19. Januar 2014

Frankreich und das Schwarzbrot


Heute lese ich in meinem Provinzblatt L'Indépendant auf einer der den Dörfern und Städtchen im Umkreis von Perpignan gewidmeten Seiten (nicht online) unter dem Titel Voeux du maire : "Nous avons mangé notre pain noir". Neujahrswünsche des Bürgermeisters: Wir haben unser Schwarzbrot gegessen, daß der 2008 mit 60,33% der Stimmen gewählte Bürgermeister von Pia Guy Parès, Parti Socialiste / Divers Gauche (PS/DvG), den Bürgern seine Wünsche zum Neuen Jahr vorgetragen hat. Das Foto zeigt ihn und seinen Stellvertreter aus gleichem Anlaß, im Vorjahr.

500 der 8 500 Einwohner lauschen ihm und tun sich anschließend am Buffet gütlich, das auf Steuerzahlerkosten bereitgestellt  und auch von denjenigen unter den restlichen 8 000 Bürgern finanziert wird, die aus unterschiedlichen Gründen nicht teilnehmen, ob sie arbeiten müssen oder den Bürgermeister nicht ausstehen können oder beides, n'importe. Im Zeichen der im März dieses Jahres anstehenden Kommunalwahlen ist das gleichzeitig eine Wahlkampfveranstaltung. Der Bürgermeister verkündet denn auch gen Schluß seiner Rede unter großem Beifall und einigen Buh-Rufen von den hinteren Rängen, daß er sich zur Wiederwahl stelle.


Pia ist bekannt dafür, daß einige seiner Kommunalräte während der großen Überschwemmungen, am 6. März 2013, nicht anderes zu tun haben, als nach Palästina zu reisen, um den Arabern dort ihre Aufwartung und Propaganda gegen Israel zu machen. Au frais de la princesse nennt der Bürgermeister das auf der Internet-Seite Le Pianenc, und die Wirkung der Reise dévastateur, verheerend. Die seit 1828 gebräuchliche Redewendung heißt, daß die Reise bezahlt wird von einem Reichen, einem Unternehmen oder einer Verwaltung. Das kann man sich nun aussuchen, ich tippe auf die Steuerzahler, oder welches Unternehmen der Gegend interessiert sich für Investitionen in der Westbank?

Um während der Reise in Kontakt zu bleiben mit der Heimat und angeblich dortige Probleme zu lösen, gibt der Palästina-Reisende Michel Maffre, seit mehr als dreißig Jahren im PS-Politgeschäft, offiziell unterstützt von der Parteizentrale als Kandidat zu den Kommunalwahlen 2014 und scharf aufs Bürgermeisteramt, auf Kosten der Steuerzahler 514,63 € für Telefonate aus. Der Bürgermeister und die Stadtverwaltung werden derweil mit den Überschwemmungsproblemen allein fertig. Der Sumpf bleibt trotzdem: "Ensembles fidèles à Pia". Gemeinsam treu zu Pia.

Die Händel unter den Linken, zwischen dem Bürgermeister Guy Parès und seinem Stellvertreter Michel Maffre, beherrschen monatelang die Szene, aber dieses "Schwarzbrot" seit nun gegessen.


Wenn man versteht, was in Frankreich mit dem Essen von Schwarzbrot gemeint ist, kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Eine Sarah Cancun beispielsweise twittert von Verzweiflung und verletztem Stolz, ihr Twitter-Partner blanckito R Givens meint, sie müsse halt ihr Schwarzbrot essen, und erklärt ihr den Spruch: Früher hatten nur die Reichen Zugang zum Mehl und damit zum Brot. Sie antwortet: Je vois. Je veux plus manger de pain noir. Je mérite du pain blanc. Ich sehe. Ich will kein Schwarzbrot mehr essen. Ich verdiene Weißbrot.
Von wem aber wird diese Redewendung vom Ende des Schwarzbrots in die politische Diskussion gebracht? Richtig, von Flamby, dem Noch-Präsidenten Frankreichs. Der erklärt am 7. Januar 2014, im Wintergarten des Élysée-Palastes, beim traditionellen Anschneiden des Riesen-Dreikönigskuchens von 1,50m Durchmesser, der Galette des Rois, im Beisein der Noch-Ersten Dame Frankreichs Valérie Trierweiler, vor einer Versammlung von Bäckern, Konditoren und in diesen Berufen für ihr Talent ausgezeichneten Lehrlingen Frankreichs: Haben wir unser Schwarzbrot gegessen? Gelangen wir zum Weißbrot? Es liegt an uns, das bestmögliche Brot zu backen. "Est-ce que nous avons mangé notre pain noir ? Est-ce que nous arrivons au pain blanc ? A nous de faire le meilleur pain possible".


Die Metapher vom schwarzen und vom weißen Brot könnte nicht treffender die Fehleinschätzung des Staatspräsidenten François Hollande und der sozialistischen Politik Frankreichs vorführen. Auch der Bürgermeister von Pia ist fasziniert davon, und benutzt sie ebenfalls.

Es steht aber nicht an, Weißbrot und Kuchen zu essen. Es ist ein Unsinn mehr, den François Hollande von sich gibt, man sieht's schon an seiner eigenen Unförmigkeit: Je mehr Brot und Kuchen man ißt, desto mehr verbessert sich unser Gesundheitszustand, behauptet er. "Plus on mange de pain et de gâteaux, plus notre état de santé s'améliore", wobei er das Schwarzbrot in allen Variationen eigens ausnimmt und das bekannte pappeähnliche Baguette meint. Das aber ist allenfalls als nicht notwendige Beilage zu Mittag- und Abendessen geeignet, die Reste verarbeitet man zu Bruschetta.

Die Franzosen täuschen sich schon einmal im Schwarzbrot, nämlich, als Kaiser Napoléon in Deutschland das Königreich Westfalen unter der Herrschaft seines Bruders Jérôme (Weißbrotesser, rechts) errichtet, einen Modellstaat im Herzen Deutschlands. Der Staat dauert sechs Jahre, von 1807 bis 1813: Le royaume de Westphalie, Hauptstadt Kassel. Tja, hätten die Besatzer statt Weißbrot und Kuchen mehr Schwarzbrot gegessen, vor allem mehr Pumpernickel, unser westfälisches Nationalbrot, dann gäbe es das Königreich vielleicht heute noch, und Europa wäre viel Leid und Mord erspart geblieben.

Überheblichkeit kommt vor dem Fall, das gilt immer, auch für Frankreich.

Unter den napoleonischen Soldaten ist das Märchen vom Brot verbreitet, das gut ist für Pferde, und da haben sie nicht unrecht, die bekommen davon ein glänzendes Fell. Woher der Name Pumpernickel stammt, ist umstritten. Die Erklärung, von 1793, des Lexikographen Johann Christoph Adelung (1732 - 1806) scheint mir zutreffend:

Der Pumpernickel, des -s, plur. inus., eine Benennung des groben Brotes der Westphälinger, welches aus zwey Mahl geschrotenem und nicht gesiebtem Rocken, der also seine Kleye bey sich behält, bereitet wird. Indessen ist diese Benennung in Westphalen selbst nicht üblich, wo man dieses Brot grobes Brot zu nennen pflegt, sondern sie ist nur bey den Nachbarn und Ausländern im Gange. Um dieses Umstandes willen kann es seyn, daß diese Benennung einen scherzhaften Ursprung hat, und die gemeinste Meinung ist, daß sie von einem durchreisenden Franzosen herrühre, welcher in Westphalen Brot gefordert, bey dessen Erblickung aber gesagt habe, daß es bon pour Nickel sey, da denn einige hinzu setzen, daß sein Bedienter Nickel geheißen habe, andere aber unter dem Worte Nickel ein kleines Pferd verstehen, S. dieses Wort. Doch die ganze Ableitung siehet einem Mährchen sehr ähnlich ...
In Katalonien aber gibt andere Bäcker, die etwas von gutem Brot verstehen. Der Star unter ihnen ist Henri Poch, Meilleur Ouvrier de France, Bester Handwerksmeister Frankreichs, Mitglied der Ambassadeurs du Pain, der Botschafter des Brotes. Er und seine Gesellen backen seit 2007 im Couvent, Ille-sur-Têt, 24 km von Perpignan entfernt, und aus dem ganzen Roussillon pilgern die Feinschmecker zu ihm. Ich habe dort gestern ein Brot gekauft und dabei sein Angebot betrachtet. Ohne nun meinerseits überheblich zu werden, kann ich sagen, daß es das mindeste an Brotsorten aufweist, die man in Deutschland in einer guten mittleren Bäckerei findet.

Mehr Schwarzbrot, gar Pumpernickel,
täte François Hollande und seiner Linie gut.