2. Juli 2016

Le Figaro. Statt Berichterstattung Meinung aus Wien

Foto: Georg Hochmuth/AFP/Getty Images

Vielleicht schämt sich die Redaktion des Figaro so sehr, daß sie den Artikel ihrer Wien-Korrespondentin Myriam Detruy nicht ins Internet stellt. Die Überschrift des Textes lautet neutral, und man erwartet nun den Bericht: Un troisième tour pour la présidentielle en Autriche. Eine dritte Runde für die Präsidentschaftswahlen in Österreich.

Stattdessen geht es um den "Sieger, den Umweltschützer Alexander Van der Bellen" einerseits, und den "Kandidaten der extremen Rechten" andererseits. Das Verfassungsgericht aber hat eben erklärt, daß es nicht feststeht, wer der Sieger ist, und darum angeordnet, daß nicht nur in den eindeutig der Unregelmäßigkeiten überführten Bezirken, sondern in ganz Österreich nachgewählt werden muß, dies auch schon der Brexit-Entscheidung in Großbritannien wegen, da die Nachwahl von dem Ergebnis beeinflußt werden könnte.

#6 Video zur Pressekonferenz mit Karl-Heinz Strache, 1. Juli 2016, ab 15 Uhr

Nun zeigt die Korrespondentin, wie ungeheuerlich sie es findet, daß die FPÖ, die Partei des Norbert Hofer, die Wahl anficht: "Obgleich die Vertreter jeder Partei die Protokolle der Stimmauszählung in jedem einzelnen der Distrikte unterschrieben haben, hat die FPÖ eine juristische Schwachstelle, une faille juridique, genutzt, um die Wahlergebnisse in Frage zu stellen."

"Das Verfassungsgericht ist jedoch zu dem Beschluß gekommen, daß es keinen einzigen Nachweis der Manipulation der Wahl gegeben hat."

Da kann sowohl das Gericht als auch der Anwalt der FPÖ in der Pressekonferenz zur Wahlaufhebung erklären, daß schon aus Termingründen - die FPÖ hatte sieben Tage Zeit für die Klage - Manipulationsvorwürfe nicht Gegenstand des Verfahrens waren, sondern nur die Möglichkeit dazu, die Korrespondentin weiß es besser: Das Gericht habe keine Manipulationen festgestellt.

Ein Beispiel führt sie an: Es seien in einigen Fällen, je nach der Schließung der Wahllokale, Ergebnisse schon am Wahltag, ab 13 Uhr, veröffentlicht worden, was die Wahlentscheidung anderer Wähler hätte beeinflussen können.

Für die Korrespondentin steht bereits fest, wer der zukünftige Bundespräsident ist: Alexander Van der Bellen, "der nämlich seine [sic!] Funktionen nicht am 8. Juli aufnimmt." Es geht aber um die Aufnahme der [!] Funktionen des Bundespräsidenten, und offen ist, wer von den beiden sie ausüben wird.

Nun kommt die Korrespondentin zu der Ungeheuerlichkeit, daß in dem aus den drei im Parlament vertretenenen Parteien SPÖ, ÖVP und FPÖ bestehenden Triumvirat, das die Geschäfte des Bundespräsidenten bis zur für den Herbst anstehenden Entscheidung wahrnimmt, Norbert Hofer das FPÖ-Mitglied ist:

"Er wünscht nicht, ersetzt zu werden während des Wahlkampfs, ... er hat angekündigt, einen klaren Unterschied zu machen zwischen seinen Pflichten als Kandidat und als Interimspräsident."

Man darf darauf warten, daß bei den nächsten Wahlen in Frankreich, sollte er denn wieder anzutreten wagen, François Hollande seine Amtsgeschäfte ruhen läßt, um eine objektive Entscheidung der Franzosen möglich zu machen. Ich sage voraus, daß es kaum einem auffallen würde, oder vielleicht fiele es für den Parti Socialiste sogar positiv ins Gewicht: eine Weile weniger Dummheiten!

Auch die CDU wäre gut beraten, Angela Merkel für die Zeit des nächsten Wahlkampfes aus dem Verkehr zu ziehen, am besten auf nimmer Wiedersehen. Das könnte der CDU neuen Aufwind bringen.

Zum Schluß bekommen die Leser von Myriam Detruy noch eine Dröhnung, um wen es sich bei Norbert Hofer handelt: Er hätte "nationalistische, euroskeptische und anti-Immigrationsreden" gehalten. Das hätte dahin geführt, daß er die ländlichen Gebiete und das einfache Volk, les campagnes et les couches populaires, für sich eingenommen hätte, "während die Städte und die Intellektuellen" mehrheitlich ihre Stimme dem Alexander Van der Bellen gegeben hätten.

So viele Intellektuelle hat Österreich zu bieten? Warum merkt man nicht viel davon?