7. Oktober 2011

Palästina. Auftakt zu weiteren 60 Jahren Intifada

Photo : Loic Venance/AFP

Wenn sich der Figaro-Korrespondent Georges Malbrunot, Grand Reporter, eines Ereignisses der arabischen Welt annimmt, können die Leser sicher sein, daß es nicht irgendeines ist, sondern daß seine Bedeutung hinausreicht über die Tagesaktualität. La Palestine à la manoeuvre pour entrer à l'UNESCO. Palästina im Manöver zum Eintritt in die UNESCO. Er widmet sich den Machenschaften der arabischen Staaten, Palästina durch die Hintertür in die Vereinten Nationen eintreten zu lassen.

Nachtrag, vom 27. Oktober 2011: Mahmud Abbas, the born looser! Der Westen will eine Vollmitgliedschaft "Palästinas" in der UNESCO verhindern. <Nachtrag Ende>

Am Mittwoch, den 5. Oktober 2011, dem vorletzten Tag der 187. Sitzung des Exekutivrats der UNESCO, gelingt es den arabischen Staaten, eine Empfehlung zur Aufnahme Palästinas als Vollmitglied in die Organisation durchzusetzen, une recommendation surprise. Überraschung! Jeder, der schon einmal die Sitzung eines noch so kleinen Kaninchenzüchtervereins geleitet hat, weiß, daß alle Tagesordnungspunkte vorab an den Sitzungsleiter gegeben werden müssen, der sie in die Liste aufnimmt, daß selbst nachgereichte Punkte, die unter "Verschiedenes" kommen sollen, spätestens unmittelbar vor der Sitzung zu beantragen sind. Die Aufnahme eines nichtexistierenden Staates Palästina als Vollmitglied ist keine Nebensächlichkeit unter "Verschiedenes".

Die UNESCO aber ist nicht einmal ein Kaninchenzüchterverein. Die Einladung der Sitzungsleiterin Eleonora Mitrofanova zur Sitzung des Exekutivrats geht am 24. August 2011 hinaus, Vorläufige Tagesordnung und Vorläufiger Zeitablauf gleichen Datums liegen bei.

Eine Fülle von immer neuen Variationen der Tagesordnung überschütten die Vertreter der Mitgliedsstaaten und diejenigen, die im Internet danach suchen. Ein gigantischer Apparat befaßt sich mit sich selbst. Die Vorläufige Tagesordnung in ihrer letzten Fassung ist datiert vom 23. September 2011, sie ist fast identisch mit den Fassungen vom 24. August. Der Punkt 43 wird jetzt als zusätzlicher Punkt geführt, und ein Punkt 49 kommt hinzu, beide haben mit Palästina nichts zu tun.

Am 23. September 2011 hält Mahmoud Abbas seine große Rede vor den Vereinten Nationen.

Die UNESCO hat 193 Vollmitglieder sowie sieben Assoziierte Mitglieder. Die Vorläufige Tagesordnung weist 49 Punkte auf, vier davon befassen sich mit Israel, Punkte 11, 12, 41 und 42, ihre Behandlung ist vorgesehen für Donnerstag, den 29. September 2011. Israel, das 0,5 Prozent der Mitglieds- und assoziierten Staaten ausmacht, wird mit 8 Prozent der Tagesordnung belegt, wobei es nicht eigentlich um Israel geht, sondern darum, den Anspruch der Araber und des Islam auf Jerusalem und das Westjordanland durchzusetzen. Gaza kommt nebenbei auch noch vor. Man lernt, daß es bei allem, was sich um Israel dreht, letztlich um arabisches Territorium und Eigentum handelt.

In Punkt 11 "Jerusalem" geht es um die Altstadt, die selbstverständlich als arabisch angesehen wird, dort sollen eine griechisch-orthodoxe Kirche sowie islamische Stätten restauriert werden. Die israelischen Ausgrabungen in der Altstadt werden nicht gern gesehen. Die UNESCO fürchtet die Wirkung. Wie man weiß, kommt bei solchen Ausgrabungen ständig neues Beweismatierial über die mehrtausendjährige jüdische Vergangenheit der Stadt zum Vorschein.

Punkt 12 befaßt sich mit den als islamisch-palästinensisch deklarierten Stätten al-Haram al-Ibrahimi / Grab der Patriarchen, in al-Khalil / Hebron, und die Bilal ibn Rabah Moschee / Rachels Grab, in Bethlehem. Finanziers sind die EU und Saudi-Arabien, Israel darf sich beteiligen. Auf Grund der Forderung "einiger Mitgliedsstaaten", die nicht genannt werden, kommt das Thema auf die Tagesordnung; denn die israelischen Autoritäten hatten beschlossen die beiden Stätten in das Programm des nationalen israelischen Erbes aufzunehmen.

Punkt 41 handelt von Erziehung und Kultur betreffenden Institutionen in the occupied Arab territories (oPT), in den besetzten arabischen Gebieten. Für die UNESCO sind das keine umstrittenen, sondern besetzte Gebiete, Samaria und Galiläa sind den Arabern bereits zugesprochen. Die UNESCO unterstützt das palästinensische Volk und seine erzieherischen und kulturellen Institutionen wie auch solche Institutionen im besetzten Golan. Mit Unterstützung des französischen Generalkonsulats in Jerusalem sind Kulturprogramme für Jugendliche in Gaza, Hebron, Ost-Jerusalem, Nablus und Bethlehem durchgeführt worden, u.a. das Palestinian Science Festival. Ein Programm zum Thema "Erziehung und bewaffneter Konflikt" bringt im März 2011 den Erziehungs- und Hochschulminister der Palästinensischen Autonomiebehörde, den United Nations Resident Coordinator for the oPt sowie den Leiter des UNESCO Büros in Ramallah zusammen zum Thema Erziehung in der West Bank und Gaza. Weitere Projekte zur Arabisierung und Islamisierung uralter jüdischer Orte können im UNESCO Dokument nachgelesen werden; es wird zur Vorbereitung der Behandlung als Punkt 41, am 26. August 2011 auf den letzten Stand gebracht. Die EU, Norwegen, die Niederlande, Finnland sind unter den Finanziers, von arabischen Staaten liest man diesbezüglich nichts. Das syrische Ministerium für das Hochschulwesen wählt für die UNESCO geeignete Stipendiaten aus dem Golan zur Förderung aus. Japan beteiligt sich mit Geldern aus den Trust Funds.

Im Punkt 42 geht es um Wiederaufbau und Entwicklung von Gaza. Erstmalig liest man von arabischen Finanziers. Sheikha Mozah Bint Nasser von Qatar und die Islamic Development Bank, Sitz in Jeddah, was aber im Papier nicht mitgeteilt wird, kümmern sich um das Erziehungswesen. Finnland und Frankreich sind mit von der Partie.

Berichterstatter für die ersten drei Punkte ist der Italiener Francesco Bandarin, Direktor des UNESCO World Heritage Centers und Stellvertretender Generaldirektor für Kultur. Für den vierten ist's der Däne Mogens Schmidt, Direktor der UNESCO Division of Freedom of Expression, Democracy and Peace, der Abteilung für Meinungsfreiheit, Demokratie und Frieden, sowie Stellvertretender Generaldirektor für Kommunikation und Information.

Nach der erfolgreich lancierten Überraschung interviewt Georges Malbrunot den Botschafter eines arabischen Landes (Land und Vertreter bleiben anonym): "Une première victoire diplomatique", se réjouit un ambassadeur arabe, malgré les "pressions" exercées par le bloc du non emmené par les États-Unis, Israël et à un degré moindre les pays européens. "Ein erster diplomatischer Sieg", freut sich ein arabischer Botschafter, trotz des "Druckes", der durch den Block des Nein ausgeübt wurde, angeführt von den USA, Israel und im geringeren Maße den europäischen Staaten.

Durch einen Trick schafft es Georges Malbrunot, Israel ins Spiel einzufügen. Das gelingt ihm dadurch, daß er den arabischen Botschafter zitiert, und dadurch, daß er nicht das genaue Stimmenverhältnis referiert, 40 von 58 Mitgliedern hätten die Empfehlung unterstützt. Er nennt nicht die Zahl Vier der Gegenstimmen, sondern listet Deutschland, Lettland und Rumänien auf, die sich dem Nein der durch die USA und Israel angeführten Gruppe angeschlossen hätten. Frankreich, Italien und Spanien seien unter den vierzehn, die sich der Stimme enthalten haben. Eine einfache Rechnung bringt bei den Neinstimmen eine Stimme zuviel. Die Auflösung lautet: Israel ist nicht Mitglied des Exekutivrates und kann somit nicht zum Block des Nein gehören. Aber die Welt ist es ja schon gewohnt, daß das internationale Judentum seine Hände überall drinhat. Es reicht nicht, dem Staat vielleicht nachzusagen, daß seine Vertreter in den Korridoren Lobbyarbeit leisten, sondern Israel muß direkt zur Verantwortung gezogen werden. Unter dem tut es heuer kein französischer Journalist, nicht einmal Georges Malbrunot.

Vom 25. Oktober bis 10. November 2011 findet die UNESCO-Generalversammlung statt, dann wird auch Spanien für die Aufnahme stimmen, lautet die Ankündigung. Zweidrittel der zur Abstimmung anwesenden Vertreter der 193 Mitgliedstaaten der UNESCO reichen aus, den neuen Status zu bestätigen, es wird also nichts erreicht, der Sitzung fernzubleiben, im Gegenteil, dann fällt das Ergebnis noch krasser aus, und so wird der Block des Nein vor aller Welt Farbe bekennen müssen.

Deutschland demonstriert den islamischen Staaten seine Gegnerschaft zu einem palästinensischen Staat auf den umstrittenen Gebieten Westjordanland und Gaza. Dies sei einmal erwähnt und adressiert an diejenigen, die immer sofort bei der Hand sind, Deutschland als Feind Israels oder zumindest als Heuchler hinzustellen. Es kostet bares Geld und bringt strategische Nachteile bei Geschäften und außenpolitischen Aktivitäten, während Länder wie Spanien sich profilieren, indem sie sich erst enthalten, dann aber medienwirksam und geschäftsfördernd für die Mitgliedschaft eines Staates Palästina in der UNESCO stimmen. Auch Belgien, Dänemark, Griechenland, Polen und die Slovakei haben sich enthalten. Von ihren Absichten in der Generalversammlung ist nichts bekannt.

Die Aktion in der UNESCO sei erst der Anfang. Die arabischen Staaten seien bereit, die übrigen Sonder- und Unterorganisationen der Vereinten Nationen aufzurollen, berichtet Georges Malbrunot. Die Entscheidung Frankreichs zur Enthaltung quittierten sie mit Häme, sie hätten gemeint, Frankreich wollte sein eigenes Spiel gegenüber den USA spielen, und nun leistete es Gefolgschaft. Das sitzt! Das wird gewiß auch Frankreich veranlassen, in der Generalversammlung mit Ja zu stimmen. Italien wird nicht abseits stehen.

Georges Malbrunot, der wahrscheinlich gar nicht in Paris ist, sondern seinen Bericht von Syrien aus verfaßt, nutzt die AFP-Meldung US urges no vote on Palestine UNESCO membership. David Killon, US-Botschafter bei der UNESCO appelliere an alle Delegationen, auf der Generalversammlung mit Nein zu stimmen. Palästina jetzt die Vollmitgliedschaft zu geben, sei verfrüht. Es gebe auch Kollision mit den Aktivitäten der Vereinten Nationen, deren Sicherheitsrat sich damit befasse. Die Republikanerin Kay Granger, Vorsitzende des Unterausschusses zur Verteilung von Geldern der USA zu diplomatischen Zwecken, sagte in Washington, bevor der Exekutivrat der UNESCO der Empfehlung der arabischen Staaten zustimmte, die UNESCO riskiere die gesamte US-Finanzierung, wenn sie Palästina als Staat akzeptiere: "I will advocate for all funding to be cut off." Die Republikanerin Ileana Ros-Lehtinen, Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Repräsentantenhauses, ist der gleichen Meinung. Die USA finanzieren 22 Prozent des UNESCO-Haushalts. In einer anderen Unter- oder Sonderorganisation der Vereinten Nationen ähnliche Vorhaben einzubringen, stelle nicht nur die Beziehungen zu den Palästinensern, sondern auch die Beiträge zu den Vereinten Nationen insgesamt in Frage.

Über das Stillhalten der USA besteht für einen von Georges Malbrunot befragten palästinensischen Diplomaten kein Zweifel. Die USA wollten Ende Oktober wieder in den Exekutivrat gewählt werden. Und was ist, wenn die USA sich aus der UNESCO völlig zurückziehen? Es wäre nicht das erste Mal. Fast 18 Jahre waren sie nicht Mitglied.

Im Dezember 1984 verlassen die USA die UNESCO auf Grund ineffizienten Managements und des Einsatzes für die Beschränkung der Pressefreiheit durch Förderung der sogenannten Neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung. Ein Jahr später folgt Großbritannien. Eines Drittels ihres Budgets geht die Organisation damit verlustig. Am 12. Dezember 2002 erklärt Geoge W. Bush den Wiedereintritt, die Organisation sei inzwischen reformiert worden. Worauf sich diese Einschätzung stützt, das wüßte ich gern. Auf Grund meiner eigenen Erfahrung mit der UNESCO kann ich nur sagen, die USA und Großbritannien hätten nicht wieder eintreten und Deutschland hätte austreten sollen. Stichwort: Kulturdekade 1988 bis 1997, Stichwort: Doudou Diène, UN-Sonderberichterstatter gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Vom Israelfeind Federico Mayor, dem ehemaligen Generaldirektor der UNESCO, nicht zu reden. Er verfaßt im Mai 2004 den Appell: Halt der Schlächterei im Irak und in Palästina! Viele als Juden- und Israelhasser bekannte Aktivisten unterzeichnen den Aufruf.

Die Araber richten sich weiter in ihrem Kampf gegen Israel ein und verheizen dazu die Palästinenser und riesige Summen an Petrodollars. Barry Rubin, vom Gloria Center, Herzliya, faßt ihre Zukunft zusammen: And they will be the biggest losers if they spend the next 60 years playing the same game.

Allah scheint's so zu wollen, masha'allah.