Nachtrag, vom 25. Oktober 2011: An der Figur des Polizisten Michi Mohr kratzen sie jetzt auch schon. Er hat angeblich im Wirtshaus randaliert, dann aber doch nicht, alles war 'ne Intrige, die Rache eines Journalisten an einem kleinen Beamten.
In Folge 219 der Staffel 11 der Serie Die Rosenheim Cops beginnt das ZDF nach vielen Krimis, nach Sokos, Freitags- und Samstagskrimis, auch die Rosenheim-Cops zu erledigen. Was dort sowie in zahlreichen Krimis der ARD-Tatortserie zu beobachten ist, und wovon einige Artikel auf meiner alten Website handeln, das ist die Aufweichung der Grenzen zwischen Opfern, Tätern und Ermittlern. Der Zeitgeist bemächtigt sich einer der letzten bayerischen Bastionen. Was im wirklich wahren Leben, wie Olli Ditsche sagen würde, gang&gäbe, nämlich daß Täter zu Opfern und Opfer völlig bedeutungslos, wenn nicht gar zu Tätern erklärt werden, das spiegelt sich in den Krimis der Anstalten wider. Die Ermittler, in echten Krimis früherer Zeiten wichtige Personen, bis auf ganz seltene Ausnahmen integre Gesetzesvertreter und durchaus in der Lage, einen Verbrecher mit gezieltem Schuß ins Bein kampfunfähig zu machen, verblassen zunehmend. "Waffe weg!" ist alles, was sie noch hervorbringen. Recht durchzusetzen, den Familien der ermordeten Opfer Genugtuung zu verschaffen, das ist nicht mehr sexy, da Recht nicht mehr deutlich auszumachen ist, wir sind ja alle irgendwo Täter und Opfer, einen Unterschied zwischen Gut und Böse kann man kaum noch feststellen, Menschen sind Produkte der gesellschaftlichen Verhältnisse, die werden bestimmt durch die Pharmaindustrie, durch skrupellose Immobilienhaie und Investmentbanker, und so müssen die Ermittler aufgewertet werden zu Tätern oder Opfern, das Gewicht verschiebt sich.
Bei den Rosenheim-Cops gestaltet sich das schwierig, da das Team, in wechselnden Besetzungen seit 2002, einzigartig in seiner Zusammensetzung, vom Kommissar und Teilzeitbauern Korbinian Hofer alias Joseph Hannesschläger bis zu Ignaz „Jo“ Caspar alias Christian K. Schaeffer, dem Wirt des Bistros "Times Square", liebevoll mit Witz und Humor gezeichnet, nicht täter- oder opferkompatibel ist, und so können die Drehbuchautoren allenfalls irgendwo zu knabbern anfangen. Das tun sie bei der neugierigen, schnippischen Sekretärin Miriam Stockl, sie wird als erste demontiert. Wie ich die deutschen Anstalten inzwischen kenne, kommen die anderen auch noch dran. Wiki beschreibt die Figur der Mariam Stockl so: "Ebenfalls seit Folge 1 dabei ist die gute Seele des Büros, Sekretärin Miriam Stockl (Marisa Burger), die meist nur Zeitung liest, Tratsch weiterleitet oder sich in die Ermittlungen einmischt. Frau Stockl neigt zu cholerischen Temperamentsausbrüchen, vor denen die Kommissare meist nur noch die Flucht ergreifen können. Vom Büro aus leistet sie allerdings dennoch wertvolle Ermittlungsarbeit, wenn es etwa darum geht, Informationen per Telefon oder Internet einzuholen. Außerdem muss sie häufig Extra-Arbeiten für den jeweiligen Polizeidirektor übernehmen."
Das ist eine treffende Schilderung, die man nun aber ändern sollte, weil sie nicht mehr zutrifft.
Der Fall Stockl: "Als Sekretärin Miriam Stockl abends von ihrer Geburtstagsparty nach Hause kommt, macht sie eine grausame Entdeckung: Vor ihrer Wohnungstür liegt ein Toter, und sie kennt den Mann. Es ist Manu Schramm. Noch am Tatort gibt Pathologin Dr. Eckstein bekannt, dass der Tote über einen längeren Zeitraum mit Arsen vergiftet wurde. ... Dass dies die Gerüchteküche im Kommissariat kräftig anheizt, ist der Sekretärin höchst unangenehm, steht sie doch jetzt selbst im Mittelpunkt der Spekulationen," heißt es in der Inhaltsangabe von Moderatorin Irene auf dem Fan-Forum zur ZDF Serie, und schon geht's los mit der Demontage der Figur der Miriam Stockl. Ist sie bislang der gute Geist des Teams, vom Kaffeekochen bis zum Ermittlungseinsatz bei Bedarf, wird sie nun zu einem verschreckten Frollein, das einem Heiratsschwindler aufgesessen ist, was sie Korbinians Schwester Marie aufgeregt nach einer geraumen Zeit eingesteht, und Zwanzigtausend Euro ihres Ersparten hat sie dem auch noch überlassen. Zu verdanken haben die Zuschauer das den Berliner Drehbuchautorinnen Bettina Börgerding und Aje Brücken, letztere auch tätig für die Küstenwache, sowie dem Regisseur Jörg Schneider, er immerhin aus München.
Im Unterschied beispielsweise zum Krimi Inspector Barnaby, in dem die Ermittler und ihre Familien nicht ins Verbrechen involviert werden, außer daß sie vielleicht eines der Opfer oder den später entlarvten Täter aus dem Dorf schon einmal gesehen und gesprochen haben, und die Spannung der Handlung erzeugt wird dadurch, daß in der idyllischen Grafschaft Midsomer ständig neue Leichen anfallen - da müßte der Friedhof schon wegen Überfüllung geschlossen sein, zersetzen die Drehbuchautoren der deutschen Krimis den Kern der Serie dadurch, daß sie die Gesetzeshüter zu Opfern oder Tätern machen, in diesem Fall die Frau Stockl, die nun dasteht als dumme Tussi, so entsprechend zurechtgemacht von der Maske, was die Figur bislang nicht hergibt. Miriam Stockl sollte sich versetzen lassen, mit einer solchen Peinlichkeit kann sie nie wieder als die auftreten, die sie vorher gewesen ist. Wie ich aber die Redaktion des ZDF und die Drehbuchautoren und Regisseure der Serie einschätze, merken die gar nicht, welche Schande sie der Figur angetan haben, und in der nächsten Folge ist alles vergessen.
Krimi-Serien kreisen wie alle Serien um einen ruhenden Pol, das Zentrum des Koordinatensystems, in Sturm der Liebe sind es die Ehepaare Saalfeld und Sonnbichler, in den Krimis sind's die sich immer treubleibenden Figuren der Ermittler. Die anderen Personen ziehen um sie herum ihre Bahnen. Ein Blick in die Schilderung der Rollen bei Wiki zeigt, daß die Figuren der Rosenheim-Cops sich im Laufe der Folgen entwickeln, es ist nicht wie bei Inspector Barnaby, wo die Ausgangslage immer gleich ist, außer daß sein Sergeant wechselt. Die Rosenheim-Cops sind eine bayerische Kollegenfamlie, hin&wieder mit 'nem Tupfer aus dem Norden verschönt, strafversetzt aus Göttingen und erst allmählich merkend, welch ein Glück das ist.
Diese bayerische Burg belagern nun inkompetente Drehbuchautoren, denen nichts anderes einfällt, als sich am Ermittlerteam zu vergreifen. Dafür bezahlen die deutschen Fernsehzuschauer 7 Milliarden Euro/Jahr. Wenn's so weitergeht, schaffe ich auch diese Serie ab.