30. Dezember 2022

Israel. Die antisemitische Szene bis Anfang des 21. Jahrhunderts

Die israelische Einwanderungspolitik und die Folgen

"Neo-Nazis im jüdischen Heimatland" Neo-Nazis in the Jewish homeland. 

In Israel häufen sich antisemitische Ausschreitungen. In den Städten treiben sich Skinheads herum, und im Internet tummeln sich Hitlerfans, die zur Gewalt gegen Juden aufrufen. Dieses im ersten Augenblick verblüffende Phänomen versteht man besser, wenn man die jahrzehntelange großzügige Einwanderungspolitik der israelischen Regierung kennt.

Wenn man weiterhin berücksichtigt, daß sich, bedingt durch den Nahostkonflikt und die Politik der israelischen Regierung, die politische Landschaft insgesamt immer weiter nach rechts bewegt, so daß zu den Februarwahlen 2003 Natan Sharansky und seine Einwandererpartei Israel B'Alija unter dem Motto "Rechts, vernünftig, sauber!" antreten und sich zu Gute halten, maßgeblich am Scheitern des Friedensprozesses mitgewirkt zu haben, daß der rechtsradikale Block Nationale Union des russischstämmigen Avigdor Liberman mit einem Viertel aller abgegebenen Stimmen rechnen und der Likud sagen kann, daß die Russen sowieso hinter Ariel Scharon stehen, dann kann es auch nicht verwundern, wenn nicht-jüdische russische Neonazis sich in Israel breitmachen, denn der Boden ist bereitet.

Die Russen und die Wahlen: Mutter Russland, Vater Scharon, von Natasha Mosgovia, 
übersetzt von Kirsten Praefke-Meron. Jedioth achronoth, 17.1.2003. Hagalil, 27. Januar 2003

Etwa ein Fünftel der israelischen Bevölkerung kommt aus Rußland. Die Geschichte der Emigration russischer Juden nach dem Zweiten Weltkrieg ist bewegt. Auf Grund des in der Sowjetunion herrschenden Antisemitismus, aber auch der wirtschaftlich schlechten Lage wegen, begehren Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre immer mehr russische Juden, aus der Sowjetunion auszureisen. Im August 1972 beginnt die sowjetische Regierung eine sehr hohe "Diplomsteuer" von den Ausreisewilligen zu fordern, dies, um die dem sowjetischen Staat entstandenen Ausbildungskosten zu ersetzen. Das führt dazu, daß sich kaum noch ein Ausreisewilliger die Emigration leisten kann. Außerdem werden die ausreisewilligen Juden eingeschüchtert und verfolgt. 

Jüdische Organisationen in den USA mobilisieren daraufhin den antisowjetischen israelfreundlichen Senator Henry "Scoop" Jackson und den Kongreßabgeordneten Charles Vanik, beide Demokraten, sowie weitere prominente Mitglieder des Kongresses, Druck auf die Sowjetunion auszuüben, daß diese der "Diplomsteuer" ein Ende machen möge und die Beschränkungen der Ausreise aufhebe. 

Die Parole heißt "Let My People Go!"

Bei Senator Henry "Scoop" Jackson handelt es sich um eben den Demokratischen Senator, bei dem zahlreiche heute neokonservative Regierungs- und Think Tank-Mitglieder in den 60er Jahren als Mitarbeiter wirken. Richard Perle arbeitet elf Jahre für den Senator. William KristolElliot AbramsFrank Gaffney und Paul Wolfowitz sind seinerzeit ebenfalls für ihn tätig.

Die Sowjetunion sichert nach zähen Verhandlungen mit Außenminister Henry Kissinger die freie Ausreise der Emigranten zu und stellt bereits für 1973 einen Anstieg in Aussicht. Senator Henry Jackson wünscht eine Ausreise von ca. 60 000 Emigranten pro Jahr.

Im Oktober 1974 wird das Jackson-Vanik Amendment als Ergänzung zum Handelsgesetz beschlossen, in dem die Meistbegünstigungsklausel, d.h. nichts anderes als normale Handelsbeziehungen zwischen den USA und nicht marktwirtschaftlich organisierten Ländern, abhängig gemacht wird von der Einhaltung der Menschenrechte, und was die Sowjetunion angeht, vor allem von der kostenlosen Ausreise hauptsächlich der Juden, aber auch anderer Minderheiten. Es handelt sich dabei um ein gegen die Sowjetunion gerichtetes Gesetz. Es ist bis heute gegenüber Rußland nicht aufgehoben, was u.a. die Aufnahme Rußlands in die WTO unmöglich macht.

Nach 18 Jahren der Verhandlungen wird Rußland Mitglied, am 16. Dezember 2011.

[Jimmy Carter] 39th President of the United States: 1977 ‐ 1981
Trade With the Soviet Union Letter to Senator Henry Jackson Concerning the Jackson-Vanik Amendment to the Trade Act of 1974.

Die Begeisterung in Israel über das Jackson-Vanik Amendment ist grenzenlos. Der damalige Ministerpräsident Yitzhak Rabin und sein Außenminister Yigal Allon schreiben Dankesbriefe an den US-Präsidenten Gerald Ford, den Außenminister Henry Kissinger und selbstverständlich an Henry "Scoop" Jackson sowie an den Kongreßabgeordneten Charles Vanik (D) und die Senatoren Jacob Javits (R) und Abraham Ribicoff (D).

Inzwischen benutzen die USA das Jackson-Vanik Amendment zur Durchsetzung von Handels- und Wirtschaftsstreitigkeiten mit Rußland. Böse Zungen nennen es denn auch das "Hühnerbeinchen-Gesetz", das nicht russische Juden, sondern US-amerikanische "arische" Großagrarier schütze.

Agriculture Minister Attacks Jackson-Vanik .... Radio Free Europe/Radio Liberty, May 2, 2003 

Das Jackson-Vanik Amendment wird zum großen Erfolg, was die Emigration der Juden angeht. Ab 1975 wandern 573 000 Emigranten aus der Sowjetunion in die USA ein, die meisten Juden, aber auch evangelistische und katholische Christen, davon ca. 235 000 nach 1989, zur Zeit des Michael Gorbatschow. Ab Mitte der 80er Jahre hat sich der Antisemitismus in der Sowjetunion wieder verschärft. Die Diskriminierung betrifft vor allem den sozialen und beruflichen Bereich. Juden wird der Zugang zu Bildungseinrichtungen, Arbeitsplätzen und Parteiämtern erschwert. Sie gelten dem sowjetischen Staat als Sicherheitsrisiko ihrer Westkontakte wegen sowie aus außenpolitischen Gründen, da die Sowjetunion im Nahostkonflikt eine Position gegen Israel einnimmt. Nach dem Ende der Sowjetunion agitieren rechtsextreme Parteien und Medien gegen die Juden, die von ihnen für das wirtschaftliche Elend in Rußland verantwortlich gemacht werden. So wandern weitere Juden in Scharen aus. Die russisch-jüdische Gemeinde in den USA wird heute zwischen einer und zwei Millionen eingeschätzt. Nach Israel wandern mehr als eine Million Juden aus der ehemaligen Sowjetunion ein.

Total Immigration to Israel by Year (1948 - Present). Jewish Virtual Library, 2021 [!]

Diese, von denen viele lieber in die USA ausgewandert wären, werden mit offenen Armen und großzügiger wirtschaftlicher Unterstützung vom "dankbaren israelischen Staat" empfangen. Russische Immigranten werden persönlich von israelischen Ministern auf dem kochenden Asphalt des Flughafens Lod empfangen. Sie, diese Wirtschaftsimmigranten, seien eifrige Zionisten, die in ihr Heimatland zurückgekehrt seien. Die Beschreibung wird von Kritikern als Euphemismus bezeichnet.

Let My People Go - Russian Jews and the Jackson-Vanik Controversy,
Also published by United Press International (UPI)

Analysis: The Jackson-Vanik debate. By Sam Vaknin, UPI Senior Business

Geschätzt wird, daß insgesamt auch 200 bis 300 000 nicht-jüdischer Russen nach Israel eingewandert sind. Derartige Emigranten wandern allein auf Grund der wirtschaftlichen und politischen Lage in Rußland von dort aus, und zwar vornehmlich in die USA, nach Israel und nach Deutschland. Sie beschaffen sich vor Ort auf dem Schwarzen Markt einen "jüdischen" Paß, mit dem sie in Israel einreisen. Die Sowjetbürger haben auf Grund des föderalen Charakters der Sowjetunion neben ihrer Staatsangehörigkeit noch eine eigene Nationalität in ihrem sowjetischen Inlandspaß verzeichnet. Bei Armeniern steht dort beispielsweise "armenisch", und bei Juden "jüdisch", obgleich sie keine Nation in dem Sinne bilden. Jude ist in der Sowjetunion, wer einen jüdischen Elternteil hat. Ihm wird das in den Paß geschrieben, was ihm in der Sowjetunion nichts als Nachteile einbringt.

Die israelische Staatsangehörigkeit kann erworben werden durch Geburt, Rückkehrgesetz, Aufenthalt und/oder Einbürgerung. Das 1950 erlassene Rückkehrgesetz garantiert allen Juden, wo immer sie auch leben, das Recht, als Oleh, als jüdische Einwanderer nach Israel zu kommen und israelische Staatsbürger zu werden. Als Jude gilt dabei gemäß dem jüdischen Religionsgesetz, der Halacha, wer eine jüdische Mutter hat, oder wer zum jüdischen Glauben übergetreten ist und keiner anderen Religion angehört.

"Die israelische Staatsangehörigkeit tritt am Ankunftstage im Land oder mit Erhalt des Einwanderungszertifikats zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft. Innerhalb von drei Monaten mag der Einwanderer/die Einwanderin erklären, daß er/sie die israelische Staatsangehörigkeit nicht erwerben möchte", informiert die Botschaft des Staates Israel, Stand: 29. Juni 2003.

Laut Ha'aretz, vom 27. April 2001, sind, im April 2001, von 6,4 Millionen Einwohnern Israels 5,2 Millionen Juden, d.h. 81 Prozent der Gesamtbevölkerung. 1,2 Millionen sind Araber, von ihnen 82 Prozent Moslems, 10 Prozent Christen und 9 Prozent Drusen. 5,7 Millionen Juden leben in den USA.

Es kommen also bis ca. 1990 aus dem Gebiet der Sowjetunion Juden, Einwanderer mit jüdischem Vater, also im israelischen Sinne keine Juden, und nicht-jüdische Russen, die sich einen entsprechenden Paß besorgen. Nach 1990 werden dank der großzügigen Einwanderungspolitik noch mehr Nichtjuden aufgenommen. Vertreter der Jewish Agency for Israel in Moskau, Kiew und Nowosibirsk locken mit dem Argument, in Israel brauche man keinen Antisemitismus zu fürchten. Außerdem gebe es für die Olim Chadaschim, die Neueinwanderer, Kühlschränke gratis und zinsgünstige Kredite für den Häuserbau in den besetzten Gebieten. Dennoch sei für russische Juden Israel nur die zweite Wahl nach den USA. In Israel landeten viele russische Akademiker als Verkäufer oder als Müllmänner. Die Russen lebten ziemlich isoliert, es werde ihnen von den im Lande geborenen Juden vorgehalten, sie hätten höchstens einen jüdischen Großvater, und sie hielten sich nicht an jüdische Traditionen, feierten das christlich-orthodoxe Weihnachten und äßen Schweinefleisch.

"In der Welt der israelischen Russen fehlt es an nichts. Es gibt vier Tageszeitungen, elf Wochenblätter, fünf Magazine und drei russische Fernsehsender, die aus Moskau direkt ins Kabelnetz eingespeist werden. Russisch ist neben Hebräisch und Arabisch zur inoffiziellen dritten Amtssprache avanciert. Auf der Post, im Einwohnermeldeamt, bei der Polizei und an den Universitäten wird russisch gesprochen. Außerdem gibt es russische Parteien, Restaurants, Buchhandlungen, Discos, Läden und sogar einen "Roten Platz" - in der Küstenstadt Aschdod", schreibt die Süddeutsche Zeitung.

Dieses Fünftel des israelischen Staates wird bei den Wahlen umworben, und auch da fehlt es an nichts. Nicht nur, daß Ariel Scharon selbst von russisch-jüdischen Einwanderern abstammt, es gibt auch die rechtsextreme Nationale Union des russischstämmigen Avigdor Liberman und die Immigrantenpartei Israel B'Alija des ehemaligen Bürgerrechtlers und Gefangenen von 1978 bis 1986 der Sowjetunion und heutigen israelischen Ministers für Jerusalemer Angelegenheiten Natan Sharansky (Anatolij Schtscharanski). Wer von den Berlinern erinnert sich nicht noch an den Gefangenenaustausch auf der Glienicker Brücke, am 11. Februar 1986, da Anatolij Schtscharanski in den Westen gelangt.

Stimmenfang: Roter Platz im gelobten Land, von Thorsten Schmitz, Süddeutsche Zeitung

In Israel spricht die russische Abteilung bei der Meretz, der Sozialdemokratischen Partei, zu den Februarwahlen 2003 ausdrücklich die nichtjüdischen Einwanderer an. Sie gelten als benachteiligte Gruppe. Bei der Meretz schätzt man diese Gruppe auf 300 000, die meisten von ihnen extrem rechts. Der Einsatz der Meretz fruchtet nicht, denn mehr als 60 Prozent der Neueinwanderer wollen rechte Parteien wählen. Die Wahlkämpfer aller Parteien berücksichtigen dies durch Anzeigen in den russischen Nationalfarben blau-weiß-rot und durch die Darstellung der glanzvollen militärischen Karrieren der Kandidaten.

Der einzige bedeutende linke Kandidat unter den russischen Neueinwanderern Roman Bronfman, Abgeordneter der Meretz, kämpft an gegen die rechte bis extrem rechte Propaganda der anderen Parteien und der russischsprachigen Medien. Man bezichtigt ihn des Verrats, da er mit Geldern der EU das "Institut für Demokratie" gegründet habe, "um die jüdische Identität Israels zu vertuschen." 

Yoav Yitzchak. "Exposed: How the European Union Intervenes in Israeli Political Affairs." 

In September 1999,the support committee of the EU held a meeting with the agenda of extending support to a new non-profit organization, "The Center for Democracy and Leadership for Immigrants" [????], run by MK Roman Bronfman (formerly a member of  Israel B’Aliyah). According to Yitzchak, the meeting’s protocols reveal that the project’s aim was to bring Russian immigrants in Israel into the peace camp. This is, according to Yizchak, inconsistent with the Law for the Funding of Political Parties, for it is plain to see that financial assistance was extended for political purposes. Bronfman confirmed that he received €400,000 from the EU in December 2000, but emphasized that the money was not allocated for political aims, but rather within the framework of the NGO’s work on behalf of immigrants to Israel in the fields of democracy, leadership, peace and communication. 

Roman Bronfman meint, die russischsprachigen Medien hätten nach wie vor keine Meinungsvielfalt, sondern sie litten weiterhin unter einem "sowjetischen Ansatz" und erzögen die Neueinwanderer entsprechend.

Der Parteivorsitzende der extrem rechten neuen Einwandererpartei "Lider" (Leader) Alexander Ridko lädt den russischen Antisemiten, Israelfeind und Nationalisten, den Stellvertretenden Parlamentsvorsitzenden Wladimir Wolfowitsch Schirinowski zu einer Wahlveranstaltung ein. Dieser sagt von Saddam Hussein: "Mein Freund Saddam beabsichtigt nicht, Israel anzugreifen." Über die Juden sagt er auf einer Pressekonferenz anläßlich der Wahlveranstaltung, daß er sie liebe.

Wladimir Schirinowski sei ein russischer Patriot, er vertrete die Interessen Rußlands, genau wie dies er, Alexander Ridko, für Israel tue. Man habe viel gemeinsam.

1994 kommen Dokumente ans Licht, die belegen, daß sein Vater der polnische Jude Wolf Isaakowitsch Eidelstein war, der 1939 vor den Nazis nach Kasachstan floh, und daß er in den späten 80er Jahren Mitglied einer staatlich geförderten jüdischen Gruppe war.

Die antisemitische und rassistische Szenerie in Israel

Im Zusammenhang mit dem in Israel auftretenden Antisemitismus und Rassismus interessieren hier vor allem die in den letzten Jahren mit offenen Armen vom Staate Israel aufgenommenen nicht-jüdischen Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion.

Wissenschaftler des Stephen Roth Institute for the Study of Contemporary Anti-Semitism and Racism der Universität von Tel-Aviv sind dabei, die Neonazi- und Skinhead-Szene zu erforschen. Das Institut beobachtet weltweit antisemitische und rassistische Äußerungen und Handlungen sowie rechtsextreme Gruppen.

Database. Stephen Roth Institute for the Study of Contemporary Anti-Semitism and Racism

"Hoffentlich sitzest du gut!", sagen Wissenschaftler des Instituts zu Jean-Yves Camus von Proche-Orient.info [nicht mehr online], bevor sie ihn mit der antisemitischen und rassistischen Szenerie in Israel konfrontieren. Es gibt zwei israelische Internet Adressen in russischer Sprache, eine davon gehört der "Union der weißen Israelis" eines Ilya, aus Haïfa, und eines Andrei, aus Arad. Die Seite enthält auch die Zahl "1488". 

Die Zahl "88" steht für die Anfangsbuchstaben des "deutschen Grußes"; der Buchstabe "H" ist der achte im Alphabet. "14" ist ein neonazistisches Symbol des US-amerikanischen Rechtsterroristen und christlichen Fundamentalisten David Eden Lane (Jahrgang 1939), der wegen Mordes und Terrors zu einer 190-jährigen Haftstrafe in Florence/Colorado im Gefängnis einsitzen sollte, aber am 28. Mai 2007, im Alter von 68 Jahren verstarb. Von dort agitierte er bis zuletzt die "rechten christlichen amerikanischen Patrioten" weiter - und die israelischen russischen Nichtjuden, wie man sieht.

"In der 'White Power'-Bewegung hat David Eden Lane vor allem als Schöpfer der 'Fourteen Words' Kultstatus erlangt: 'We must secure the existence of our people and a future for White children.' Die Zahl 14 ist inzwischen weltweit zum Code der gewaltbereiten Rassisten avanciert", schreibt das Lexikon Rechtsextremismus [nicht mehr online].

Auf den israelischen Neonazi-Seiten posieren bewaffnete Skinheads im Hitlergruß vor einem Militärlager, antisemitische und antiarabische sowie gegen Arbeitsmigranten gerichtete Texte füllen die Seiten. Es gibt reichlich Witze über Juden in Konzentrationslagern, Hinweise auf Buchhandlungen, die Bücher anbieten, in denen der Holocaust geleugnet wird, und andere Nazi-Themen mehr. Es wird auf rassistische, negationistische Nazi-Rockmusik hingewiesen, wie sie bei den Rechtsradikalen in den USA beliebt ist. Auch russische Musik gleichen Typs wird angeboten, z.B. von der Gruppe Korrozia Metalla, die der Ideologie des Begründers und Organisators der "nationalbolschewistischen Partei", des aus Kharkov stammenden Romanciers Eduard Limonov nahesteht, einem "der wichtigsten zeitgenössischen russischen Schriftsteller", wie der bayerische Kunstverein Rosenheim ehrfürchtig vermerkt, ohne die Art von dessen "politischen Spielen" auch nur anzudeuten.

Die besprochene Fotoausstellung des Kharkover Malers und Fotografen Sergey Bratkov, der sich auf Eduard Limonov bezieht, zeigt "von Kindern vorgeführte Perversionen der Erwachsenen", sie führt "präpubertäre Mädchen in der Rolle von Sex Diven (djeti)" vor. Der Zusammenhang zwischen nazistischem Gedankengut und Pädophilie wird einmal mehr dokumentiert. Man sage nicht, in Rosenheim sei, hart an der Grenze, nichts los.

Der halbwüchsige Bratkov, von Viktor Misiano. Kunstverein Rosenheim. 
Kuratorin Iris Trübswetter, 27. September 2002 [nicht mehr online]

Die israelischen Web Sites zeigen durch ihr Layout und ihre Symbole den Einfluß des in den 80er Jahren in Großbritannien vom 1993 bei einem Autounfall verstorbenen Neonazi Ian Stuart Donaldson, Leadsänger der Skinhead-Kultband "Skrewdriver", gegründeten rechtsextremen Netzwerks "Blood and Honour", das sehr aktiv ist darin, die russischen und ukrainischen Skinheads zu organisieren. In Hatzor und in Kiryat Shemona werden derartige Skins gesichtet.

Wenn die antisemitischen Ausschreitungen in Israel auch noch marginal sind, so beklagen sich doch viele Olim, aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion neu eingewanderte Juden, über antisemitische Beleidigungen, denen sie ausgesetzt sind. Sie werden als "Zhid" beschimpft, die Neonazis sagen ihnen ins Gesicht, daß sie Juden nicht ausstehen können und Schlimmeres, sie malen Hakenkreuze auf die Mauern und schänden Friedhöfe. Hunderte von solchen Anfeindungen durch nicht-jüdische Russen, die allein der vom Staate Israel gewährten wirtschaftlichen Vergünstigungen wegen ins Land gekommen seien, haben den aus Moldawien eingewanderten Zalman Gilichinsky veranlaßt, in Tel-Aviv das "Israeli Information and Assistance Center for the Victims of Anti-Semitism" zu gründen.
 
Police: Israeli neo-Nazi ring busted. FAR AND WIDE. An AP News Blog, 9 September 2007

Die israelischen Behörden und die Regierung spielten das Problem herunter. In Israel Zuflucht vor Antisemitismus zu finden, sei nicht möglich. Antisemitische Ausschreitungen seien an der Tagesordnung. Die Beschimpfungen stünden denen in Rußland oft in nichts nach. Das Anprangern von Antisemitismus in anderen Ländern durch Israels Politiker erscheine als eine "erbärmliche Heuchelei". Die Anzahl der Opfer antisemitischer Handlungen steige ständig an. Das Center versuche, diesen Opfern zu helfen. Einige der Ausschreitungen, die ersten bereits aus dem Jahre 1990, sowie die Rolle und das skandalös uninteressierte Verhalten der Polizei und der Behörden, Abgeordneten und Regierungsstellen hat das Center dokumentiert. So sagt der Polizeihauptmann von Haïfa Reuven Ariav: "Die angegebenen Fälle wurden nicht untersucht, und ich gedenke auch nicht, sie zu untersuchen."

Im November 1990 veröffentlicht die russischsprachige Tageszeitung "Novosti Nedeli" einen Brief von Bewohnern eines Aufnahmelagers in Herzliya: "Zehn 18 bis 40 Jahre alte Männer kamen in unser Lager. Sie bekundeten freiheraus, daß sie keine Juden wären, und daß sie Geburtsurkunden mit jüdischen Familiennamen gekauft hätten, um so aus der Sowjetunion zu fliehen. Unser Leben im Aufnahmelager hat sich seit ihrer Ankunft ins absolute Elend gewendet. Die Neuankömmlinge sind ständig betrunken, sie schlagen sich, sie nennen uns offen 'Zhids' und verkünden, daß sie Israel und die Juden hassen."

Zalman Gilichinsky wendet sich an die zuständigen israelischen Stellen, an Minister, Knesset-Abgeordnete und an führende israelische Zeitungen und fragt:

"A) Was ist der Grund für deren Schweigen und Scheitern, antisemitischen Ausschreitungen in Israel angemessen zu begegnen, im Gegensatz zur grundsätzlichen Verurteilung von vergleichbaren Vorfällen im Ausland?

B) Welche Maßnahmen werden ergriffen, Juden zu schützen - besonders Neueinwanderer - vor Antisemiten, die in Israel angekommen sind, ob im Einklang mit dem Rückkehrgesetz oder durch dessen Verletzung?

C) Ist nicht die Zeit gekommen, Gesetze gegen antisemitische Ausschreitungen zu erlassen, ähnlich denen, die in vielen europäischen Ländern gelten?"

Er bekommt eine einzige Antwort, vom seinerzeitigen Minister für Fragen der Diaspora Rabbi Michael Melchior, der meint, es müsse mehr "jüdische Erziehung" für Neueinwanderer, aber auch für potentielle Immigranten in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion her. Grundlagen des Judentums sollten in Offenheit gelehrt werden, um den nach halachischen Gesetzen als Nichtjuden geltenden Einwanderern ein Mitgefühl mit der jüdischen Tradition zu vermitteln und so das "Phänomen" [sic] zu vermeiden, das Zalman Gilichinsky beschrieben habe. Der meint denn auch, der Rabbi habe nichts begriffen von der speziellen Frage, die ihm gestellt wurde.

Die Ergebnisse der Untersuchung veröffentlicht Zalman Gilichinsky in israelischen und ausländischen, hauptsächlich russischsprachigen Medien. Viele hebräische Medien verweigern die Veröffentlichung der Informationen, da sie sich negativ auf die Aliyah, die Einwanderung, auswirken könnte. Die Taten würden von den oben genannten russischstämmigen Politikern als verständliche Reaktion auf antirussische Ressentiments der Juden beschönigt. Es gebe auch Knesset-Abgeordnete, die erklärten, nichts von antisemitischen Ausschreitungen zu wissen. Wenn man sie damit konfrontiere, erklärten sie diese zu Einzelfällen, wie der Gewerkschafter Haim Ramon, von der Histradrut.

Former justice minister [Haim Ramon], billionaire among Israelis named in ‘Pandora Papers’

Zalman Gilichinsky sieht die Absicht dahinter, die "Einwanderungsindustrie" der Rechtsregierung des Ariel Scharon nicht zu behindern. Das Auftauchen der Antisemiten in der Welle der Einwanderung zeigt ihm, daß die gegenwärtige Praxis der Rekrutierung in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion unangemessen ist. Die Anzahl der Vertreter der Jewish Agency for Israel in diesen Staaten sei umgekehrt proportional zur Anzahl der dort vorhandenen Juden. Die Einwanderung werde aber mit allen Mitteln vorangetrieben.

Der Protest in Israel gegen den Antisemitismus im Lande schweigt nicht. So schreibt Lily Galili, in Ha'aretz, am 23. Mai 2003, einen langen Artikel zum Thema des Antisemitismus der Nichtjuden aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Sie weist auf die rechtsextremen Web Sites hin und stellt eine Verbindung her zu den israelischen Einwanderungs- und Integrationsbestimmungen, die jeden willkommen hießen, wenn er nur kein Araber sei.

Pro-palästinensische Web Sites in Frankreich, darunter das sich inzwischen zur Anna Lindh Foundation zählende Comité pour une Paix juste au Proche-Orient (CAPJPO), das "Komitee für einen gerechten Frieden im Nahen Osten", und sicherlich auch solche in anderen westlichen Ländern, nehmen die Diskussion freudig auf und verweisen auf "das absurde Rückkehrgesetz", das wen auch immer ins Land lasse, wenn er nur kein Araber sei.

Einen Mißbrauch dieser Diskussion sieht denn auch Aaron J. Goldberg, vom Israel-Büro der Anti-Defamation League (ADL). Er meint, der Antisemitismus würde zynisch gebraucht, um eine Diskussion über das Rückkehrgesetz in Gang zu setzen. Das sei die wahre Absicht solcher, die angeblich den Antisemitismus in Israel bekämpften. Zalman Gilichinsky argumentiere auf der politischen und nicht auf der juristischen Ebene. Antisemitische Akte beschränkten sich nicht nur auf Nichtjuden gegen Juden, sondern sie kämen auch bei Juden untereinander vor. 

Der Vertreter der ADL tut alles, um eine Diskussion über die Großzügigkeit des Rückkehrgesetzes abzublocken. Er behauptet, der Antisemitismus in Israel sei kein politisches, sondern nur ein juristisches Problem. Es ist nicht zu bestreiten, daß die ins Land geholten Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion unbeschadet, ob Juden oder Nichtjuden, als positiver Beitrag für die demographische Zählung betrachtet werden. Sie werden aus politischen Gründen ins Land geholt, und die Nichtjuden unter ihnen schaden mehr als sie nutzen. 

Die Jewish Agency for Israel in Zusammenarbeit mit christlichen Organisationen wie der lutherischen "Even Ezer” oder mit US-amerikanischen wie der jüdischen “Yad Ezra”, aus Michigan, gehen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion auf die Suche nach geeigneten Einwanderern für Israel.

Im Jahre 2002 sind laut dem israelischen statistischen Amt 25 Prozent der Bevölkerung Israels Nichtjuden, zwei Prozent mehr als 2001. Nach Erhebungen des Center for Issues of Assimilation der Bar Ilan Universität in Ramat Gan, bei Tel-Aviv, sind 28 Prozent der israelischen Bevölkerung Nichtjuden. Je jünger die Bevölkerungsgruppe, desto größer ist der Anteil der Nichtjuden an ihr. Heute ist eines von zwei Neugeborenen ein nicht-jüdisches Kind, und zwar von Arabern, von nicht-jüdischen Einwanderern oder von Gastarbeitern, die sich in Israel niedergelassen haben. Wenn noch Tausende von Nichtjuden unter dem Vorwand der Rückkehr ins Land geholt werden, beschleunigt sich der Prozeß, daß die Juden in Israel in der Minderheit sein werden. Von den aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion von 2000 bis 2002 ins Land geholten Rückkehrern sei nicht mehr als ein Viertel jüdisch, schreibt Zalman Gilichinsky: Diminishing the Jewish Population [nicht mehr online]

More than 12% of Israeli Residents Consider Russian as Their Native Language

In total, according to the statistical bureau, 9.593 million people live in Israel, 74% of them are Jews, 21% are Arabs, 5% are representatives of other nationalities. Over the year, the country's population increased by 1.8%, including due to the arrival of 25.5 thousand new repatriates.

Beeindruckend ist die Schärfe, mit der Aaron J. Goldberg, in einem Brief an den Herausgeber der Ha'aretz, vom 26. Mai 2003 [nicht mehr online], Zalman Gilichinsky erwidert. 

Dieser hat mehrfach, wie oben beschrieben, und wie man auf seiner Web Site lesen kann [nicht mehr online], die Einführung einer Gesetzgebung gegen Antisemitismus und Rassismus gefordert. Sie wird von der israelischen Regierung und der Knesset verweigert. Es könnten, wie von Aaron J. Goldberg gefordert, in den zu schaffenden Gesetzen sicherlich verschiedene Formen des Rassismus und der Ausschreitungen gegen alle Religionen, sexuellen Orientierungen und Kulturen als strafbare Handlungen aufgenommen werden.

Aaron J. Goldberg kann mit noch so harschen Worten die Gefahr nicht hinwegbringen, die für Israel besteht: die Zerstörung der Gesellschaft von innen. Es ist nämlich nicht dasselbe, ob Antisemitismus und Rassismus in Israel oder in einem anderen Land auftreten. Für Israel ist dies existenzbedrohend. genauso wie die ganze verwegene Politik, die gegenwärtig von der Regierung des Ariel Scharon betrieben wird.

An Negationisten, Antisemiten und Antizionisten aus Israel selbst besteht also zukünftig kein Mangel. Sie verbreiten unter Beifall aller Palästinenserfreunde, Antisemiten und sonstigen Israelfeinde ihr Gift. Entgegen der Ansicht der Israelfeinde bewirkt dies nicht das Rückkehrgesetz selbst, sondern die Großzügigkeit, mit der das Gesetz gehandhabt wird, in dem Einwanderer ohne jede Verbindung zum Judentum ins Land gelassen werden, als wenn sie Juden wären, kritisiert Jean-Yves Camus, auf der Website Proche-Orient.info, am 24. Juni 2003 [nicht mehr online].

Links und einige Informationen aktualisiert, am 30. Dezember 2022