7. April 2013

Berlin. Die ganze Wahrheit über das Jüdische Museum


Der Begriff Kurator kommt im Gegensatz zu Annahmen mancher nicht vom südamerikanischen Pfeilgift Curare, sondern vom lateinischen curare = sorgen, sich kümmern, besorgen, verwalten, curator = Verwalter, Wärter, Vorsteher. Im Zeitalter des Relativismus heißen so auch Austellungsmacher und gewinnen damit einen seriösen Anstrich. Im Jüdischen Museum Berlin (JMB) sind Michal Friedlander, Miriam Goldmann und Martina Lüdicke, eine davon laut Leeor Engländer nach der Halacha Jüdin, Kuratorinnen der vom 22. März bis 1. September 2013 in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Hohenems und mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Deutsche Klassenlotterie entstandenen Sonderausstellung Die ganze Wahrheit ... was Sie schon immer über Juden wissen wollten.

Verantwortlich für das Ergebnis ist die stellvertretende Museumsdirektorin Cilly Kugelmann. Sie stellt den Medien das Konzept der Ausstellung vor. Sie ist für alle Ausstellungen des JMB zuständig. Generaldirektor der Stiftung Jüdisches Museum Berlin ist W. Michael Blumenthal.

Eine treffende Tätigkeitsbeschreibung der Kuratorinnen liefert die Definition des mexikanischen Kritikers, Kurators (!) und Historikers Cuauhtémoc Medina, der meint, “der Kurator sei eine Art Frankenstein‘sches Monster, ein zusammengeflicktes Konglomerat verschiedener Berufe, für die er in den meisten Fällen keinerlei professionelle Ausbildung besitzt: Kunstkritiker, Fundraiser, Kenner, Künstler, Händler, Kulturpolitiker, Museumsgestalter, Archivar, Impresario, Historiker, Aktivist, Theoretiker, Fan, Sekretär und Sparringspartner. Insofern sei der Kurator in seiner heutigen vielgestaltigen Ausprägung ein typisches Produkt der Postmoderne, eine multiple Persönlichkeit ohne stabile Identität, beispielhaft für die 'Entprofessionalisierung', für das Gegenteil des akademisch Erlernbaren.”

Dementsprechend sieht die Sonderausstellung aus.

Am 8. März 2013 veröffentlicht das JMB eine Pressemitteilung, in der das Projekt erklärt wird. Es handele sich um die Darstellung von Fragen, die Besucher an das JMB und die Erwachsene und Schüler an das Judentum stellten. Jede Frage werde "mit einer Installation 'beantwortet'." 180 Objekte aus Religion, Alltagswelt und zeitgenössischer Kunst gäben "einen Einblick in jüdisches Denken, innerjüdische Identitätsdebatten und das Verhältnis zur nichtjüdischen Umwelt". Es handelt sich also nicht um Antworten, sonst gäbe es keine Anführungszeichen für "beantwortet". Martina Lüdicke erklärt dem britischen al-Guardian: "Die Leute wollen klare Definitionen, aber da sind keine." Das ist also "die ganze Wahrheit". Denkt man zunächst, es handele sich beim Ausstellungstitel um eine satirische Überspitzung, landet man zügig bei Hochstapelei, Betrug, familiär: Verscheißere.

Die diplomierte Kommunikationsdesignerin Dorota Gorski produziert dazu und zur Einstimmung einen Trailer in deutsch und englisch, er beginnt mit zum Ei scharwenzelnden Spermien. Nach erfolgter Befruchtung und einigen Zellteilungen gibt's die erste Frage und weitere folgen, unterbrochen von Zeichnungen, Skulpturen, Michelangelos David und 'ner Art Jesus, chinesischer Schrift, chinesischen Lampions und Nudeln (USA!):

Wie wird man Jude?
Sind alle Juden religiös?
Woran erkennt man einen Juden? Does this shirt make me look Jewish?
War er beschnitten? (Jesus)
Warum ist er nicht beschnitten? (David. Hand mit Schere schneidet seinen Kopf ab)
Was machen Juden an Weihnachten? (Nein, nicht an Hannukah)
Wie kommt man am Schabbat in die Synagoge? (Fahrstuhl, Schabbat Elevator)
Sind die Juden auserwählt? (Von wem? Wozu?)
DIE GANZE WAHRHEIT

Das JMB lädt für den 20. März 2013 zum Pressetermin: "Bitte planen Sie ausreichend Zeit für die Sicherheitskontrollen am Einlass ein." Vielleicht wird das Thema der Sicherheitskontrollen ja auch in der Sonderausstellung "beantwortet". Die Pressemitteilung verspricht: "Zur Frage 'Gibt es noch Juden in Deutschland?' wird zu ausgewählten Zeiten ein jüdischer Gast in einer Vitrine Platz nehmen (Foto: Leeor Engländer), und - wenn gewünscht - auf Fragen und Kommentare der Besucher reagieren. Zum Pressetermin wird die Vitrine besetzt sein." 

Ido Porat wird zur Eröffnung sitzen. Das macht zunächst niemanden stutzig, vielleicht, weil das konsequent ist, es treten auf Jews on Demand, Vorzeigejuden, diensthabende Juden, Juden vom Dienst, "Vitrinenjuden". Sie sitzen für jeweils zwei Stunden in einer Vitrine und bauen die "Schwellenangst" der Deutschen ab. Wie in der Herbertstraße, nur nach vorne offen. Michal Friedlander erklärt Michael Wuliger: "Und keiner ist gezwungen, jede Frage zu beantworten oder sich auf jede Diskussion einzulassen. Die 'Vitrinenjuden' sitzen erhöht auf einem Podest, sie haben die Kontrolle." Der Mitarbeiter der Jüdischen Allgemeinen will trotzdem nicht mitmachen, sich nicht zum "exotischen Exponat" degradieren. Dabei dürfen die "Vitrinenjuden" sprechen, Rede und Antwort stehen, vielleicht sogar rückfragen. Es ist nicht so angelegt wie das Negerdorf 1896 in der Berliner Colonial-Ausstellung und erst recht nicht wie im Zoo.

Kritiker, die eine Woche nach der Ausstellungseröffnung richtig in Fahrt kommen, liefern die Namen von drei "Vitrinenjuden", WELT-Kolumnist Leeor Engländer, Meretz-Funktionär Ido Porat und Doktorand Dekel Peretz. Wer diese drei sind, woher sie kommen, WELT, Meretz, Universität Potsdam, steht nirgends, das muß der interessierte Leser selbst herausfinden. Benjamin Weinthal berichtet über den Jew in a Box für die Jerusalem Post, am 30. März, und für die Foreign Policy, am 4. April 2013.

Leeor Engländer hält die Eröffnungsrede zur Schau und bezeichnet diese als "bodenlose Frechheit", "Betrug", "unverschämt". Er entlarvt die Linkslastigkeit, die Juden- und Israelfeindschaft der Ausstellungsmacherinnen und des JMB. Autor Toby Lichtig fordert im Museumsmagazin auf, "auch bei Juden auf die Beschneidung zu verzichten", Christoph Schmidt erklärt dort, daß "man Jude und Christ zugleich sein" kann, und Yulia Egorova ist auf der Suche nach jüdischer DNA. Die ganze Rede ist lesenswert, ich habe zunächst nicht glauben wollen, daß er das wirklich so gesagt hat. Manchmal werden nichtgehaltene Reden dokumentiert, Reden, von denen man gewünscht hätte, daß sie einer hält, aber in diesem Fall ist die Rede echt:

"Meine Damen und Herren, wenn Sie wissen wollen, was typisch jüdisch ist, dann gehen Sie trotzdem in diese Ausstellung. Aber bitte nicht, ohne vorher 7 Euro Eintritt an der Kasse bezahlt zu haben. Warum? Typisch jüdisch ist, vorzugeben, Ihnen Ihren sehnlichsten Wunsch zu erfüllen, dafür ein horrendes Geld zu verlangen, nichts von dem Versprochenen einzulösen und Ihnen am Ende zu erklären, dass das, was Sie gesehen haben, zwar nicht das war, was Sie sehen wollten, es Ihnen aber trotzdem gutgetan hat. So frech, hinterlistig und geldgierig, so dreist und unverschämt können nur Juden, ein jüdisches Museum und jüdische Ausstellungsmacher sein." Wie schon erwähnt, zwei der drei Kuratorinnen sind keine Jüdinnen.

Nach der Eröffnungsrede hätte das JMB die Sonderausstellung besser geschlossen.

Die Sonderausstellung liefert Vorzeigejuden, diensthabende Juden, Juden vom Dienst am laufenden Band. Die seltenen und teueren Auftritte von Norman Finkelstein, David Grossmann, Amos Oz, Avi Primor, Shlomo Sand, Moshe Zuckermann, Noam Chomsky, Judith Butler werden bis zum 74. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges nicht nötig sein, sondern endlich bedeuten die Vorzeigejuden Einnahmen. Täglich besichtigen 300 bis 400 Besucher die Käfighaltung, sie zahlen je 7€. Es werden breite Schichten erreicht, nicht wie beim Auftritt von Judith Butler im JMB im Zusammenhang mit der Verleihung des Adorno-Preises, da spenden nur ca. 700 Konferenzteilnehmer bei der Diskussion: Gehört der Zionismus zum Judentum? der Aufforderung zum Boykott Israels Beifall, und üppige Honorare sind fällig für Judith Butler und Micha Brumlik. Was da abgeht, kann man im Artikel Judith Butler. Eine Jüdin denkt nach über jüdische Fragen, vom 11. September 2012, nachlesen. 

Benjamin Weinthal berichtet über die Veranstaltung im JMB in der Jerusalem Post, am 16. September 2012: "Die Boycott, Sanctions, and Divestment (BDS) Bewegung ist 'gewaltloser Widerstand' gegen Israel. Sie behauptete, daß '1000 jüdische Gruppen' darin mit ihr einverstanden wären. Die mehrheitlich deutsche Zuhörerschaft überschüttete Butler wiederholt mit Beifall während der zweistündigen Podiumsdiskussion mit dem Titel 'Gehört Zionismus zum Judentum?'."

In nächster Zeit braucht in Berlin keiner zu einem antijüdischen und anti-israelischen Thema bemüht zu werden, kein Jude vom Dienst, kein Amos Oz, David Grossmann, Avi Primor, Moshe Zuckermann, Noam Chomsky, Judith Butler, man spart sich die Konferenz bzw. das Podium, die Fahrt- und Aufenthaltskosten, die Organisation, den Aufwand für das Sicherheitspersonal. Eine Kosten-/Nutzen-Analyse wird traumhafte Ergebnisse zugunsten der "Vitrinenjuden" ergeben, und die passende Indoktrination wird gleich mitgeliefert.


Der 33-jährige "Vitrinenjude" Ido Porat, von der israelischen linksextremen Meretz, wird finanziert von der SPD, der Kooperationspartnerin der Fatah, dem Forum Ziviler Friedensdienst und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, also von den deutschen Steuerzahlern. Er arbeitet im Willy Brandt Center, an der Grünen Linie, die laut Center angeblich die Grenze zwischen Ost- und Westjerusalem darstellt. Ido Porat, der Young Meretz Vertreter im Zentrum, stellt Professoren und Studenten auf Studienreise das Projekt mit den Jugendorganisationen der politischen Parteien, die aktuellen Aktivitäten im Rahmen des Projekts und seine Sicht als Israeli auf die Arbeit vor. Welche Sicht das ist, kennt man schon vom Meretz-Funktionär Teddy Katz, seinem erfundenen "Massaker von Tantura" sowie seinen Aktivitäten zur Übergabe Israels an die Araber beim 2002 gegründeten Zochrot des Friedensaktivisten Eitan Bronstein. Jetzt sitzt Ido Porat im JMB hin&wieder für zwei Stunden auf einer weißen Bank mit einem rosafarbenen Kissen und beantwortet Fragen wißbegieriger deutscher Besucher.

Der 1979 in Tel Aviv geborene "Vitrinenjude" Dekel Peretz, der erst gezögert hat, weil er befürchtete, in einer Freak Show mitzumachen, in einer Monstrositätenshow, "hat Geschichte, Philosophie und Volkswirtschaftslehre an der Technischen Universität und der Humboldt Universität zu Berlin studiert. Das Magisterstudium schloss er mit einer Arbeit über 'Schulen und sozialer Wandel im arabischen Palästina unter dem britischen Mandat' ab. Seit Oktober 2011 promoviert er an der Universität Potsdam und ist Stipendiat der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit im Walther-Rathenau-Kolleg. Das Thema der Dissertation lautet 'Zwischen früher deutscher Soziologie und Zionismus. Utopie und Gemeinschaft in der politischen und sozialen Theorie von Franz Oppenheimer und Martin Buber'." Wie's aussieht, promoviert er immer noch. Stand: 6. September 2018.

Er promoviert am Moses Mendelssohn Zentrum bei Julius H. Schoeps. Das ist derjenige, der im Radio 1 des RBB eines schönen Morgens in Sachen Augstein-Kritik den Broder machen darf. Bessere Vorzeigejuden kann man sich kaum vorstellen. Leider werden mehr Namen in den Artikeln nicht genannt, sie werden aber mehrheitlich Vorzeigejuden gehören, die bezahlt von deutschen Israelfeinden, wenn auch nicht so üppig wie ihre berühmteren Gesinnungsgenossen, sich mitnichten in einer Freak Show vorkommen. Vielleicht machen sie's aus Dankbarkeit auch umsonst?

Da kann das Wort des Berliner Chabad-Rabbiners Yehuda Teichtal in den Gängen des JMB verhallen: "Deutsche, die tatsächlich interessiert sind an Juden und am Judentum, sollten das Chabad Bildungs- und Familienzentrum besuchen. Hier werden Juden sich freuen, Fragen zu beantworten, ohne dabei in einer Vitrine zu sitzen."

Der Rabbiner ist lange genug in Berlin tätig, um zu wissen, daß es weder dem JMB noch dessen Besuchern darum geht.