28. Juni 2025

Israel einer Anfängerin [18]: La flaneuse - Promenade in Tel Aviv


Meine Crocs Cayman Model Coral, wo sind sie? Ich mache mich auf den Weg, vom Trumpeldor-Friedhof über die Rehov Pinsker irgendwo Richtung City Hall. Unterwegs wird sich schon ein Laden finden, der den elastischen Plaste führt.

Die Rehov Pinsker ist benannt nach dem im Jahr 1821 in Polen geborenen zionistischen Pionier Leon Pinsker, einem der ersten Juden, die zum Studium an der Universität von Odessa zugelassen werden.

Autoemanzipation : Mahnruf an seine Stammesgenossen von einem russischen Juden 
Leo Pinsker. Mit einem Vorw. v. M. T. Schnirer, Brünn 1903. Universität Potsdam

Er studiert erst Jura, wechselt dann aber zur Medizin, weil es wenig Chancen für ihn gibt, Anwalt zu werden. Er ist ein Verfechter der Assimilierung der Juden, sie sollten neben jiddisch auch russisch sprechen, aber der von der Regierung geförderte Antisemitismus und die großen Pogrome in Odessa und im Süden Rußlands, 1871 und 1881, bringen Leon Pinsker zur Überzeugung, daß Humanismus den Judenhaß nicht wird bezwingen können, Juden würden immer als Fremde angesehen, sie könnten sich in keinem Land assimilieren, und sie sollten besser nach Eretz Israel emigrieren. 1882 veröffentlicht er das Buch Autoemancipation, eine Analyse der Wurzeln des Antisemitismus und den Aufruf zur Schaffung einer jüdischen Heimat, in Palästina oder sonst wo. 1891 werden die Juden aus Moskau vertrieben. Leon Pinsker stirbt im selben Jahr, pessimistisch, ob es jemals möglich sein werde, in Eretz Israel eine Heimat aufzubauen. Begraben ist Leon Pinsker seit 1934 auf dem Mount Scopus, in Jerusalem.

An dieser Stelle empfehle ich noch einmal die wunderbare von CD Baby vertriebene CD Treasure of Jewish Culture in Ukraine, mit Aufnahmen der Kiev Collection of Songs and Folksongs und einer Kurtsen bagrisung dem yidishn etnografishn muzey durch Sholem Aleichem. Die CD ist der Höhepunkt der jahrelangen Arbeit sowohl der Ethnologen und Musikwissenschaftler als auch der Toningenieure der Vernadsky National Library, Kiew.

Treasure of Jewish Culture in Ukraine. Institute for Information Recording and Vernadsky National Library, 1997

An-ski Ethnographic Expedition and Museum, by Benyamin Lukin. 
Translated from Russian by I. Michael Aronson. The YIVO Encyclopedia of Jews in Eastern Europe

"dos iz mayn ershte mol in ayer eydishn muzey" דאָס איז מײַן ערשטע מאָל אין אײַער ייִדישן מוזיי

"Ich bin zum ersten Mal in Ihrem Jüdischen Museum", sagt Sholom-Aleichem in Jiddisch als Grußwort (1:44') zur Eröffnung des Jüdischen historisch-ethnographischen Museum von Sankt Petersburg, im Mai 1914. "Mir wurden Dinge gezeigt, die mich an meine glückliche Jugend erinnerten, die ich in dem einst glücklichen Dorf Kasrylovka verbrachte. Ich bereue nicht, hierher gekommen zu sein. Ich verlasse diesen Ort mit den besten Hoffnungen. Ich würde wünschen, daß jeder Jude dieses Museum besucht, wenn bessere und fröhlichere Tage für die Juden dieses Landes kämen, wenn dieses Museum sich vergrößerte, blühte und sich in ein echt jüdisches, reiches Museum verwandelte."

Ich schlendere gemächlich durch die Stadt und halte Ausschau nach Schuhgeschäften. Nebenbei kaufe ich in einem kleinen Juweliergeschäft eine neue Kette für mein Davidsternchen; die alte Kette hat drei Tage gehalten. Um nicht die Orientierung zu verlieren, schaue ich an den Kreuzungen auf die Straßennamen, und dabei fällt mir auf, daß die Stadtverwaltung in Tel Aviv nicht intelligenter ist als alle anderen der Welt; denn sie bringt die Straßenschilder an den Masten auf gleicher Höhe an, so daß das Schild der Straße, auf der man geht oder fährt, das der kreuzenden verdeckt, und man ganz nahe herangehen oder -fahren muß, um lesen zu können, wie die Straße heißt. Fußgängern ist das nur ein einfacher Ärger, aber Autofahrer sind immer ganz begeistert, wenn sie den Namen der Straße, in die sie einbiegen wollen, lesen, wenn sie gerade daran vorbeifahren.

Solche Gemeinheit wird nur überboten von Richtungsschildern im Fernverkehr; sie werden weltweit von Leuten angebracht, die keine Schilder brauchen, weil sie sich in der Gegend auskennen wie in ihrer Westentasche. Auf die Idee, daß Schilder angebracht werden von einem Team, das zusammengesetzt ist aus Leuten, die sich auskennen und solchen, die noch nie in der Gegend waren, letztere dann befragt werden, ob sie an diesem Schild wüßten, wo sie abbiegen müßten, um in die Stadt ihrer Wünsche zu gelangen, auf solche Idee scheint niemand zu kommen.

Man sieht, meine Stimmung ist weiterhin auf Friedhofsniveau; denn auch mit den Schuhgeschäften in Tel Aviv steht's nicht zum Besten. Es gibt ihrer jede Menge; sie sind eingeteilt in solche, die
  • keine Crocs verkaufen,
  • keine Crocs Couleur Corail anbieten,
  • keine Crocs Couleur Corail meiner Größe vorrätig haben.

Irgendwo entdecke ich schließlich einen Laden, in dem es doch tatsächlich die Crocs in meiner Größe und meiner Lieblingsfarbe gibt. Zusätzlich werden Applikationen angeboten, Blumen, Mickey-Mäuse und sonstiger Schmuck, den man in den Löchern der Crocs befestigen kann. Es gibt in Tel Aviv Crocs-Träger, deren Schuhe unter dem Ballast kaum noch zu erkennen sind. Ich probiere die Schuhe an, na, ja, c'est juste, würde man auf Französisch sagen, zu Deutsch: knapp, aber ich bin froh, daß ich welche gefunden habe. Ein Blümchen in gelb und orange, Ton in Ton, kaufe ich dazu: geschmackvoll.

Kaum bin ich im Besitz der heißersehnten Schuhe, finde ich einen Schuhladen nach dem anderen, in dem mich die apfelsinenfarbenen Crocs anstrahlen, verschiedene Größen hängen, liegen, stehen nebeneinander, aber ich habe ja nun ein Paar.

Ich verrate jetzt schon, daß die Crocs mir nicht passen, auch nicht mit dünnen Strümpfen oder barfuß, so daß ich sie in Perpignan verschenke und mir im Crocs Headquarters Kansas City neue bestelle, die eine Nummer größer sind. Damit ist das Thema Crocs definitiv beendet, jedenfalls, was den Reisebericht angeht. Im Sommer werde ich mit den Schuhen Aufmerksamkeit am Mittelmeerstrand erregen oder finden, daß dort jeder zweite Crocs trägt in allen Farben und mit schönsten Applikationen - die heißen Jibbitz.

Jetzt aber geht's erst einmal mit der Beute zurück zum Hotel. Den restlichen Tag vertrödele ich hier und da in der Stadt. Unterwegs rufe ich Hanna in Kfar Saba an; denn am letzten Tag, zum krönenden Abschluß meiner Israelreise, wollen wir uns in Tel Aviv treffen. Hanna wird die Höllenhündin Nika für einen Tag in Pension geben, so daß wir an keinem Baum oder Autoreifen oder Müll-Container halten müssen; der ganze Tag wird uns gehören!

Darüber demnächst mehr ...

23. Januar 2008  - Verbesserungen und Ergänzungen, 28. Juni 2025

Bisher erschienen:

Israel einer Anfängerin: Episodio de la Historia. 17. November 2007
Israel einer Anfängerin [2]: Von Barcelona nach Tel Aviv, 20. November 2007
Israel einer Anfängerin [3]: Tel Aviv-Yafo, 24. November 2007
Israel einer Anfängerin [4]: Tel Aviv, 25. November 2007
Israel einer Anfängerin [5]: Neve Tsedek - Rehovot. 26. November 2007
Israel einer Anfängerin [6]: Kfar Saba. 3. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [7]: Maalot-Tarshiha. 7.Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [8]: Maalot-Tarshiha in Perpignan. 9. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [9]: Shlomo Bohbot, Maalot und Tarshiha. 13. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [10]: Rückkehr nach Kfar Saba. 15. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [11]: Auf dem Weg nach Jerusalem. 18. Dezember 2007/16. Januar 2008
Israel einer Anfängerin [12]: Dieses Jahr in Jerusalem! 20. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [13]: Ein Tag in Jerusalem. 26. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [14]: Nächstes Jahr in Jerusalem! 28. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [15]: Wieder in Tel Aviv. 12. Januar 2008
Israel einer Anfängerin [16]: Sabbat in Tel Aviv. 13. Januar 2008
Israel einer Anfängerin [17]: Vom Frühstück zum Friedhof. 17. Januar 2008
Israel einer Anfängerin [18]: La flaneuse - Promenade in Tel Aviv. 23. Januar 2008
Israel einer Anfängerin [19]: Schwanengesang. 26.Januar 2008