31. März 2011

Krimi-Misere. Fakten, Fakten, Häuserkampf um die Blume des Bösen


Die öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ihre Regionalsender entblöden sich nicht, immer&immer&immer wieder dieselben ausgeleierten Tatorte zu senden. Am 31. März und am 1. April 2011 sind's Fakten, Fakten und Häuserkampf. Den Thiel/Boerne gibt's seit dem 1. Dezember 2002 zum elften und den Cenk Batu seit dem 13. April 2009 zum vierten Mal. Wie schön, daß ich solches im Tatort-Fundus nachlese, dann kann ich meine Wut besser rationalisieren und muß nicht schreiben: Ach, diesen langweiligen Häuserkampf zeigen sie zum gefühlten 36 419. Mal.

Sind die "Fakten" sowie der Aprilscherz unbeachtet an mir vorübergegangen, darf ich mich am nächsten Abend darüber ärgern, daß einmal mehr nicht, wie lange gehofft, ein alter Tatort gesendet wird, sondern zum fünften Mal seit dem 1. Januar 2007 Schenk/Ballauf mit der Blume des Bösen, diesem exemplarischen Beispiel des Tatort-Autismus. Im Artikel Deutsche Krimis - eine Gesellschaft kreist um sich selbst habe ich dazu Stellung genommen.


Die Krimis in ARD und ZDF sind ein Spiegelbild der Zeit, die sich dadurch auszeichnet, daß der Gegensatz zwischen Tätern, Opfern, Zeugen und dem Ermittlerpersonal aufgehoben wird. Wer als ausgeraubtes Opfer in die Gerichtsverhandlung geht, kommt sehr zur Freude der MSM als besserwisserischer Rentner, der selbst schuld ist, wieder heraus, wer als Polizist im Dienst seine Arbeit tut, findet sich bald auf der Anklagebank, und ein Schwarm von Zeugen, die einander vorher ganz bestimmt nicht bekannt sind, sagen gegen den Angeklagten aus.


Die Relativierung aller Werte unserer Gesellschaft führt in den Krimis dazu, daß jeder einmal dran ist als Täter, Opfer, Zeuge, Kommissar, Richter, Staatsanwalt. Täter wissen nicht mehr, was an ihren Aktivitäten gesetzwidrig sein sollte, im Grunde gar nichts, sind sie doch Opfer, meist der gesellschaftlichen Verhältnisse, manchmal auch ihres jähzornigen Vaters, der seinerseits Opfer der gesellschaftlichen Verhältnisse ist. Kommissare geraten ins Schleudern, gegen wen oder was sie ermitteln sollen.


Die Zeiten, da in Krimis die Täter so richtig satt gegen Gesetze verstoßen, die aber ihnen, den Ermittlern und den Krimi-Zuschauern bewußt sind, diese Zeiten sind in den öffentlich-rechtlichen Anstalten vorbei. Dort herrscht Bewußtlosigkeit.


Der letzte Tatort, Im Netz der Lügen, macht sich an die Position der Richterin. Ich habe ihn mir nicht angetan und weiß somit nicht, ob sie Täterin war, die "sehr strickte, unabhängige und rationale Richterin Heike Göttler aus Konstanz", Opfer oder Zeugin, ob sie gar in ihrem eigenen Fall als Richterin urteilen darf. Das wäre der nächste Schritt, und vielleicht gelingt es einem dem Zeitgeist verpflichteten Drehbuchautor bald, einen Krimi zu kreieren, in dem alle Mitwirkenden alles gleichzeitig oder nach&nach sind: Täter, Opfer, Zeuge, Kommissar, Gerichtsmediziner, Richter, Staatsanwalt.


Ich verspreche, daß ich mir einen solchen Tatort bestimmt ansehen werde.