2. September 2017

Krimis in ARD und ZDF. Zustandsbericht


Der Samstagabend war einst immer eine sichere Bank für Krimi-Liebhaber. In der ARD und ihren Regionalsendern gibt es heuer Spannung nicht vor Mitternacht: Kommissar Dupin beginnt 23:55 Uhr (Das Erste), Polizeiruf 110 mit meinen Lieblingen Herbert Schmücke/Schneider, ab 00:10 Uhr (HR), Ausnahme ein Charlotte-Lindholm-Tatort von 2003, 20:15 Uhr (NDR), danach wird "Mord mit Aussicht" abgenudelt, bis die Serie wieder bei allen Regionalsendern durch ist.

Wenigstens bemüht sich der RBB. Nach den Wiederholungen alter SFB-Tatorte in der Sommerzeit, danke dafür! gibt es jetzt die ersten beiden Folgen der Serie "Die Kanzlei", zur besten Sendezeit. Den täglich dicker werdenden "Pfarrer Braun" hat der SWR auf Lager, es reicht nicht, daß man ihn und seine krakelende Mutter als "Bullen von Tölz" bei Sat1Gold ausschaltet, er kommt immer wieder, und sei es in Wiederholungen der Serie "Kommissar Beck". "Grauenvoll!!! besten Dank," meint dorte, auf der Fan-Seite meines Lieblings Gunvald Larsson alias Mikael Persbrandt.

Wenn man im ZDF spannende Krimis sehen will, muß man nun schon seit geraumer Zeit immer früher den Ferni einschalten, Soko Wismar, um 12:15 Uhr, dann ist aber schon Schluß; denn es folgt "Father Brown", der einen nicht nur im ZDFneo, gleich nach Zombie "Monk", sondern im ZDF wieder zum Gähnen bringt. Aber auch am Nachmittag wird das Angebot an spannenden Krimis seltener, vom Abend nicht zu reden. Man probiere es selbst einmal aus für Samstag, 2. September 2017.

Wohin sind die Zeiten des Helmut Ringelmann? Jeder seiner Filme, jede seiner Serien ist gelungen: "Der Kommissar", "Derrick", "Der Alte". Wohin sind die Zeiten der Drehbuchautoren Karl Heinz Willschrei und Wolfgang Menge? Heute gibt's Susanne Porsche, Filmproduzentin im Rentenalter, und die "Neue Münchner Fernsehproduktion". Ihrem Namen scheint sie sich verpflichtet zu fühlen; denn sie düst mit affenartiger Geschwindigkeit durch die Kartei ihrer Schauspieler und schmeißt alle raus, die sie nicht für jugendlich attraktiv genug oder für zu krank hält, mitzuwirken an ihren Produktionen. Ob die Zuschauer die Serie "Der Alte" besonders lieben, weil da der kühl amtierende Spusi-Chef Werner Riedmann alias Markus Böttcher tätig ist, ob sie die Besetzung des "Alten" mit Kommissar Rolf Herzog alias Walter Kreye nach der Pensionierung von Kommissar Leo Kress gelungen finden, es macht nichts. Jener und sein Kollege Pierre Sanoussi-Bliss sind schon lange dabei? Es braucht neue Gesichter! Dieser wird krank? Ab, und weg mit ihm! Alles muß raus!

Wenn nun etwas Besseres als Markus Böttcher und Pierre Sanoussi-Bliss da wäre, würde man ja vielleicht verstehen, aber Stephanie Stumph, die schon in der Serie mit ihrem Vater Wolfgang Stumph "Stubbe - Von Fall zu Fall" durch Langweiligkeit auffällt, bei der es vielleicht zum Model reicht, die ist jetzt das verjüngte Gesicht des "Alten". Mißbrauchen Sie bitte nicht den Markennamen, sondern benennen Sie die Serie um, Frau Susanne Porsche, in "Die Neue"!

Die Serie "Stubbe" ist vor allem sehenswert wegen Tante Charlotte alias Margret Homeyer und Stubbes Kollegen Bernd Zimmermann alias Lutz Mackensy.


Und "Derrick" wird angeblich nicht mehr wiederholt, weil der Hauptdarsteller Hans Tappert in der Waffen-SS war. Das hindert das ZDF nicht, Sendungen über Günter GraSS auszustrahlen, lobende, wohlgemerkt, keine kritischen. Die Redakteure schreiben ihre Hymnen mit letzter Tinte.

Und nun noch kurz zum Jugendwahn: Der Fehler liegt grundsätzlich darin, daß nicht nur Susanne Porsche, sondern alle Fernsehproduzenten sich einbilden, solche Sendungen würden von Jugendlichen gesehen. Komisch ist es jedes Mal, wenn vor "Polizeiruf 110" oder vorm "Tatort" eingeblendet wird: "Dieser Film ist für Jugendliche unter 16 Jahren nicht geeignet".

Von 281 Folgen der Serie "Derrick" habe ich eine gesehen, die letzte, "Das Abschiedsgeschenk". Mit ihr hat sich das ZDF zu seinem 50-jährigen Bestehen beweihräuchert. Keine Folge der ersten zehn Episoden von "Der Alte", mit Hauptkommissar Erwin Köster alias Siegfried Lowitz, habe ich je gesehen. Ich weiß, daß man sie im Internet herunterladen kann, aber ich bin als IT-Null nicht in der Lage, das auf meinen Ferni zu übertragen. Auch für die Serie "Ein Fall für zwei" gilt das.

Jugendliche, die solche Serien gucken, sind bedauernswert. Haben sie keine Freunde, mit denen sie etwas unternehmen? Und heutzutage, anders als zu meiner Jugendzeit: Sitzen sie nicht mit ihrem Smartphone in der Ecke und träumen sich ein eignenes virtuelles Leben zurecht? Krimis sind für Menschen ab 50, wenn nicht für noch ältere. Wer bis dahin Fernsehen als Unterhaltung braucht, den kann man inner Pfeife roochen.

"Mit dem Alter der Zuschauer wachse das Interesse an diesem Genre. Drei Viertel aller Bundesbürger schauen jede Woche einen Krimi, die Krimifans gar fünf Filme pro Woche."

Deutsches Fernsehen zeigt täglich 19 Stunden Krimi? Mag sein! Aber welche Filme?!

Und dann geraten die Programmplaner in Rage. Anstatt einen eineinhalbstündigen Krimi oder zwei einstündige zu menschenwürdiger Zeit zu bringen, also vor Mitternacht, gibt es Tage, da jagt ein Krimi den nächsten, vom frühen Nachmittag bis in die späte Nacht. Wenn man Pech hat, sind es solche, die man alle gern gesehen hätte. Weil das aber kein Mensch aushält, endet alles im Frust.

Hier einige Artikel zum Thema "Ferni"; auch sie sind meist Klagelieder.