8. Juli 2014

Frankreich. Einheitssteuersatz? Alle 300 Jahre wieder!


Der UMP-Senator von Essonne Serge Dassault, Besitzer des Figaro, plädiert für eine Flat Tax von 15 Prozent. Der Finanzminister Frankreichs würde 200 Milliarden Euro einnehmen, meint er.

Update
Vor 100 Jahren wurde in Frankreich die Einkommensteuer eingeführt.
Frankreich, 2016: 70% der Sympathisanten der Rechten sind für den Einheitssteuersatz

Glücklicherweise muß er auf Grund seines Ansehens und seines Reichtums, er ist Multimilliardär, nicht in Ungnade enden wie sein berühmter Vorgänger Sébastien Le Prestre, Marquis de Vauban (1633 - 1707), der vor 307 Jahren mittels Einführung des Einheitssteuersatzes sein Land aus dem Mittelalter führen will, in dem er Ludwig XIV. vorschlägt, den Dixme royale, den königlichen Zehnten, "zum Wohle seines [des Königs] Staates" einzuführen.

Er muß auch nicht, zuerst von Gerhard Schröder, dann von CDU- und FDP (pbuh)-Politikern Hohn und Spott ernten und als der Professor aus Heidelberg beleidigt werden wie der ehemalige Verfassungsrichter Prof. Dr. Paul Kirchhof, der den Großen Konz, das beliebteste Buch der Deutschen, in den Keller versenken will. Schluß wäre mit "1000 ganz legalen Steuertricks".

Die sozialdemokratische Mitmach-Partei CSU beweist in der Diskussion, daß sie nicht einmal ansatzweise begreift, worum es geht: "Das akademische Steuerkonzept Paul Kirchhofs scheint durch seine Einfachheit zu bestechen. Ein gutes Steuerkonzept darf jedoch nicht einseitig auf die Frage der Einfachheit reduziert werden. Entscheidend ist vielmehr die Frage nach der Gerechtigkeit und dieser Aspekt kommt beim Vorschlag Paul Kirchhofs leider viel zu kurz.  Ausnahmen gewährleisten nämlich die Steuergerechtigkeit im Einzelfall (z. B. Pendlerspauschale, Schicht- und Nachtzuschläge oder der ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf Lebensmittel)."

Eben die in Klammern aufgeführten Sonderregelungen sind Teil des Systems, das der Bevölkerung Brosamen gewährt, während die Reichen ihre Steuersätze von Fachleuten kleinrechnen lassen und zusätzlich Subventionen und Vergünstigungen bewilligt bekommen. Das sieht der 89-jährige Serge Dassault auf seine alten Tage ein, und darum ist er für den Einheitssteuersatz.

Budget : Serge Dassault pour une "flat tax"

Seit 1994 haben 42 Staaten der Welt den Einheitssteuersatz eingeführt, er beträgt zwischen 2,5% in Saudi-Arabien für die Einwohner der Golf-Staaten, Ausländer zahlen 20%, bis 37-46%, je nach Gemeinde, in Grönland.

Zehn US-Bundesstaaten und Alberta/Kanada haben auf Staats- bzw. Provinzebene die Flat Rate Tax eingeführt und damit ihr Steuersystem revolutioniert. Das Cato Institute bedauert, daß nicht alle Bundesstaaten der USA dem gefolgt sind. East Europeans opt for flat-rate tax, titelt die BBC, am 7. Januar 2005. In der Schweiz gibt es ebenfalls Kantone mit Einheitssteuersatz. Sie sind bei Investoren sehr beliebt. Arbeitsplätze und Wohlstand sind dort die Folge.

Nun will auch Serge Dassault aus dem Mittelalter austreten. Er weist dabei auf Rußland und seinen Steuersatz von 13% hin. Wladimir Putin hat einmal gesagt, so große Steuereinnahmen wie nach der Einführung des Einheitssteuersatzes, er lag zuerst bei 12%, hätte er noch nie im russischen Staatssäckel gesehen.

Aber nicht nur die sozialistische Regierung und ihre linksradikalen Derivate, sondern auch die bürgerliche UMP-Opposition werden ob der Vernunft in Entsetzensschreie ausbrechen. Wo bleiben die Sonderregelungen für die herrschende Klasse? Wie der Front National darauf reagiert, kann ich nicht absehen, bin gespannt!

Update

Il y a cent ans naissait l'impôt sur le revenu. Par Jacques de Saint-Victor,
Le Figaro, 11 juillet 2014 [nur für Abonennten]

Das Projekt wird 200 Jahre nach dem Vorschlag von Sébastien Le Prestre, Marquis de Vauban, über den Einheitssteuersatz von Finanzminister Joseph Caillaux vorgestellt, am 7. Februar 1907.

Die Einkommensteuer soll die völlig fern der wirtschaftlichen Entwicklung erhobenen ungerechten Steuern, vom Ende des 18. Jahrhunderts, die quatre vieilles, ersetzen, die direkten Abgaben auf den Besitz von Boden, den Mietwert einer Wohnung, nach indirekter Schätzung des Einkommens auf Grund gezahlter Pacht von Industrie- und/oder Handelsbetrieben sowie auf Grund der Schätzung, von außen, des Reichtums nach der Anzahl von Türen und Fenstern des Anwesens bzw. Hauses. Bezahlen muß der Bewohner, nicht der Besitzer.



Der Gegner dieses Gesetzes, Gaston Calmette, Direktor des Figaro, will den Finanzminister in der Öffentlichkeit unmöglich machen und veröffentlicht nicht nur abfällige Artikel über ihn, sondern auch dessen Liebesbriefe an eine Geliebte. Dafür streckt ihn die Ehefrau Henriette Calmette, am 16. März 1914, in seinem Büro mit einem Revolverschuß nieder, peng!

Ob Einkommensteuer oder Einheitssteuersatz, die Befürworter der Vernunft leben gefährlich. Sie werden politisch oder gar physisch erledigt, peng!

Update

70% des sympathisants de droite favorables à une "flat tax"
Par Cyrille Pluyette, Le Figaro, 21 avril 2016