14. Mai 2012

Frankreich. "Hollande wird nach der Wahl ein anderer sein"

Photo : Jean-Pierre Muller, AFP
Et la rose parmi les roses ne ressemble pas a une autre rose
Que d'illusions et de désillusions.

Seit dem 6. Mai 2012, als François Hollande den Sieg über Nicolas Sarkozy erringt, überschlagen sich in Frankreich die Nicht-Ereignisse. François Hollande ne donne aucun signe sur rien, er gibt zu nichts das geringste Zeichen, sagt ein Mitglied des Führungskreises um die politisch links positionierte Erste Sekretärin des Parti socialiste Martine Aubry. Seit dem Wahlabend hat sie den gewählten Präsidenten weder persönlich gesehen noch gehört. Die Schlacht um den Posten des Premierministers läuft auf Hochtouren, titelt Le Figaro, Schläge unter die Gürtellinie, Manipulationen.

Der Fraktionsvorsitzende der Nationalvesammlung und Bürgermeister von Nantes Jean-Marc Ayrault, ein Kandidat, dem die größten Chancen eingeräumt worden sind, sieht sich mit einer Affäre der Begünstigung im Amt konfrontiert. 1997 wird er verurteilt, 2007 jedoch vollständig entlastet und rehabiliert. Dennoch: Ab, und weg mit ihm! Oder?

Wenn jemand wie Thomas Schmid den WELT-Lesern vermittelt, daß François Hollande im Grunde einen ähnlichen Kurs fahren muß und wird wie Nicolas Sarkozy ihn für die nächsten fünf Jahre geplant hatte, dann kann man ihm nur empfehlen, sich nach NRW zu wenden und zu sehen, was dort demnächst abgeht. Die Wähler des größten Bundeslandes haben verständlicherweise dem eingeweichten Milchbrötchen namens Norbert Röttgen ihre Stimme verweigert, die CDU-Wähler sind zu Hause geblieben, die Franzosen aber wollen Nicolas Sarkozy nicht mehr, obgleich er mit dem abgeschobenen Noch-Minister nicht zu vergleichen ist. Er befand sich wie Angela Merkel auf verlorenem Posten. Einen Sparkurs zu fahren, das ist heuer politisch lebensgefährlich, "Geiz ist geil", das war einmal, bezog sich nur auf Privatausgaben und auf die Steuererklärung, in der man dem Staat ein Schnippchen schlägt. Im öffentlichen Leben will man in ganz Europa mehrheitlich nicht sparen, nicht nur die Griechen, Spanier und Franzosen, sondern die Deutschen ebenfalls nicht.

Die Quittung für die Schaffung von immer mehr von öffentlichen Geldern, sprich von den noch arbeitenden Bevölkerungsschichten abhängenden Empfängern staatlicher Almosen und für die jetzt auf Grund der rauen Wirklichkeit allüberall in den bürgerlichen Parteien ausbrechende Vernunft wird auch Angela Merkel bei der nächsten Wahl erhalten, die FDP auf Bundesebene ist dem bereits erlegen. Eine Regierung, deren untergeordnete, CDU-geführte Behörde durch die Zulassung der Piraten der angekündigten Gesetzlosigkeit in die Landtage verhilft, kann nicht erwarten, daß die Bevölkerung mit Argumenten zu überzeugen ist. Da wählt man doch gleich diejenigen, die schon seit Jahren dabei sind, die Gesellschaft so umzuvolken, daß sie eine dauerhafte Mehrheit für sich verbuchen: die Linken, von der SPD bis zu den Piraten, vom Parti socialiste des François Hollande bis zum Front de gauche des Jean-Luc Melenchon. Die Linkspartei in Deutschland sowie der Parti communiste français segnen ob ihrer Langweiligkeit das Zeitliche. Beide kommunistische Parteien funktionieren auf einer gewissen, aus der sozialistischen Ideologie entwickelten Rationalität, die bei den originär europäischen Wählern nicht mehr honoriert wird. Diese wenden den fortschrittlichen Errungenschaften der Technik, überhaupt jedem Fortschritt den Rücken zu, siehe als ein Beispiel die Bewegung zur Verhinderung von "Stuttgart 21". Gegen Lenin und seine "Elektrifizierung des Landes" würden diese Leser der Gartenlaube sich in einem Fackelzug zusammenrotten.

Eine andere Rationalität treibt den Islam und seine Funktionäre an. Im Unterschied zur europäischen, von nahezu allen jüdisch-christlichen Werten befreiten Gesellschaft werden die Muslime, da weder die bürgerlichen noch gar die linken Politiker dem Einhalt gebieten, ihrer auf 1400 Jahren tradierten Werten gegründeten Rationalität über die nächsten Jahrzehnte folgen, zunächst Bündnisse eingehen mit Politikern, vor allem den Linken, die ihnen trotz permanenter Bekundung der Ablehnung unserer Gesellschaftsordnung freiwillig Positionen in der Gesellschaft räumen, in den Parteien, Behörden, Organisationen, Instutionen, Medien, die Linken der 68er nannten das den "langen Marsch durch die Institutionen", dann eigene Parteien, Organisationen, Institutionen, Medien gründen und am Ende die Macht im Staate übernehmen. Die Anfänge dazu existieren in Deutschland wie in Frankreich.

Da allen Linken das Hemd näher ist als die Hose, interessieren sie sich nicht dafür, daß durch ihre Politik unsere Gesellschaft zerstört wird, sie behaupten im Gegenteil, und die große Mehrheit unter ihnen bewußt, wider besseres Wissen, sie handelten fortschrittlich, demokratisch, volksnah, ausländerfreundlich, sensibel und problembewußt. Kritiker, die hinweisen auf die Folgen einer solchen Politik, werden von Parteien, Behörden, Organisationen, Institutionen, Medien als Rassisten, Querulanten, Feinde der Demokratie, gar als Neo-Nazis ausgegrenzt.

Medienschaffende wie Thomas Schmid phantasieren sich zwecks Machtgewinn und -erhalt der Linken die Wirklichkeit zurecht, und so schreibt er davon, daß François Hollande nach der Wahl ein anderer sei, er behauptet, der sozialistische Präsident könne sich den Gegebenheiten nicht entziehen, er müsse einlenken und den Notwendigkeiten Rechnung tragen. Wie das aussieht, liest man am 14. Mai 2012, einen Tag vor seiner offiziellen Amtseinführung und vor seinem Arbeitsbesuch bei Angela Merkel in den Medien Frankreichs. Hamon : "Merkel ne peut décider seule du sort de l'Europe". Hamon: "Merkel kann nicht allein entscheiden über das Schicksal Europas". Der ehemalige Abgeordnete des Europaparlaments Benoît Hamon ist der Sprecher des Parti socialiste. Unter der Überschrift liest man in der Provinzzeitung L'Indépendant die AFP-Meldung, und Google.fr macht am Montag, den 14. Mai 2012, 22 Uhr, weitere 100 000 Angebote. Da die um den Grund der Aufregung, die vertraglich geforderten Sparmaßnahmen, gekürzte Nachricht des Indépendant nicht online ist, hier ein ähnlicher, ausführlicherer Text auf der Website des Fernsehsenders Europe1:

Der Sprecher des Parti socialiste Benoît Hamon hat am Sonntag auf [dem Staatssender] France 3 die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel barsch angegriffen, die "begreifen muß", daß sie "nicht allein über das Schicksal Europas entscheiden kann". "Man hat nicht gewählt, auf daß es eine Präsidentin der EU gäbe, die Angela Merkel heißt, und die in aller Unabhängigkeit über das Schicksal aller anderen entscheidet", hat Herr Hamon auf die Frage nach der Neuverhandlung des Europa-Paktes zur Haushaltsdisziplin erklärt, diese [Neuverhandlung] wünscht Präsident François Hollande, und dagegen ist die deutsche Kanzlerin entschieden. "Wir wollen diesen Europa-Vertrag neu verhandeln, damit die Wirtschaft durch Wachstum wieder in Gang kommt", denn "dieser Vertrag schafft Härte" und "die Sparmaßnahmen haben Griechenland zum Scheitern gebracht", während "die Krise heraufzieht in Spanien, in Portugal, überall in Europa", hat er klar dargelegt. "Man muß Schluß machen mit der Härte, das ist es, was wir Frau Merkel sagen werden", hat Benoît Hamon 48 Stunden vor dem ersten Treffen Hollande-Merkel hinzugefügt.

Le porte-parole du Parti socialiste, Benoît Hamon, s'en est vivement pris dimanche sur France 3 à la chancelière allemande Angela Merkel qui "doit comprendre" qu'elle "ne peut pas décider seule du sort de l'Europe". "On n'a pas voté pour qu'il y ait une présidente de l'UE qui s'appelle Mme Merkel et qui décide souverainement du sort de tous les autres", a déclaré M. Hamon, interrogé sur la renégociation du pacte européen de discipline budgétaire que souhaite le président François Hollande et à laquelle s'oppose fermement la chancelière allemande. "Nous voulons renégocier ce traité européen pour qu'il y ait relance de l'économie par la croissance" or "ce traité instaure l'austérité et "les politiques d'austérité ont conduit la Grèce à l'échec" tandis que "la crise se propage en Espagne, au Portugal, partout en Europe", a-t-il martelé. "Il faut en finir avec l'austérité, c'est ce que nous dirons à Mme Merkel", a ajouté Benoît Hamon, à 48 heures de la première rencontre Hollande-Merkel.

Soviel zum Thema François Hollande sei nach der Wahl ein anderer. Sein Sprecher behauptet, Griechenland sei an den Sparmaßnahmen gescheitert, die stattdessen nur die notwendige Folge davon sind, was das Land in den Ruin getrieben hat: Die jahrzehntelang betriebene Politik aller Regierungen, denen die Reichen des Landes keine Steuern oder Steuern nach der Größe ihres Swimming Pools (!) zahlen, deren Beschäftigte als Angestellte und Beamte des öffentlichen Dienstes vom Staat alimentiert werden, und von denen Tausende nie zum Dienst erscheinen, sondern einmal im Monat ihr Gehalt aufs Konto überwiesen bekommen, die ca. zehn Berufszweige haben, in denen die Rente ab 55 Jahren gilt, und von denen einige ein 13., 14. und 15. Monatsgehalt beziehen.

Am Dienstagabend wird der neue Präsident in Berlin zu einem Arbeitsessen einfliegen, dann wird er nicht anders können, als auf Neuverhandlung des von 25 der 27 EU-Mitgliedsstaaten (außer Großbritannien und Tschechien) unterzeichneten Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu drängen. Dafür haben ihn die Franzosen gewählt. Lenkt er jetzt ein, verliert er bei den Wahlen zur Nationalversammlung entscheidende Prozente an Jean-Luc Melenchon, der im Wahlbezirk Hénin-Beaumont nicht nur gegen die Vorsitzende des Front National, umbenannt in Bleu Marine, sondern auch gegen den Parti socialiste gewinnen will.

Der in Brüssel geschlossene Pakt, vom 31. Januar 2012, Treaty on Stability, Coordination and Governance in the Economic and Monetary Union, ist abgeschlossen zwischen den Regierungen der Euro-Zone, zur Wiederherstellung des Vertrauens in den Euro. Er sollte zügig und ohne längliche Debatten in den nationalen Parlamenten oder in Referenden ratifiziert werden. Bei Vorliegen der Ratifizierungen von 12 EU-Mitgliedsstaaten soll der Pakt am 1. Janaur 2013 in Kraft treten.

Dieser Pakt konterkariert alle Wahlversprechen, die der sozialistische Präsidentschaftskandidat gegeben hat. Mit oder ohne den Pakt wird er keines von ihnen halten können. Damit steht er nicht allein. Die SPD und die Grünen boxen sich schon einmal warm, um zur nächsten Bundestagswahl eben diesen Pakt zu Fall zu bringen, um ihre Wahlversprechen analog denen des Gewinners von Frankreich zu gestalten und die Wahl damit für sich zu entscheiden. Dazu muß verhindert werden, daß er von 12 Staaten ratifiziert wird. Der Protest des François Hollande kommt somit sehr gelegen, denn nur, wenn eine SPD-geführte Regierung das Füllhorn über noch mehr Bedürftige Deutschlands ausschütten und immer mehr Menschen abhängig machen kann von den Segnungen staatlicher, von den Steuerzahlern finanzierter Hilfe, ist den Linken die Mehrheit der Wählerstimmen sicher. Die frustrierte arbeitende Bevölkerung bleibt am Wahltag zu Hause. Der baden-württembergische SPD-Europa-Abgeordnete Peter Simon formuliert es so: "Das Ergebnis greift zu kurz. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt muss seinem Namen endlich gerecht werden. Derzeit liegt der Fokus völlig einseitig nur auf Stabilitätsvorschriften. Die Herausforderungen, denen sich Europa stellen muss, zeigen jedoch, dass dringend gezielte Wachstumsanreize zur Überwindung der Schuldenkrise geboten sind."

Was stört es die Linken, daß die Politik der gezielten Wachstumsanreize zur Überwindung der Schuldenkrise mit Sicherheit nicht greift. Hauptsache, die nächste Wahl wird gewonnen. Was in Frankreich erfolgreich ist, wird in Deutschland erst recht erfolgreich sein. Darum wird man in den nächsten Tagen viele Artikel in den linken Medien lesen, die dem François Hollande recht geben und "Mutti" Angela Merkel im Regen stehen lassen.

François Hollande braucht kein anderer zu werden.