des Holocausts, und Antisemitismus schiebt der Bürgermeister im Geleitwort ihm wichtigeren Begriffen als Ergänzung nach: Partout et toujours, combattre l'ignorance et la haine, promouvoir la tolérance, affirmer la grave et simple certitude de la fraternité humaine tandis que menacent encore le négationnisme et l'antisémitisme. Immer und überall die Unkenntnis und den Haß bekämpfen, die Toleranz fördern, die ernste und einfache Bestimmtheit der menschlichen Brüderlichkeit bekräftigen, während Holocaustleugnung und Antisemitismus noch immer drohen.
  • négationisme ist dem Verbrechen, dem "Ereignis" der Judenvernichtung noch ferner als Holocaustleugnung, es findet sich keine Spur mehr davon im Begriff;
  • im Mittelpunkt steht nicht mehr die Judenfeindschaft, sondern die Fremdenfeindlichkeit;
  • Juden- und Fremdenfeindlichkeit kommen aus Unkenntnis;
  • Haß gegen Juden und Fremde, im Falle Frankreichs gegen die immigrierten Muslime, sind identisch;
  • Holocaustleugnung und Antisemitismus sind in der französischen Gesellschaft nicht virulent, sondern sie drohen;
  • der Kampf ist einer gegen sowie für abstrakte Begriffe, die Entsorgung der Wirklichkeit ist vollendet.
Anstatt dem Bertrand Delanoë oder seinem Redenschreiber den Text um die Ohren zu hauen, liefert Serge Klarsfeld ein Vorwort. Sonst wäre wohl Schluß mit der Finanzierung. Der Text zeigt, wie wenig Eindruck die Anstrengungen der Klarsfelds auf die Politik in Frankreich machen. Man liest ihn, als gäbe es den folgenden Inhalt der Broschüre mit ihren vielen Tatsachen nicht.

Das Schlußfoto zeigt Serge und Beate Klarsfeld mit zehn Freunden und einem großen Plakat Les Fils et Filles des Déportés Juifs de France vor dem Geschäftssitz der Deutschen Bahn AG, am 18. Januar 2006. Die Judenrampe und die Verantwortung der Deutschen Reichsbahn, vertreten durch ihre Nachfolgerin Deutsche Bahn AG, sind zwei Themen des Serge Klarsfeld seit 1992.

"2004-2005 überzeugte Serge Klarsfeld die Stiftung zur Erinnerung an die Shoah, die Rekonstruktion der 'Judenrampe' zu finanzieren, die Bahnrampe, an der alle deportierten Juden, von Juni 1942 bis Mai 1944, in Auschwitz-Birkenau ankamen. Am 27. Januar 2005 wurde die neue Plattform durch den französischen Präsidenten Jacques Chirac eingeweiht, liest man auf der Website der Beate Klarsfeld Foundation [nicht mehr online]. Und daß die französische Bahn SNCF, "an der vordersten Front des französischen Widerstandes", in den USA mit einer Sammelklage verfolgt und diese von Serge Klarsfeld als ungerechtfertigt und "gegen geschichtliche Richtigkeit" vor Gericht zurückgewiesen werde, steht dort ebenfalls.

Googlet man seinen Namen zusammen mit Gilad Shalit, so erhält man nur die Auskunft, daß beide doppelte Staatsbürgerschaft besitzen und für Israel Militärdienst leisten bzw. geleistet haben, Arno Klarsfeld noch dazu in den "besetzten Gebieten", was zu juristischen Diskussionen über das Recht des Gilad Shalit auf Unterstützung durch die französische Außenpolitik führt, mehr nicht. Von einer anwaltlichen Vertretung der Geisel oder sonstigem Einsatz für ihre Freilassung ist nichts zu sehen. Auch zwischen Serge Klarsfeld und Gilad Shalit gibt's keine Verbindung im Internet. Beate Klarsfeld, die nirgends als Ko-Autorin der Veröffentlichungen ihres Mannes genannt wird, kommt als Autorin von irgend welchen Stellungnahmen zur heutigen Lage nicht vor.

Drei Jahre nach dem Erscheinen der Broschüre, veröffentlicht der Conseil Représentatif des Institutions juives de France (CRIF), der Repräsentativrat der jüdischen Institutionen Frankreichs, am 5. Februar 2010, Informationen zur Lage in Frankreich. Le S.P.C.J. publie les chiffres de l’antisémitisme pour 2009 : augmentation et banalisation de l’antisémitisme [nicht mehr online]. Der Dienst zum Schutz der jüdischen Gemeinde veröffentlicht die Zahlen für den Antisemitismus 2009: Anstieg und Banalisierung des Antisemitismus. Soweit dazu, daß Holocaustleugnung und Antisemitismus drohen; menacer heißt immer, daß noch nichts geschehen ist. Die Äußerungen des Bürgermeisters sind unter dem Begriff Banalisierung zu subsumieren, von banal, alltäglich, gewöhnlich, durchschnittlich.

2009 wurden insgesamt 832 antisemitische Handlungen auf dem nationalen Territorium ins Verzeichnis aufgenommen (gegen 474 im Jahr 2008). Die in diesem Bericht übermittelten Zahlen gehen aus von der Bestandsaufnahme durch die Abteilung der Hilfe für die Opfer, die der Dienst zum Schutz der jüdischen Gemeinde regelmäßig mit dem Innenministerium abgleicht.

Das mag einen Eindruck vermitteln, welche erzieherische Wirkung auf die in Frankreich lebende Jugend die Nazi-Jägerschaft sowie die immer weiter in Einzelheiten sich verlierende Erinnerungsarbeit der Familie Klarsfeld hat. 2008 geht es soweit, daß Nicolas Sarkozy, inspiriert von den Aktivitäten des Serge Klarsfeld, vorschlägt, 10-jährigen Kindern je eines der 11 400 deportierten Kinder in Patenschaft zu übereignen. Damit sollten sie moralisch immunisiert werden gegen extreme Ideologien. Man könnte ergänzen: anderer als der des Serge Klarsfeld.

Was die gegenwärtigen Kämpfe der lebenden Juden und Israels angeht, so findet man im Internet nicht viel. Man gebe bei Google.de Beate Klarsfeld Gaza ein oder Serge Klarsfeld Lebanon, es ist alles retro. In den Google News beschuldigt man Gilbert Collard, einen dem Front National angehörenden Anwalt, die Erinnerung an die deportierten Kinder von Izieu zu instrumentalisieren, Serge Klarsfeld in den Google News weist auf seinen Sohn Arno, der unermüdlicher Nazijäger sei, und es gibt den Artikel aus unserem Provinzblatt L'Indépendant Zakhor pour la mémoire récompense ses lauréats. Zakhor für die Erinnerung belohnt ihre Preisträger.

Philippe Benguigui erklärt vor ca. 100 geladenen Gästen und Mitgliedern, wobei die meisten Abgeordneten der bevorstehenden Senatswahlen wegen aus geschuldeter Zurückhaltung (genial!) der Veranstaltung fernbleiben, die Verbindungen zwischen den Generationen aufrecht zu erhalten, um die Erinnerung an die Opfer und die Entkommenen der Shoah zu ehren, an allen institutionellen und Vereinsprojekten teilzunehmen, sie zu initiieren und zu unterstützen, um die Errichtung eines Museums in der Zone libre, der von den Deutschen nicht besetzten Zone, zu erreichen, besonders im Camp Joffre von Rivesaltes. Dies ist ein Projekt, das schon unmittelbar vor der Realisierung steht, als ich 2002 in diese Gegend ziehe.

Geehrt werden nach musikalischer Einführung, darunter die Marseillaise, die Filmschaffende Rose Bosch in Abwesenheit mit dem Ehrenpreis für ihren Film über La Rafle [du Vel d'hiv], den Abtransport aus dem Winter-Radrennstadion, am 16. Juli 1942, um 4 Uhr früh, von 13 000 Juden. Den Preis nimmt der Vater des Vorsitzenden der UMP Jean-François Copé entgegen. Weitere Preisträger sind der 1924 in Österreich geborene Zeitzeuge Paul Schaffer sel.A., Ehrenpräsident des französischen Komitees für Yad Vashem, der als Zakhor Botschafter gelistete Jean-Pierre Virgil, ein Sänger, dessen sich Michel Sardou in den 80er Jahren sieben Jahre lang bedient hat, ihn zu doublen, der Schriftsteller Jacques Cukier, eben der einzige aschkenasische Jude im Exekutivbüro von Zakhor. Der Generalkonsul Israels für Marseille Barnea Hassid beehrt Zakhor mit seiner Anwesenheit, er eilt von retro zu retro, in Pau wird am selben Tag posthum Marie Bébiot geehrt, eine "Gerechte unter den Völkern".

Es gibt unter dem Namen Beate und Serge Klarsfeld auch bei den Google-Aktualitäten nur retro. Anders für den telegenen 46-jährigen Sohn Arno Klarsfeld, den ehemaligen Lebensgefährten der Präsidentengattin Carla Bruni. Er ist soeben durch präsidentielles Dekret zum Präsidenten des französischen Amtes für Immigration und Integration (OFII) ernannt worden: Arno Klarsfeld, un avocat médiatique à la tête de l'Office de l'immigration. "Die Vorbildlichkeit eines dreckigen Staates", überschreibt die Zeitschrift Marianne einen Artikel [nicht mehr online], in dem er gemeinsam mit Dominique de Villepin, Robert Bourgi u.a. abgehakt wird. La France, République bananière.

Zakhor. Erinnere dich, wenn's dann demnächst wieder soweit ist! Und was die Juden und Israel angeht: Wer solche Freunde hat, der bedarf keiner Feinde mehr!