Das Buch von Alain Monod über Sébastien Le Prestre, Marquis de Vauban (1633 - 1707), ist spannender als ein Krimi. Im folgenden soll nicht seine Aufforderung von 1689 an Ludwig XIV. behandelt werden, das 1685 widerrufene Toleranzedikt von Nantes, des Henri IV, von 1598, wieder einzusetzen, die Hugenotten ins Land zurückzuholen, auch nicht seine überragenden Leistungen als Militäringenieur Frankreichs, sondern sein Finanzprojekt, veröffentlicht 1707 auf 200 Seiten, Dixme royale. Der königliche Zehnte, "zum Wohle seines [des Königs] Staates".
Meinungsfreiheit, "selbst in der Religion", sowie Gleichheit vor der Besteuerung und die Befestigung des Reiches nach außen gehören allerdings zusammen. Ein Gemeinwesen kann nur gedeihen, wenn es nach außen gesichert ist, und im Innern freie Bürger nach festen, für alle gleichen Gesetzen leben können. Jede Unausgewogenheit führt zur Zerstörung der Gesellschaft. Wir erleben es heute: Deutschland und Europa sind weder durch feste Grenzen nach außen gesichert, noch leben im Innern Bürger nach verständlichen, für alle gleichen Gesetzen. Die 33 000 Regelungen des Steuerrechts und die Ungleichbehandlung von Einheimischen und Immigranten, nicht zu reden von Sonderrechten für Frauen, Homosexuelle und andere jeweils mit Ansprüchen hervortretende Gruppen, werden zur Zerstörung unserer Gesellschaft führen. Ist es im 17. Jahrhundert der absolutistische Herrscher mit seinen Schranzen, so sind es heute die Politiker aller Richtungen, Kirchen, Institutionen und MSM, die losgelöst von der Realität, in aller Willkür Wahrheiten erfinden und verkünden. Wie zu Zeiten des Sonnenkönigs fallen diejenigen, die nicht folgen können oder wollen, in Ungnade. Kommt man im 17. Jahrhundert auf die Galeere, so durchlebt man heute die Galeere, als rassistisch, rechtsextrem, elitär, mitleidlos, und was es sonst noch an tödlichen Begriffen gibt, abqualifiziert zu werden.
Es ist seit Jahrhunderten das gleiche Lied, aber der Marquis de Vauban will nur aus dem Mittelalter austreten. Er ist kein Revolutionär, sondern ein Mann klaren Verstandes, der Land und Leute kennt, und der seinem König dienen will. Er will Frankreich sicherer machen, und im Innern soll die Gesellschaft prosperieren. Die Ungerechtigkeit der Steuerbelastung sieht er als den wichtigsten Hinderungsgrund an. Dem König trägt er seine Ideen über den Einheitssteuersatz vor, er geht aus von Beträgen zwischen zehn und 20 Prozent, je nach Bedarf des Staates im jeweiligen Jahr. Der König, der seinen Baumeister sehr schätzt, hört sich das in mehreren Audienzen an und serviert ihn ab, wie heutzutage Regierende und Opposition im Schulterschluß Prof. Dr. Paul Kirchhof, den "Professor aus Heidelberg", den sie sehr schätzen, ebenfalls nach mehreren Audienzen.
"Ich bin Franzose, meinem Vaterland sehr ergeben und sehr dankbar für die Gnaden und die Gunst, mit denen es dem König beliebt hat, mich seit so langer Zeit auszuzeichnen," beginnt er 1698 einen Brief an Ludwig XIV. Er berichtet von den im Rahmen seiner Aufgaben über 40 Jahre in unzähligen Reisen zusammengekommenen Erfahrungen mit den Zuständen im Lande. "Die Lage des Volkes, dessen Armut oftmals mein Mitleid erregt hat, schaffte mir die Gelegenheit, die Gründe dafür zu erforschen." Der wesentliche Grund erscheint ihm die große Ungerechtigkeit der Steuern. Unterdrückung und steuerliche Willkür erreichen unter Ludwig XIV. in Frankreich ihren Höhepunkt. (S. 101f.)
Das Steuersystem stammt aus dem Mittelalter, nach dem Ende des Hundertjährigen Krieges, der Guerre de Cent Ans, aus der Zeit von 1450-1500, und früher. Direkte und indirekte Steuern, überall im Lande unterschiedlich hoch, eingetrieben von Steuerpächtern (les fermiers), überlagern sich, für Ländereien, Häuser, Personen (la taille), für Lebensmittel, Transportmittel (les aides), Handel zwischen den Provinzen und mit dem Ausland (les traites), und vor allem die Salzsteuer (la gabelle), die das Volk am schwersten trifft, weil Salz zur Konservierung von Fleisch und Fisch unerläßlich ist.
Ludwig XIV. erhebt zusätzlich eine Kopfsteuer (la capitation), die jeder außer ihm zahlen muß. "Ihre Grundlage brachte die Ungleichheit der Gesellschaft vollkommen zum Ausdruck: Die Untertanen waren entsprechend ihrer Stellung in 22 Klassen eingeteilt und zahlten eine ihrem Rang entsprechende Summe." 1698, nach dem Frieden von Ryswick, wird sie abgeschafft, 1701, bei Beginn der spanischen Erbfolgekriege, legt er sie wieder auf. Die Einnahmen verdoppeln sich, aber die Ausgaben verdreifachen sich. Durch die Kriege des Königs findet man das Land bei seinem Tode, 1715, in elenderem Zustand vor als bei Beginn seiner Herrschaft. (S. 105)
Dieses System will Marschall Vauban reformieren, d'abord il faut sortir du moyen age, zunächst muß man aus dem Mittelalter heraus. Von den 200 Seiten seines Werkes sind 20 Vorwort, in dem er die Grundsätze seiner Ausführungen darlegt, 80 Seiten umfassen die Reformvorschläge, ihre Notwendigkeit, Nützlichkeit und ihren Inhalt sowie 100 Seiten Begründung durch Tatsachenberichte. Die 20 Seiten des Vorwortes projizieren die Leser ins Getöse von 1789, "und noch mehr in die moderne Welt", meint Alain Monod.
"Also eine Proportionssteuer (1/10 des Einkommens) 'auf alle Früchte des Bodens einerseits und auf alles, was das Einkommen der Menschen andererseits ausmacht ... ein der Korruption weniger verdächtiges System, weil es nur seinem Tarif unterworfen ist und in keiner Weise der Willkür der Menschen.' " (S.108)
Man erkennt in ihm Ähnlichkeiten zu unserem Steuersystem. Unter Ludwig XIV. zahlt man weniger Steuern, je höher man in der gesellschaftlichen Hierarchie angesiedelt ist. Adelige, der Klerus und die Offiziere, alle in öffentlichen Ämtern, zahlen für sich, ihre Ländereien und Häuser im Gegensatz zu Bauern, Arbeitern und Bürgern keine Steuern, die Personensteuer zahlen alle anderen allein dafür, daß sie leben.
Auch die deutschen Steuerzahler sind in Klassen eingeteilt, sie unterliegen der Steuerprogression. Wer diese für gerecht hält, gar für sozial gerecht, möge erläutern, warum Personen mit mehr Vermögen prozentual mehr zahlen sollen und müssen. Auch unser Steuersystem ist zutiefst ungerecht, was sich reiche Familien nicht gefallen lassen. Sie bekommen dazu von unserem System durch Abschreibungen, Subventionen und Sondervergünstigungen die Möglichkeit, ihre Steuern herunterzurechnen, so daß sie fast den Adeligen, dem Klerus und den Offizieren des absolutistischen Frankreichs gleichen und prozentual weniger zahlen als die Ärmeren und Armen, manche schaffen es sogar und bekommen noch Rückvergütung. Wenn's alles nicht hilft, verlegen sie ihren Steuersitz ins Ausland, wo es den Einheitssteuersatz gibt, oder wo die Steuern frei verhandelt werden können.
Zur Untermauerung seiner grundsätzlichen Äußerungen beruft er sich auf die Bibel, die schon seit 3000 Jahren davon berichte, sowie auf die Chinesen. China wird zur Zeit des Sonnenkönigs mit Begeisterung entdeckt und beobachtet, die jesuitischen Missionare zeigen die Solidität der kunfuzianischen Moral, und sie bringen die Kunde vom Einheitssteuersatz. Pater Louis Lecomte schreibt darüber 1696 in seinem Werk Nouveaux mémoires sur l'état présent de la Chine. Neue Erinnerungen über den gegenwärtigen Zustand von China.
"Er zeigt dort, wie der Kaiser von China dreimal so hohe Einnahmen hatte wie Ludwig XIV. Und er betonte dabei das Prinzip der Gleichheit vor der Steuer, die so die wunderbaren Ergebnisse gebracht hätten. 'Alle in China sind Volk oder Mandarin. Es gibt keine Ländereien, die nicht bürgerlich wären; nicht einmal diejenigen, die man zum Unterhalt der chinesischen Minister bestimmt hat, oder die den Göttertempeln geweiht sind. So sind ihre Götter Untertanen wie die Staatsbeamten und verpflichtet, die Souveränität des Staates durch die direkten Steuern und allgemeine Beiträge anzuerkennen.' " (S. 109)
Der Marquis de Vauban beabsichtigt eine grundlegende Neudefinition von Steuern. Seit dem Mittelalter sind sie Hilfsmittel, vom König wird wie von allen anderen Adeligen des Landes verlangt, daß er von seinen Gütern lebt, und nur in Kriegs- und Krisenzeiten werden Abgaben erhoben. Im Laufe der Zeit werden diese der andauernden Kriegs- und Krisenzeiten wegen beibehalten, und Ludwig XIV. sieht keine Veranlassung etwas daran zu ändern. Der Marquis de Vauban will die für den König erhobenen Steuern in regulär für die Staatsausgaben benötigten umwandeln.
Seine Grundüberzeugung ist, daß jeder Franzose das Recht hat, vom Staat beschützt zu werden. Die Untertanen haben die Pflicht, das zu finanzieren aus Abgaben von den Erträgen der Landwirtschaft, der Stadthäuser und Marktplätze des Königreichs, dann von Industrie und Handwerk, den königlichen Gehältern, Pensionen und allen anderen Einkünften. Die Salzsteuer will er streichen. Es sind darunter Einkünfte, die aus grauer Vorzeit von Steuern befreit sind. Er ist von seinen eigenen Ideen angetan: "Je mehr man dieses System prüft, desto exzellenter findet man es." Da hört man Prof. Dr. Paul Kirchhof reden, und auch auf ihn trifft zu, was Alain Monod vom Marquis de Vauban meint: "mehr Naivität als Eitelkeit". Er meint außerdem, diese Einstellung sei heute ein Gemeinplatz, Vauban dagegen habe angestanden gegen Theoretiker, Politiker, Publizisten aller Art und aller Dienstgrade: "Diese Leute wiederholen, daß der König ein Ländereien besitzender feudaler Edelmann ist, der normalerweise von seinen Gütern lebt."
Der Marquis de Vauban führt ungewollt einen Angriff gegen die absolutistische Monarchie, gegen das inkohärente Steuersystem mit seinem Gefolge von Hilfskräften, Zuarbeitern und Verwaltern, gegen einen Adelsstand, der sich mit Pfründen und Privilegien mästet. Das Königreich zerfällt in Provinzen unterschiedlicher Steuergepflogenheiten, der Marquis will Vereinheitlichung. Statt lokaler Freiheiten, die teilweise auf Kleinstgruppen beschränkt sind, statt einem Frankreich der Ansammlung von Provinzen, kleiner Länder und Gemeinden, in denen die angeblich aus grauer Vorzeit datierenden Privilegien stammen, will er ein einziges Vaterland, la patrie, an den Grenzen umgeben von seinen Befestigungswerken und innen blühend durch gleichberechtigten und -verpflichteten Beitrag. Aber die aus Gruppen und Einzelpersonen bestehende Gesellschaft pocht auf ihre angestammten Rechte und Freiheiten, auf Vergünstigungen und Steuererlasse, dem Staat gesteht sie nichts zu. Diese Gruppen und einzelnen kommen in den Genuß der Aussparung von Beiträgen, Auflagen und verschiedenen Steuern. (S. 110 ff.)
Für die linken Revoluzzer, die auch heute gegen die angeblich unsozialen Vorschläge des Prof. Dr. Paul Kirchhof Sturm laufen, hat Alain Monod diese Anekdote: Der Rechtsprofessor an der Sorbonne Roland Mousnier kommentiert das Werk Dixme de Vauban und ruft den Studenten zu: "Also, Sie sehen diesen Punkt betreffend, auch, daß Vauban revolutionär ist, weil dieser Grundsatz [der Gleichheit aller vor der Steuer] Schluß macht mit den überkommenen Rechten, den Privilegien, den Freiheiten. Der Sinn dieses Grundsatzes, wenn man ihn beim Wort nähme, und wenn Vauban ihn hätte wörtlich anwenden können, wäre schon eine Nacht des 4. August gewesen ..." In der Nacht vom 4. August 1789 beschließen die Abgeordneten der Verfassungsgebenden Nationalversammlung die Abschaffung aller feudalen Rechte. Das Anekdotische daran ist, daß diese Vorlesung im Mai 1968 von den revoluzzenden Studenten gestürmt und beendet wird. (S. 113)
Die Zeit des Marquis de Vauban ähnelt, was die Steuergesetzgebung angeht, der heutigen in Deutschland, von einem Gemeinplatz kann nicht die Rede sein. Auch heute bedienen sich die Finanzminister des Bundes und der Länder im Auftrag ihrer Regierungschefs des inkohärenten Steuersystems und versorgen diejenigen, die ihnen politisch nützlich sind und Wählerstimmen bringen, mit Pfründen und Privilegien. Der Unterschied ist, daß in einer Demokratie nicht einfach über das Volk hinweggegangen werden und gleich und ohne Umschweife die begüterte Klasse begünstigt werden kann, daß die Vergünstigungen auch nicht willkürlich gewährt werden können, sondern sie müssen gesetzlich verankert werden. Die Tipps und Tricks zum Kleinrechnen des Vermögens der Begüterten werden gesetzlich fixiert und mitgeliefert. So können sich die mittleren und hohen Einkommen über die Ungerechtigkeit der Steuerprogression beklagen und gleichzeitig mit ganz legalen Steuertricks den Prozentsatz ihrer Steuern gegen Null einköcheln. Von den 33 000 Regeln diejenigen im Sinne der steuerpflichtigen Masse anzuwenden, die für sie relevant sind, gibt's den Großen Konz mit seinen "1000 ganz legalen Steuertricks". Was dem einen Wähler an Ratschlägen gegeben worden ist, müssen die anderen nicht wissen. Der Große Konz sammelt die Daten und ist der "Steuerratgeber mit zahlreichen neuen Tipps und Tricks für die Steuererklärung". Alle Jahre wieder!
Das System zu absolutistischen Zeiten Frankreichs und das System Deutschlands gründen auf der gleichen Ungerechtigkeit: Der Marquis de Vauban einst, wie Prof. Dr. Paul Kirchhof jetzt, machen ihre Vorschläge für alle Untertanen bzw. Bürger des Staates sowie zur Auffüllung der Staatskassen. "So werden durch diesen Grundsatz [daß die Steuereinnahmen Staatseinkünfte zur Sicherung des Staates nach innen und außen sind] mit einem Streich alle die Steuerprivilegien abgeschafft." Es gibt keine Steuervergünstigungen mehr. (S. 114)
China einst und die Slowakei jetzt sind die besten Beispiele fürs Gelingen. Auch Rußlands Finanzminister soll noch nie so viele Steuern eingenommen haben wie seit der Einführung des Einheitssteuersatzes von 13 Prozent. Die Staaten wetteifern, der beste Industriestandort zu sein. Ein einfaches Steuersystem ist neben qualifizierten Arbeitskräften eine Hauptattraktion. Ein Steuerdschungel wie in Deutschland törnt jeden potentiellen Investor ab.
Das Cato Institute hat in seinem Archiv zahlreiche Beispiele von Ländern vorrätig, die den Einheitssteuersatz eingeführt haben bzw. eben dabei sind, das zu tun: Ungarn verliert Geschäftspartner, weil es im Gegensatz zu seinen Nachbarn keine Flat Rate Tax eingeführt hat, Mauritius, Montenegro, Bulgarien haben sie eingeführt, New Brunswick ist auf dem Wege, in Illinois wollen, wie kann es anders sein, Demokraten, im April 2008, zur Wahlkampfzeit des Barack Obama, den Einheitssteuersatz abschaffen, sie bedienen ihre Klientel, wie in Deutschland. Was es für die Leistungsbereitschaft bedeutet, interessiert diese Politiker nicht, sie wollen Geld zum Verteilen, damit sie wiedergewählt werden.
Das wird auch eines der größeren Hindernisse in Deutschland sein. Es sind traditionell die linken Politiker, die Geld zum Verteilen unter den Armen brauchen, Kartoffeln, wie in Teherans Südstadt, verteilt vom Wahlkämpfer Mahmud Ahmadinejad, reichen in Deutschland nicht aus. Darum soll man sich nicht zu früh freuen, daß nun das Thema Einheitssteuersatz wieder hochkommt. Das Mittelalter ist noch längst nicht zu Ende.
So, und jetzt lese ich in dem spannenden Buch weiter, wie die Erläuterung des Dixme royale durch Marquis de Vauban beim König auf taube Ohren stößt, wie das Buch heimlich und gesetzwidrig gedruckt wird, die Polizei Untersuchungen anstellt, der Marquis in Ungnade fällt und in Kummer stirbt.
À suivre ...
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