Diese älteren Herrschaften langweilen sich heuer. Ihre recht ordentlichen Renten und Pensionen gehen monatlich auf dem Girokonto der Sparkasse oder Volksbank, der Caisse d'Epargne oder Banque populaire ein, die Kinder sind lange aus dem Haus und die Enkel nicht mehr zu hüten. Der ewig gleiche Alltag und die jährlichen Ferien in Juist oder am Wolfgangsee, an der Grande Motte oder im Zentralmassiv bedürfen der Unterbrechung, schließlich gehört man noch nicht zum alten Eisen.
Wie in seiner Jugend schert einen nicht Gesetz und Recht, sie sind eh nur zur Unterdrückung freier Menschen geschaffen. Es gilt heuer außer dem Recht der Araber auf Palästina und der Freiheit, dafür in selbst bestimmter Weise einzutreten, nichts anderes als die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, von der man bis heute annimmt, sie sei von Frankreich erfunden, der Revolution von 1789 entsprungen, und von der man neuerdings weiß, daß Stéphane Hessel, Idol und Mitstreiter im Kampf um die Befreiung der Palästinenser in Gaza vom israelischen Joch (Israel assassin ! Israel, Mörder!), ihr Mitverfasser und Mitunterzeichner ist. René Cassin schafft's dank der Hilfe seines einstigen Taschenträgers Stéphane Hessel, wenn überhaupt, in ihrer Erinnerung bis zum Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg und zu einer Nebenrolle in Paris, weil ihr Idol ihn im Rahmen der ausführlichen Schilderung seiner eigenen angeblichen Rolle kurz erwähnt, und vom Kanadier John Humphrey haben sie noch nie gehört.
Zu dieser Spezies können auch drei Katalanen gezählt werden, pensionierte Lehrer, die am 8. Juli 2011, zur gleichen Zeit wie die Gaza-Flottille, im Flugzeug über Tel Aviv nach Palästina aufbrechen wollen. Die Aktivisten, zwei Damen und ein Herr, nehmen an einer Mission teil, die 500 bis 600 Personen umfassen soll, von denen die Hälfte aus Frankreich, der Rest aus dem übrigen Europa stammt. Angeblich sind sie von 15 palästinensischen Vereinigungen eingeladen, vermittelt durch andere, darunter die gemeinnützige Organisation (sic!) CAPJPO - Euro Palestine. Um wen es bei dem im Jahr 2002 gegründeten Verein im einzelnen geht, liest man im Artikel von I. Ben Avraham, auf drzz.info, vom 8. Juli 2009, um eine radikale pro-Hamas Organisation, gegründet von zwei trotzkistischen Journalisten der Lutte ouvrière, der Jüdin Olivia Zémor und Nicolas Shashahani, schiitischer Sohn eines iranischen kommunistischen Vaters, auf der Site lemondereel.fr ebenfalls als jüdischer Herkunft bezeichnet (die Seite bitte runterscrollen), von der Mutter ist allerdings islamkonform nirgends die Rede. Euro-Palestine stellt zu den Europawahlen 2004 eine eigene Liste auf, sie wird angeführt vom Komiker Dieudonné. Bei ihren Wahlveranstaltungen in den Universitäten in und um Paris versammeln sich in aller Öffentlichkeit die Antisemiten und bringen ihre Hetze unters Volk. 50 000 Stimmen = 1,83 Prozent erhalten die von der Regierung des Iran über das Centre Zahra unterstützten Kämpfer gegen Israel.
Von dieser Organisation betrachten sich die drei katalanischen Pensionäre eingeladen. Am 27. Juni 2011 werden sie von Bernard Cholet, einem anderen Pensionär, vom Collectif 66 Paix et Justice en Palestine, dem Kollektiv Frieden und Gerechtigkeit in Palästina, mit vielen guten Wünschen für das Gelingen der Operation aus der Heimat verabschiedet. Sie schildern der Lokalzeitung L'Indépendant, einem Blatt aus der Le Monde-Gruppe, ihre Erwartungen. Die erste Etappe ihrer Reise sei entscheidend, was sie dann, in Tel Aviv angelangt, machen würden, das sei noch nicht bestimmt. Es könne sein, daß man sie am Flughafen oder in wenig gastfreundlichen Örtlichkeiten zurückhielte, bevor man sie zurückschicke. "Wenn die Gesamtheit der Leute, die am 8. Juli ankommen werden, in kleinen Gruppen in Palästina eindringen, pénétrer, und mit der Bevölkerung in Kontakt treten könnten, wäre das eine Premiere, ein Ereignis! Auf jeden Fall werden wir bei unserer Ankunft in Tel Aviv deutlich sagen, daß wir auf Einladung palästinensischer Vereinigungen kommen." Am 16. Juli wollen sie zurückfliegen.
Die Wortwahl, pénétrer, zeigt das Bewußtsein der Illegalität, die drei revoluzzenden Pensionäre begeben sich in aller geistigen Klarheit in die Lage.
Am 7. Juli ist für die drei katalanischen Pensionäre sowie für 339 weitere Reisende am Flughafen Roissy CDG Ende der Abenteuerreise. Als sie an Bord gehen wollen, gibt es die Überraschung, daß es ihnen untersagt wird. "Ihre Namen und die von Hunderten anderer Passagiere waren auf einer von den israelischen Behörden an die Luftlinien gelieferten nicht abgeschlossenen Liste der 'Unerwünschten'. Das in Hebräisch und Englisch verfaßte Dokument bezeichnete sie als 'pro-palästinensische Radikale'. Wenn auch die Quasi-Gewißheit in ihren Köpfen war, in Tel Aviv festgesetzt zu werden, so hatte keiner von ihnen das in Paris erwartet." Einige Sympathisanten demonstrieren am Flughafen, wo sie von der Polizei vertrieben werden, vor dem Rathaus von Paris und dann auf den Champs-Elysées. "Dennoch gelang es etwa hundert französischen und Staatsangehörigen anderer Länder, nach Israel einzureisen, wo sie bei ihrer Ankunft inhaftiert worden sind." Die drei Katalanen lassen sich nicht beirren in ihrer Unterstützung der palästinensischen Bevölkerung, berichtet L'Indépendant, und die Empörung darüber, daß die Liste nicht einmal in französisch geliefert wird, springt den Leser an.
Weder L'Indépendant noch die Flugreisenden haben anscheinend jemals von der International Air Transport Association (IATA) und ihren Bestimmungen vernommen. Kein Wunder, wenn man täglich von per Boot, Bahn und Flugzeug illegal nach Frankreich einreisenden Immigranten aus den islamischen Staaten und Afrikas liest, hört und sieht. In Westeuropa, mit Ausnahme Dänemarks, darf jeder einreisen, es ist nicht so wie in Australien beispielsweise, von wo mir eine Freundin gerade gestern berichtet, daß die Bestimmungen weiter verschärft worden seien. Im Fall von Israel, das nach Ansicht der Palästinenser- und Hamas-Freunde kein Recht auf staatliche Hoheit hat, gibt es nur völliges Unverständnis, wenn dessen Regierung sie und die Welt mit staatlichen Maßnahmen konfrontiert. Das ist so bei der Aberkennung der Legalität von Maßnahmen im Rahmen des internationalen Seerechtes, und das ist auch hier so.
Am Morgen des 19. Juli 2011 macht Israel dem Angriff des Schiffes Frankreichs für Gaza "Dignité al-Karama" auf seine Hoheitsrechte ohne Gewaltanwendung ein Ende, 16 Aktivisten und Journalisten, darunter Amira Hass, von Haaretz, und ein Journalist von Al-Jazeera, werden nach Ashdod verbracht. Als Hilfsschiff bezeichnet die WELT diese schwimmende Provokation. Der auf dem Schiff mitschippernde Thomas Sommer-Houdeville aber erklärt, das Schiff transportiere nichts als eine symbolische Nachricht des Friedens, der Hoffnung und der Liebe, Israel habe keinen Grund, es aufzuhalten. In mehreren Artikeln habe ich über den fanatischen Israelfeind berichtet. Zuletzt leitet er, im Oktober 2010, ungehindert eine Allparteienpressekonferenz in der Nationalversammlung.
Euro-Palestine bezeichnet die Operation Israels als Piraterie. Seine Marine habe gegen ein kleines Boot 80 Kilometer von der Grenze entfernt einen brillianten Seesieg errungen und 16 Passagiere als Geiseln genommen. Die "kriminelle Blockade Gazas" habe symbolisch gebrochen werden sollen. Es wird wieder behauptet, Maßnahmen gegen den Bruch von Seeblockaden dürften nicht außerhalb der Grenzen ergriffen werden. Die Kenntnis von Gesetzen kann man bei Linken nicht voraussetzen, Aktivisten wie Thomas Sommer-Houdeville unterstelle ich aber die genaue Kenntnis der Rechtslage, der geplante Gesetzesbruch wird seinen Mitstreitern und der Welt als rechtmäßig dargestellt. Entsprechend wird in Paris, Metro Franklin-Roosevelt, "gegen diesen neuen Akt der Piraterie" demonstriert, nachdem nun gerade die in den israelischen Kerkern gefangengehaltenen Franzosen berichtet haben. Sie wollten angeblich gar nicht nach Gaza, sondern, wirksam addressiert an die Christen, nach Bethlehem.
Die Verweigerung des Fluges nach Tel Aviv in Paris stößt erst recht auf ungläubiges Staunen der Aktivisten. Unsere Pensionäre, zwei davon ein Ehepaar, halten ein von ihnen verfaßtes DIN A4-Blatt in die Kamera: Jo Terroriste no 149, Marite Terroriste no 233. Sie haben keine Ahnung von der Rechtslage im internationalen Flugverkehr. Die IATA-Vorschriften über die Flugreisen sind strikt. Geregelt wird nahezu alles, wieviel Zeit zwischen dem Flug und dem Anschlußflug vorgesehen werden muß, wie zu verfahren ist, wenn der erste Carrier Verspätung hat und der Anschlußflug weg ist, wie zu verfahren ist mit den Rechtsbestimmungen zur Einreise in und zur Durchreise durch Staaten, wie das Gepäck beschaffen sein muß oder darf und vieles mehr. Es ist die Verantwortung der Luftlinie, des Carriers, die Rechtsvorschriften des Anfluglandes zu berücksichtigen und Passagiere, die dem nicht genügen, den Flug zu verweigern.
Ich habe während meiner beruflichen Reisen selbst einen krassen Fall erlebt, er liegt nun mehr als zwanzig Jahre zurück. Im Anschluß an eine Dienstreise nach Rabat/Marokko sollte ich nach Bombay/Indien fliegen, und warum erst immer wieder in eine westeuropäische Hauptstadt, wenn frau über Saudi-Arabien fliegen kann? Wie aufregend! LH Berlin, seinerzeit nicht im Zentrum des internationalen Reiseverkehrs und leicht verschlafen, bucht Rabat - Riyadh - Bombay. Als ich in Rabat zum Flughafen komme, wird mir erklärt, ich hätte kein Visum für Saudi-Arabien, und da ich dort einreiste mit der einen Linie und nach einigen Stunden weiterflöge mit einer anderen Linie (ich weiß nicht mehr, ob auch von einem anderen Flughafen), bedürfte ich eines Visums für Saudi-Arabien. Die Luftlinie weigerte sich gemäß der IATA-Richtlinien, mich mitzunehmen. Wie's die Fügung wollte, war ein Geheimdienstmitarbeiter aus Saudi-Arabien vor Ort, ein sehr freundlicher kompetenter Mann. Er schilderte mir in finstersten Farben, daß man mich bei illegaler Einreise in ein verliesähnliches Zimmerchen sperren werde, wo ich auf meine Rückreise nach Rabat warten dürfte. Ich bin daraufhin mit der nächsten Maschine, es war KLM, nach Amsterdam geflogen und von dort mit Air India nach Delhi. Von Delhi mit Indian Air nach Bombay, wo ich ankam, als die Konferenz, auf der ich eine der Eröffnungsreden halten sollte, eben in die Kaffeepause des Nachmittags ging.
Darf ich raten, was die drei reiselustigen Pensionäre gesagt hätten? Dies: Sie haben die Gesetze des Landes zu achten. Die islamischen Länder sind darin besonders sorgfältig, gerade alleinreisende Frauen betreffend, das hätten Sie doch vorher wissen müssen. Jeder Staat hat das Recht, die Bestimmungen für die Luftfahrt so zu erlassen, wie er es für richtig hält. Man hat sich dem anzupassen und sich nicht aufzuspielen und Sonderbedingungen zu fordern.
Für Israel gilt dies alles nicht. Da hätte Air France die Fluggäste trotz vorliegender Liste mit den Namen derer, die keine Einreise in Israel bekommen würden, einfach an Bord gehen lassen sollen, sie hätten vielleicht sogar das Quai d'Orsay informieren sollen, damit das eine Protestnote nach Israel schickt, oder was? So wird denn auch seitens der Aktivisten der Vorwurf an die französische Regierung gerichtet, versagt zu haben, dabei tut Frankreich doch schon alles, um seine Mittelsmänner Régis Debray und Stéphane Hessel zur Vertretung französischer Interessen nach Gaza zu bringen. Revoluzzende Rentner, Pensionäre, Studenten und arbeitslose "jeunes" sind wenig hilfreich in der politique arabisante Frankreichs.
Es ist ein Ausdruck des Elends der französischen MSM, daß Le Monde sich dazu hergibt, die Wut der Aktivisten gegen die französische Regierung unkommentiert zu artikulieren. Israel übt keinen "Druck auf die Luftlinien" in Frankreich, Belgien und der Schweiz aus, sondern übergibt ihnen Namenslisten von Passagieren, deren Einreise unerwünscht ist, "indésirable". Das macht jedes Land so. Es ist gegen besseres Wissen pure Heuchelei von Le Monde, es ist Stimmenfang für die Linksparteien, gegen die Regierung. Kein Wunder, daß der Artikel nicht mit Namen gezeichnet ist. Welcher der Redakteure wollte solche Propaganda verantworten?
Und so schimpfen nun die Aktivisten auf die israelische und die französische Regierung, und wenn sie nicht gestorben sind, schimpfen sie heute noch.