24. Juli 2013

SWC. Klamauk als letzte Chance?


Das Simon Wiesenthal Center ist auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Diesmal mit einer Plakataktion unter dem Motto Spät, aber nicht zu spät. Late But Not Too Late. Das ist die Operation Last Chance II. Chance für wen oder was?

Update. Klamauk und kein Ende

Der Koordinator der Operation Efraim Zuroff, aus dem Jerusalemer Büro des SWC, erklärt, 
  1. die vergangene Zeit verringere nicht die Schuld (guilt) der Mörder, 
  2. ihr Alter sollte kein Grund sein, sie vor Verfolgung zu schützen, 
  3. jedes einzelne Mordopfer der Nazis verdiene es (deserve), daß Bemühungen unternommen werden, sie zur Rechenschaft zu ziehen,
  4. die Anstrengungen seien eine Erinnerung an die Bedeutung von Holocaust-Verbrechen und eine Warnung an zeitgenössische Antisemiten und Rassisten, 
  5. die Gerichtsverfahren seien hilfreich im Kampf gegen Holocaustleugnung und -entstellung.
Um mit den Punkten 4 und 5 anzufangen: Diese Anstrengungen werden weder als eine Erinnerung an die Bedeutung der Judenvernichtung wahrgenommen, die ist nämlich klar oder nicht, noch sind sie eine Warnung an die Judenhasser, Israelfeinde und Rassisten von heute; die werden durch solche Operationen nicht beeindruckt. Punkt 1 orientiert statt auf Recht auf Moral, Punkt 3 ist ebenfalls verfehlt; denn es geht bei der Strafverfolgung der Täter nicht darum, das Nazi-Opfer sie verdienen; mit was hätten sie sich verdient gemacht, mit ihrem Leiden und Sterben?

Die deutsche Website zur Operation Last Chance ist marktschreierisch, schwarzer Grund, weiß und gelbe Schrift, wie bei der Heavy Metal Band Black Sabbath online. Feiert Efraim Zuroff den Hexen-Sabbath? Es wird eine an Bedingungen geknüpfte Belohnung bis zu 25 000 € ausgesetzt; es stockt einem der Atem, wenn man das liest:

  • 5000 Euro für eine Anklageerhebung;
  • 5000 Euro für eine Verurteilung
  • 100 Euro pro Tag Haft für die ersten 150 Tage Gefängnis, 
  • bis zu 15.000 Euro zusätzlich.

Prof. Dr. Michael Wolffsohn wirft dem SWC, im Deutschlandradio Kultur, Wichtigtuerei und Klamauk vor, "viel wichtiger sei, dass die Aufarbeitung der NS-Diktatur solide und intensiv weitergehe". Henryk M. Broder meint in der Welt: Die Nazijagd des Wiesenthal-Centers ist eine Farce

Treffer! Versenkt! Worum geht es?

Es sollen noch ca. 60 Naziverbrecher leben, die zu belangen wären. Hier meine Rechnung: Mindestens die Hälfte von ihnen war zur Tatzeit nicht jünger als 22 Jahre, also Jahrgang 1922, wenn man vom Jahr 1944 ausgeht. Sie sind jetzt 90 Jahre. Man kann gern irgendwo zwei/drei Jahre wegnehmen oder dazutun, es wird grundsätzlich nicht besser mit dem Alter der Verbrecher, mit Sicherheit sind sie alle Lagerpersonal, Täter, die Hand angelegt haben, was ihre Taten nicht beschönigen soll. Ein damals 18-jähriger Folterer im Konzentrationslager wäre jetzt 86 Jahre alt. Günter GraSS, Jahrgang 1927, wäre für die Arbeit zu jung gewesen, und er ist schon 85 Jahre alt. Das Foto zeigt einen KZ-Wächter der SS mit seinem Hund (links) im KZ von Plaszow.

Hier als Beispiel, wie mit Nazi-Verbrechern umgegangen worden ist: Werner Best (1903 - 1989). Er starb unbehelligt und friedlich im Bett. Dieser Verbrecher hatte das Niveau von Hitler, Himmler, Heydrich. Er war Jahrgang 1903, Heydrich 1904, Himmler 1900, Hitler 1889.

Welchen Sinn soll es haben, wenn nun ein 86-jähriger Mann, unterstellt, er ist noch rüstig und bei guter Gesundheit, nach einer umständlichen und langen Prozeßvorbereitung eines Tages, dann ist er mindestens 87 Jahre, vors Gericht kommt. Ein gezielt unters Volk gebrachtes Foto vom 18-jährigen gutgläubigen Hitler-Anhänger in den Medien, und die Wirkung ist da. Heilend ist sie nicht. 

Das Foto zeigt einen jungen Waffen SS-Soldaten im Jahr 1942.

Die Operation Last Chance lenkt von allem ab, was die Juden und Israel heute angeht, also vom "Kauft nicht bei Juden" -> BDS Boycott Divestment Sanctions. Dazu findet man außer in der kleingedruckten Snider Social Action and Events nichts auf der Startseite des SWC, sondern unter den Rubriken DONATE JOIN ACT SHOP NEWS ABOUT ein Interview über die Lage in Ägypten, Proteste über antisemitische Rhetorik türkischer Politiker, zwei Fotos des republikanischen Kongreßabgeordneten Ed Royce und seines im Museum of Tolerance geehrten Vaters, einmal vor der von Häftlingen gestickten und den US-Befreiern des KZ überreichten Mauthausen-Flagge, einmal mit Holocaust-Überlebenden und Mitarbeitern des SWC, nach der Ehrung des Vaters als Befreier des KZ Dachau. Dann gibt's aber sofort wieder Donate now und den Online Shop. Man hätte es ob der spannenden anderen Aktualitäten glatt vergessen können.

Wenn die Deutschen jetzt in einem letzten Gefecht ernst machen und die 60 verbliebenen KZ-Wächter verfolgen, werden sie sich ein noch größeres Recht zubilligen, auf Verbrechen hinzuweisen, die Israel an den Palästinensern begehe; daß es Verbrechen sind, bestimmen diese Richter, beispielsweise das Nürnberger Evangelische Forum für den Frieden (NEFF), aus der Stadt der Reichsparteitage:

"Gerade weil die Entstehung des Staates Israel eng mit den Verbrechen Deutschlands an den Juden verknüpft ist, tragen wir Deutsche eine besondere Verantwortung dafür, dass die einheimische Bevölkerung in Palästina nicht zum Opfer der Opfer wird. Der Holocaust darf nicht zur Rechtfertigung von Menschenrechtsverletzungen werden."

Pastoren und Gemeinde, das NEFF-Team, werden begeistert sein von der Plakataktion. Aktionen und Veranstaltungen zur Aufspürung von wenigstens einem oder zweien der Nazi-Verbrecher könnten Knete in die knappen Kassen spülen.