26. Juni 2020

Perpignan. Zweiter Durchgang der Kommunalwahlen

Gestern haben die Bürger von Perpignan einen Brief in der Größe von ungefähr DIN A4 bekommen. Bei uns stehen, am 28. Juni 2020, zur Wahl der jetzige Bürgermeister Jean-Marc Pujol, von Les Républicains (LR), er gehört zu den Alain-Juppé-Freunden, die Islam in Frankreich für eine Religion halten und die Muslimbrüder als Verhandlungspartner akzeptieren, und Louis Aliot, vom Rassemblement National (RN). Er war jahrelang Lebensgefährte von Marine Le Pen, die niemals Präsidentin wird, was alle Welt weiß, was die Tochter des Jean-Marie Le Pen aber nicht hindert, ihre Kandidatur auch für 2022 weiter zu planen. Emmanuel Macron sollte ihr dafür den Ritterorden Pour le mérite verleihen, den Verdienstorden; denn sie sichert ihm damit seine zweite Präsidentschaft. Chancen hätten neben Louis Aliot vor allem die Nichte von Marine Le Pen, Marion Maréchal, konservativ, anerkannt und sehr vernetzt in Wirtschaftskreisen.

Update, vom 27. Juni 2020
Gehen Omma und Oppa zur Wahl? Wenn ja, nix gut für Emmanuel Macron und Jean-Marc Pujol!

Beide Bürgermeisterkandidaten treten unter Phantasienamen ihrer Bewegungen an, wobei Jean-Marc Pujol französisch unter einem anderen Namen antritt als katalanisch: Perpignan pour vous ! = Perpignan für Sie! Sowie Perpinyà a per tots = Perpignan für alle!

Perpignan pour tous ! kann er sich nicht leisten, weil es erstens politisch korrekt, progressiv und feministisch Perpignan pour toutes et pour tous ! heißen müßte, alle weiblich, alle männlich, damit keiner und keine diskriminiert wird, und weil außerdem nicht wenige Bürger Perpignans genau nicht wollen, daß Perpignan für alle ist, was nämlich wie überall in Frankreich den zügellosen Zustrom von wem auch immer aus Gegenden der Mühseligen und Beladenen bedeutet, hauptsächlich aus islamischen Staaten.

Katalanisch wird das anders aufgenommen, nämlich von den Nord-Katalanen könnte honoriert werden, daß Jean-Marc Pujol für die katalanische Sache ist, die Unabhängigkeit von Spanien. Dabei tut er nur so; denn selbstverständlich sind er und die Partei Les Républicains nicht für eine solche Unabhängigkeit. Es geht dem Bürgermeister allein um Wählerstimmen.


Am Samstag, 29. Februar 2020, haben hier 100 000 Katalanen ihren Helden Carles Puigdemont feiern können, was einen Ausbruch der Covid-19-Infektionen sowohl in Perpignan als auch im spanischen Katalonien zur Folge hatte. Die Hälfte der nach Perpignan gereisten Minister der katalanischen Regierung, der Generalitat von Barcelona, lag anschließend mit der Krankheit darnieder. Die Höchstwerte an Erkrankungen in Perpignan waren nach der Inkubationszeit zu verzeichnen, die Toten folgten. Insgesamt 34 an/mit Covid-19 gestorbene Patienten sind zu beklagen, der letzte starb Anfang Mai, was die Pariser Zentralregierung nicht hindert, uns zu kujonieren und mit denselben Restriktionen zu belegen wie alle, wie toutes et tous, obgleich wir zu den zehn von 96 Departements Frankreichs mit der niedrigsten Zahl an Corona-Toten zählen. Wenn ich mich recht erinnere, liegen wir auf Platz Vier.

Carles Puigdemont, Putxi, bedankt sich fürs Opfer, in dem er zur Wahl des Jean-Marc Pujol aufruft. Putxi, aus seinem EU-Parlament, in Brüssel, schätzt den RN ein als "die am meisten populistische Partei Europas", wobei "populistisch" ein Schimpfwort ist: "von Opportunismus geprägt". Der Duden langt zu; er liefert zwei Erklärungen, wobei die zweite paßt, und die erste von Ideologie versifft ist. Dem entgeht man heuer nirgends.

Louis Aliot, dessen Strategie zu gewinnen die gleiche ist wie die sehr erfolgreiche des Robert Ménard, in Béziers, ein breites rechtes Bündnis, unterstützt vom Rassemblement National - am 15. März 2020, wurde Robert Menard im ersten Durchgang mit mehr als 68% der Stimmen wiedergewählt -, Louis Aliot tritt ebenfalls nicht unter dem Parteinamen an, sondern seine Gruppe heißt PERPIGNAN l'avenir en GRAND,  frei übersetzt etwa PERPIGNAN, die Zukunft ganz GROSS. Einen katalanischen Namen der Bewegung gibt es nicht. Die Anspielung auf Make America Great Again, MAGA, ist deutlich.

Nun zu dem DIN A4-Brief, der aus dem Büro des Präfekten zu kommen scheint; denn als Absender, oben, links, steht MINISTÈRE DE L'INTÉRIEUR. Darunter URGENT. ÉLECTIONS. Innenministerium. Dringend. Wahlen. In normaler Schrift wird man aufgefordert, den nicht zuzustellenden Brief an das Bürgermeisteramt zurückzuschicken.

Der Präfekt ist ein Beamter des Innenministeriums. Die Präfekturen sind in Frankreich eine Art Ober-Regierung; die Entscheidung des Präfekten steht über der des Bürgermeisters. Während des Lockdowns, des Confinements, war das ständig zu merken. Soweit zur Demokratie in Frankreich!

Mit dem Brieföffner aufgeschlitzt, scheint der Brief auf den ersten Blick Wahlwerbung zu enthalten, und zwar zwei Blätter der Partei des Jean-Marc Pujol und eines der Partei des Louis Aliot, alle drei nicht gefaltet. Auf dem einen Pujol-Blatt wendet dieser sich an die "liebe Dame", den "lieben Herrn"; er fordert sie auf, ihn zu wählen und dafür zu sorgen, daß auch andere ihn wählen, auf der Rückseite sieht man ihn und seine 56 Mitbewerber für den Gemeinderat, darunter, als Nr. 10, eine Dame mit dem arabischen Namen Fatima Dahine, der man nicht nur nachsagt, seine Geliebte zu sein, sa compagne illégitime, sondern die in Perpignan wichtige öffentliche Posten bekleidet. Den nächsten arabischen Namen liest man unter Nr. 46, weitere unter Nr. 49, 51, 54. So weit zur Integration!

Auf dem zweiten Pujol-Blatt sind die Namen seiner 56 Mitbewerber  für den Perpignaner Gemeinderat sowie seiner und 42 Namen seiner Mitbewerber für den Gemeindeverband; es sind für Gemeinderat und Gemeindeverband dieselben Namen, die vier arabischen fallen weg. So weit zur Integration!

Auf dem nicht gefalteten Blatt des Louis Aliot sind Fotos von ihm und seinen 56 Mitbewerbern. Auf der Rückseite befindet sich ebenfalls ein Brief mit der Aufforderung, zur Wahl zu gehen und andere dazu aufzufordern: VOTEZ ET FAITES VOTER ! Ihn, das ist selbstverständlich, davon handelt der Brief.

Was fällt auf? Man rätselt, warum in dem Briefumschlag zwei Blätter des Jean-Marc Pujol, aber nur eines des Louis Aliot liegen, noch dazu steht auf dem unteren Rand des letzteren Ce document n'est pas un bulletin de vote. Dies ist kein Wahlzettel. Wie am Absender zu sehen, handelt es sich um den Versand der offiziellen Wahlzettel für die Stichwahl zwischen beiden. Aber der Wahlzettel für Louis Aliot fehlt? Nein! Der Trick ist, daß nur dieser Zettel einmal gefaltet ist, er liegt tief in dem DIN A4-Brief, man zieht den Zettel nicht mit heraus, und da behaupte ich, daß es Absicht ist.

L'Indépendant, unser Lokalblatt, das unermüdlich im Einsatz ist, die Wahl des Louis Aliot zum Bürgermeister zu verhindern, schreibt wiederholt, daß Louis Aliot mehr von alten Leuten gewählt wird. Also von Ommas wie mir? Diese Ommas tapern nun am nächsten Sonntag mit den drei Blättern zum Wahllokal und kriegen gesagt: Liebe Dame, sie können nur Jean-Marc Pujol wählen, Ihren Wahlzettel für die Mannschaft von Louis Aliot haben sie nicht dabei, oder wie? Gibt es vielleicht im Wahlbüro Aliot-Wahlzettel, aber man rechnet damit, daß Omma sich wegen des Front républicain nicht traut, einen zu fordern? Le Front républicain, die republikanische Front, nannte man bislang faire barrage, unterbinden, einen Riegel vorschieben, dem Sieg des Rassemblement National nämlich.

Dazu tun sich alle, weiblich, und alle, männlich, zusammen, toutes et tous, von links bis schräg, auf dem Titelblatt des Indépendant sieht man die Präsidentin der Region Okzitanien Carole Delga, Parti Socialiste, mit ihrem neuen Freund Jean-Marc Pujol, die noch im ersten Durchgang der Wahlen, am 15. März 2020, die schärfsten Gegner waren, behaupteten, wenn ihr Gegner dran käme, bräche Frankreich zusammen - dabei ist das bereits zusammengebrochen!

Zum Glück habe ich rechtzeitig gesehen, daß es noch den gefalteten Wahlzettel des Louis Aliot und seiner Mannschaft gibt. Also, auf! Zur Wahl! Wenn ich nur wüßte, wen! 😂😂😂

Update, vom 27. Juni 2020

Inzwischen wird klar, wie das mit dem ersten Durchgang der Wahlen ablief:

Am Samstag, 14. März 2020, verkündeten die französischen Sender im Stundentakt, daß ab Null Uhr alle Bars und Restaurants der großen Covid-19-Gefahr wegen definitiv für die nächste Zeit geschlossen würden.

Trotzdem wurde, obgleich Zweidrittel der befragten Bürger dagegen waren, der Wahltermin nicht abgesagt. Emmanuel Macron wußte, daß vor allem Wähler des RN zu Hause bleiben würden, nämlich die älteren und vernünftigeren. Außerdem wußte er, daß die Jugendlichen, die eh nix am Hut haben mit Wahlen, das als willkommene Ausrede nähmen, nicht zur Wahl zu gehen. Unter ihnen sehr viele RN-Anhänger, die nämlich im Durchschnitt nicht engagierter sind als die anderen. Die dynamischen LREM-Anhänger jedoch würden zur Wahl gehen und seiner Partei Stimmen bringen.

So kam es, vor allem in großen Städten, von denen einige ab morgen, wenn auch nicht von Marschierern, wenigstens von Ökologie-Grünen regiert werden, Straßburg könnte darunter fallen.

Nach Ifop sind 61% der RN-Sympathisanten nicht zur Wahl gegangen, am 15. März 2020. Das führte im Vergleich zu 2014 zu einer massiven Senkung der Stimmen für den RN. Von den 12 RN-Bürgermeistern wurden im ersten Durchgang sieben wiedergewählt.

Heute wird darüber im Indépendant berichtet, daß jetzt allseits und vor allem in Perpignan das Zittern ist, wie sich die älteren RN-Anhänger verhalten. Darum mußte in den letzten Tagen in den Medien viel berichtet werden über neue Cluster, darüber, daß selbst die vernünftigen Deutschen einen Anstieg an Erkrankungen verbuchten usw.

"Aliot setzt auf die Allianz des Bürgertums und des weißen einfachen Volkes"
« Aliot joue l’alliance de la bourgeoisie et de la classe populaire blanche ». 
Propos recueillis par Julien Marion, L'Indépendant, 26 juin 2020

Interviewt wird der weltberühmte Rechtsextremismus-Forscher Nicolas Lebourg, Coordinateur de la Chaire Citoyenneté Sciences-Po, Koordinator des Lehrstuhles Staatsbürgerschaft Politikwissenschaft Saint-Germain-en-Laye, Forscher am CEPEL (CNRS - Université de Montpellier) und im Project on the Transnational History of the Far Right [nicht mehr online] (George Washington University).

CEPEL ist ein UMR. Wofür die Abkürzungen stehen, weiß der gebildete Bürger. Wenn man Nicolas Lebourg bei der Chaire Citoyenneté eingibt, erhält man diese Nachricht:

Nothing found.
Sorry, but nothing matches your search criteria. Please try again with some different keywords.

Im Project on the Transnational History of the Far Right ist er gemeinsam mit Jean-Yves Camus Mitglied des Research Teams. Letzterer analysiert auch "Islamophobie" in französischen Medien.

Nicolas Lebourg ist tätig für die sozialistische Terra Nova, nouveau monde. Dort ist Thierry Pech, mit direktem Link zum Institut Montaigne der Förderer des Emmanuel Macron, Generaldirektor, unter dessen ideologischer Führung die "vom Los bestimmten" und deshalb angeblich repräsentativen 150 Bürger, eine Laientruppe, im Auftrag von Emmanuel Macron, ab Oktober 2019, die Convention citoyenne pour le climat erarbeitet haben, die Konvention der Bürger für das Klima. 

Deren 150 Vorschläge würden bei Realisierung der Wirtschaft Frankreichs den Rest geben. 

"Das Parlament [sic] der Bürger. Die Vereinbarung der Bürger über das Klima" 
Le Parlement des citoyens. La convention citoyenne pour le climat. Thierry Pech

Für Terra Nova beschreibt Nicolas Lebourg das braune Elend, das mit Louis Aliot über Frankreich und ganz Europa hereinbrechen würde.

Dans l'ombre des Le Pen: Une histoire des numéros 2 du FN
de Joseph Beauregard, Nicolas Lebourg, éditions nouveau monde, 30 novembre 2012

Das Ende der Präsidentschaftskandidatur der Marine Le Pen naht! 28. Juni 2020

"Gespräch. Politisch mischt diese Krise die Karten vollständig neu"
Entretien. Politiquement, cette crise rebat totalement les cartes. Par Marion Maréchal,

"Nichts wird in den kommenden Monaten und bis 2022 so geschehen, wie vorhergesehen."
“Rien ne se passera comme prévu dans les mois à venir et jusqu’en 2022.”

Affaire à suivre ... 😁😁😁