15. Mai 2025

Israel einer Anfängerin [12]: Dieses Jahr in Jerusalem!


Uli Sahm hat mir angeboten, daß ich während meines Aufenthalts bei ihm wohne, und so eile ich mit allem Gepäck aus dem Bus ins nächste Taxi Richtung Ma'alot Moriah und Armon Hanatziv. Von Ma'alot-Tarshiha über Kfar Saba nach Ma'alot Moriah, nicht zu verwechseln mit Mount Moriah, dem Tempelberg. Ich suche in meinem Taschenwörterbuch germanî-ivrî. Ma'alot heißt Anhöhe, Steigung, oder heißt es vielleicht Fahrstuhl? Diese Angebote finde ich mit Mühe im Wörterbuch. Wer eine bessere Übersetzung kennt, melde sich.

Bei Uli empfangen mich außer dem Hausherrn die Labradorhunde Daisy und Mephisto, eine Katze sowie ein Hamburger Ehepaar, das soeben zu einem Besuch in Jerusalem angekommen ist. Ein zusätzlicher Stuhl wird in Ulis Arbeitszimmer geholt, und die Gespräche bei tonlos laufenden israelischen und deutschen Fernsehprogrammen gehen weiter. Es ist erholsam, unter nicht-jüdischen Deutschen zu sein, die Freunde Israels sind. Das gibt's in Europa nicht häufig, weder in Deutschland noch in Frankreich. 

Uli ist seit 1975 Nahost-Korrespondent für deutsche Medien mit Sitz in Jerusalem; verheiratet ist er mit der Fotografin und Video-Künstlerin Varda Polak-Sahm (9. September 1953 - 6. Juli 2023).

Uli hat drei immer undankbarer werdende, mit den Füßen scharrende Menschen um sich geschart, die nicht mehr über die Politik Israels diskutieren, sondern nur noch ins nächste Restaurant eilen wollen: Hunger! Aber so einfach geht das nicht, denn plötzlich kommt noch ein Gast, Johannes Gerloff, Israel-Korrespondent des Christlichen Medienverbundes KEP.

Es gibt Neuigkeiten. Johannes will 500 Euro verdienen und drängt zum Aufbruch. Wohin? Zur Klagemauer. Das Honorar wird demjenigen versprochen, der an der Klagemauer das Foto des Helden von Dresden findet und ablichtet. Wer erinnert sich noch? Dank Lizas Welt und anderer Medien ist die Geschichte des Johannes H. Lohmeyer dokumentiert, der die NPD-Funktionäre Holger Apfel und Alexander Delle wieder los wird, die übers Internet Zimmer im Hotel Holiday Inn gebucht, bezahlt und somit ein Recht darauf haben, dort zu logieren.

Der Hotelier erklärt den beiden unerwünschten Gästen gegenüber schriftlich sein Erstaunen, daß sie ausgerechnet ein amerikanisches Hotelunternehmen mit ausländisch klingendem Namen bevorzugen. Wenn sie nicht auf die Reservierung verzichteten, dann würden alle ihre Umsätze, die ihr Aufenthalt mit sich brächte, der Dresdner Synagoge gespendet: Betrachten Sie dies als kleinen Beitrag zur Wiedergutmachung für die Schäden, die Ihre damaligen Gesinnungsgenossen der Synagoge und vor allem ihren früheren Besuchern zugefügt haben. Er teilt ihnen mit, daß die Dresdner Presse über seinen Brief informiert werde. Der Hotelier verweist auf eine gewisse Ethik, die Unternehmen haben sollten. Die NPD-Funktionäre treten daraufhin vom Vertrag zurück und logieren woanders. 

Die Geschichte des Hoteliers dringt bis nach Israel, wo gläubige Juden als Dank für ihn ein Gebetszettelchen in eine Ritze der Klagemauer stopfen. Wer auf die Idee kommt, da könne ein Foto von Johannes H. Lohmeyer hängen! Ich habe schon so viele Fotos, Videos und Filme von der Klagemauer gesehen, da hängen keine Fotos herum. Ich habe dann auch gleich einen Vorschlag: wir kopieren das Foto aus Lizas Artikel, nehmen es mit zur Mauer, heften es für ein 500 Euro-Foto mal eben an: knips! nehmen es wieder ab, und weiter geht's zum Essen. Diese Art von Dokumentation, genannt Fauxtography, habe ich von der Nachrichtenagentur ar-Reuters und ihrem libanesischen Starfotografen Adnan Hajj gelernt, wenn das keine Lehrmeister sind! 

ar-Reuters ist gezwungen, über 900 von Adnan Hajj aufgenommene Bilder zurückzuziehen, nachdem Charles Johnson vom Blog „Little Green Footballs“ aufgedeckt hatte, daß der Fotograf der Nachrichtenagentur seine Aufnahmen vom Krieg zwischen Israel und der Hezbollah manipuliert hat.

«A Concise History of the Fauxtography Blogstorm in the 2006 Lebanon War». 
By Stephen D. Cooper, Marshall University. Research Gate, June 2007

Bei einem von Adnan Hajj zum von der Hezbollah abgeschossenen israelischen Jet geadelten brennenden Haufen handelt es sich um Autoreifen, die bei Vorbereitungen zu ihren Angriffen auf Israel auf einer Mülldeponie in Brand gerieten. Irgendwie muß man doch von der Rinnsteinpresse in die Höhen der MSM aufsteigen, und das geht so am besten.

Da hätte man das Gezeter von Uli und Johannes hören sollen! Nun wüßten sie, wie ich meine Artikel recherchiere und schreibe, ja, ja ...

Wir machen uns auf den Weg zur Klagemauer, zwei ehrbare Journalisten mit Ethik, eine wilde Bloggerin ohne jede Moral und ein Ehepaar aus Hamburg - alle hungrig. Johannes verspricht, daß wir anschließend essen. Wer's glaubt!

Uli steuert sein VW-Vehikel abwärts in eine wilde Gegend, in das Höllental, in das Tal von Gehinom oder Ben Hinnom, einst Besitz von Hinnoms Sohn. So klein waren Königreiche früher, meint Uli. Was, noch kleiner als Israel?

Die vierundzwanzig Bücher der Heiligen Schrift. Übersetzung von Arnheim, Sachs, Fürst und Zunz. Victor Goldschmidt Verlag, Basel 1995, S. 205 und 404. Internet Archive

Das Tal kommt bereits beim Propheten Josua vor, im Kapitel 15:8. Josua wird im Jahr 2413/1575 v.d.Z. geboren: Und die Grenze ging nach dem Tale Ben Hinnom nach dem mittäglichen Rücken des Jebusi, das ist Jeruschalajim, und die Grenze zog hinauf nach der Spitze des Berges, welcher vor dem Tale Hinnom zur Abendseite, welches am Rande des Tales Refaim zur Mitternachtseite. Der Prophet Jeremia, 3361/627 v.d.Z., verkündet in Kapitel 19:2 und 19:3: Und gehe hinaus in das Tal Ben Hinnom, das am Eingange des Tores Charßit ist, und rufe dort die Worte, die ich zu dir reden werde. Und sprich: höret das Wort des Ewigen, Könige von Jehudah und Bewohner Jeruschalajim's: So spricht der Ewige der Heerscharen, Gott Israël's: Siehe ich werde Unglück bringen über diesen Ort, daß jedem, der es hört, die Ohren gellen werden.

Alles klar? Durch dieses Tal fahren die Journalisten und ihr Anhang auf der Suche nach dem Foto des Helden von Dresden. Daraus kann ja nichts werden! Und richtig. Johannes verschwindet, Uli geht mit dem Herrn aus Hamburg beiseite und wir beiden Frauen dürfen uns zum Damenteil der Klagemauer begeben. Nicht nur, daß sie in den größeren Bereich der Klagemauer keine Bischöfe mit sichtbar umgehängten Kreuzen einlassen, nein, auch Frauen müssen in eine separate Ecke. Das erinnert mich an die paar Male, in denen ich mich zum Gottesdienst in Synagogen begeben habe. Die Krönung ist die in der Berliner Joachimstalerstraße. Ich weiß nicht, wie's heute ist, aber so vor zehn Jahren habe ich in dem für Frauen abgetrennten hinteren Teil Platz nehmen dürfen. Ein Gitter trennt diesen Teil von dem vorderen für die Männer. Aber nicht genug damit, der Teil ist zusätzlich mit Kaninchendraht gesichert, wobei nicht klar ist, ob die Frauen oder die Männer als Karnickel angesehen werden - die Männer vielleicht als Rammler?

Johannes kommt nach langem Herumgewusele ohne das Foto vom Helden Dresdens zurück, Uli zeigt uns noch den "Ort des Trompeters" ... Das ist die Stelle, wo Jesus gemäß der Überlieferung vom Teufel aufgefordert wurde, sich herabzustürzen „wenn du der Messias bist“. Die Geschichte schildert er im Buch Vom Brot allein. Jerusalem - Kreuzung von Symbolen, das er und Varda gemeinsam verfaßt haben: 


Im Jahre 70 zerstörten die Römer den Tempel. Sie raubten die Bundeslade und die Tempelgeräte. Das Haus Gottes wurde geschleift. Die Zinne an der Südwestecke der Einfriedung des Tempelberges, auf der der Trompeter den Messias verkünden sollte, und wo der Teufel Jesus versuchte, wurde von Archäologen auf der am Tempel entlang führenden herodianischen Straße entdeckt. Der Stein trägt die hebräische Inschrift: „Der Ort des Trompeters". ... An diesem Ort verkündete der Priester mit einem Stoß ins Widderhorn die Ankunft des Sabbat. Heute erfüllen Sirenen diese Funktion.

Wir sind beeindruckt von so viel Geschichte. Dann gehen wir endlich Essen und trinken ein kühles koscheres israelisches Goldstar dazu. Es macht garantiert keine Kopfschmerzen. Wir setzen das Hamburger Ehepaar im Hotel YMCA Three Arches ab und nehmen zu Hause noch ein Gläschen Roten. Danach schlafe ich tief und fest.

Am nächsten Morgen, es ist der 8. November 2007, will ich Jerusalem entdecken. Es gibt Menschen, die in Begeisterungtaumel verfallen, wie Paul Badde, und es gibt solche, die der Stadt in Liebe zugetan sind, wie Rabbi Adin Steinsaltz. Wie wird es wohl mir ergehen?

20. Dezember 2007 - Verbesserungen und Ergänzungen, 15. Mai 2025

Uli und Varda, danke für alles! Mögen Eure Seelen in Frieden ruhen ! שתנוח נשמותיך בשלום

Bisher erschienen:

Israel einer Anfängerin: Episodio de la Historia. 17. November 2007
Israel einer Anfängerin [2]: Von Barcelona nach Tel Aviv, 20. November 2007
Israel einer Anfängerin [3]: Tel Aviv-Yafo, 24. November 2007
Israel einer Anfängerin [4]: Tel Aviv, 25. November 2007
Israel einer Anfängerin [5]: Neve Tsedek - Rehovot. 26. November 2007
Israel einer Anfängerin [6]: Kfar Saba. 3. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [7]: Maalot-Tarshiha. 7.Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [8]: Maalot-Tarshiha in Perpignan. 9. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [9]: Shlomo Bohbot, Maalot und Tarshiha. 13. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [10]: Rückkehr nach Kfar Saba. 15. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [11]: Auf dem Weg nach Jerusalem. 18. Dezember 2007/16. Januar 2008
Israel einer Anfängerin [12]: Dieses Jahr in Jerusalem! 20. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [13]: Ein Tag in Jerusalem. 26. Dezember 2007