Nachdem ich mich in meinem Zimmer etabliert habe, will ich sofort ins Zentrum von Tel Aviv. So allmählich raffe ich aber, daß ich in Jaffa wohne, und das Zentrum der Stadt weit ist. Dafür ist das Meer nahe. Das habe ich bei mir hier das ganze Jahr. Sie wollen von Perpignan nach Tel Aviv? Wenn Sie losschwimmen, immer links halten, nach rechts kommen Sie mit Ihrer Kondition nicht über die Straße von Gibraltar!
Nix is, kein Restaurant weit und breit. Ich gehe die Küste entlang und treffe zwei ältere Herren: "Entschuldigung, gibt's hier irgendwo ein schönes Restaurant?" Die beiden Herren verständigen sich kurz auf Hebräisch, und dann bekomme ich eines empfohlen: "Aladin, aber dort drüben erst die Stufen hinauf, das schaffen Sie, junge Frau!" Mein Mittag ist gerettet.
Der Fußboden des Restaurants ist teilweise mit katalanischen Fliesen ausgelegt, wie bei mir zu Hause, die Wände sind mit allerlei orientalischem Schnickschnack behangen, auch die Wunderlampe des Aladin fehlt nicht. Auf der Terrasse sitzen Gäste, ich bevorzuge es drinnen, man weiß ja nie, ob nicht die Tramontane bis hierher reicht. Und richtig, draußen weht ein kräftiger Wind, den die Touristen bei Temperaturen von mehr als 30 Grad anscheinend nicht als störend empfinden.
Nach einem herrlichen Essen, arosé par une bonne bière israélienne namens Maccabi, das ausgerechnet von Berliner Kindl- und "Weiße mit Jefühl"-Trinkern als fade apostrophiert wird - und Goldstar macht auch nicht jedem Kopfschmerzen, gehe ich auf Entdeckung Jaffas, vor allem suche und finde ich die Post; in dem Christenhospiz habe ich schon drei Postkarten gekauft, die bald weg sollen. Dann aber ist's genug, ich bin hundemüde und falle in mein Bett. Als ich um 17:30 Uhr aufwache, ist es finster, ich bilde mir ein, ich hätte die Nacht durchgeschlafen, aber im Hause sind Geräusche zu hören, die nicht auf den frühen Morgen schließen lassen. Es ist später Nachmittag. Warum muß es in Israel des Morgens schon so früh hell und des Abends so früh dunkel sein?
Ich mache mich nochmal auf nach Old Jaffa, wo es weitere nette Restaurants gibt - und einen Glockenturm, eine Kirche, ein Theater, leider auf Hebräisch, und ein Gebäude mit einer schönen osmanischen Tughra. Nun ist aber für heute endgültig Schluß mit den Entdeckungen, der Ankunftstag war lang genug.
Wer sich über den ältesten Hafen des Mittelmeeres Yafo und seine Rolle in der Geschichte informieren möchte, lese vielleicht den Artikel Viel älter als 'The Big Orange', über den Propheten Jonas im Sturm, über die Zedern des Libanon und über König Jonathan; später geben Griechen, Römer, Kreuzfahrer, Sarazenen und Türken den Ton an in Yafo, in der Neuzeit wird der Hafen von Yafo zum Ende des 19. Jahrhunderts bedeutend.
Was Yafo oftfliegenden Kennern bedeutet, kann man hier lesen: Glück der Rückkehr:
The Joy of Return. Von Henryk M. Broder, Achse des Guten, 24. November 2007
Davon gibt es 13 sehr lesenswerte Folgen. Man muß nur die Entziffer des Links auswechseln:
The Joy of Return 2
https://www.achgut.com/artikel/the_joy_of_return_2
Exkurs: Beit Immanuel
Am Abend meines ersten Tages in Yafo begreife ich erst richtig, wohin ich geraten bin: in eine Messianic Congregation, zu jüdischen messianischen Christen und ihren Freunden, Jews for Jesus, mitten in die Konvertitenszene. Während ich auf Erika und Daniel warte, die aus Jerusalem angefahren kommen, um mit mir den Abend zu verbringen (wenn ich in Jerusalem bin, werden sie in Deutschland sein), betrachte ich die Gemeinde, darunter zahlreiche russische Familien mit Kindern. Vor einem großen Bildschirm mit Text in Russisch, Hebräisch und Englisch schwingen sie unter musikalischen Klängen die Arme in die Höhe und rufen ihren Lord an: Ich bin stark, ich werde siegen!
Während man von Konvertiten, die zum Islam übertreten, vielleicht sagen kann, sie fressen soviel Islam, bis sie platzen und an einer Stelle aus der Hülle ihrer vollends verdrängten oder vernichteten Persönlichkeit ihre neue muslimische Identität als ein Name ausbricht: Ahmed, Fatima, ist es bei den messianischen Christen, ob Juden oder nicht, genau umgekehrt. Ihren gepanzerten Christenkörper dekorieren sie mit jüdischen Versatzstücken, wobei die Juden unter ihnen gegenüber zu bekehrenden Andersgläubigen in aller Heimtücke vortäuschen, daß sie weiter Juden sind: Wir sind hier, um der jüdischen Gemeinde eine Botschaft über Jesus zu senden.
Ich erinnere mich, am Morgen des ersten Tages einen Mann im T-Shirt gesehen zu haben, weiß, mit blauer Schrift, geziert von Bruchstücken einer fuß- und schaftlosen Menorah, über deren mittleren drei von sieben verkrüppelten Armen ich auf Hebräisch yeschua=Jesus gelesen habe. Meine Hebräischkenntnisse sind leider ganz am Anfang, so daß ich die je zwei anderen Buchstaben, links und rechts davon, nicht entziffern konnte. Wer sich ein Bild machen möchte davon, was die messianischen Gemeinden den Torahrollen, der Menorah, dem Davidstern und anderen jüdischen Symbolen sowie den jüdischen Festtagen antun, der google messianic congregation menorah und schaue sich die Ergebnisse unter "Bilder" an. Klickt man auf diese, so gerät man in die Welt der Messianic Congregations und lernt, wie man gerettet werden kann, nämlich, in dem man alles aufgibt, was das Judentum ausmacht. Ohne Jesus Christus bleibt dabei von der Gnade Gottes nichts übrig:
"Ich stimme mit der Bibel überein und gebe vor Gott zu, daß ich ein Sünder bin. Ich erreiche nicht Gottes Maßstab von Gütigkeit. Ich weiß, daß ich niemals aus mir allein heraus gut genug sein kann."
Daniel Haw hat in seiner letzten Karikatur treffend auf den Punkt gebracht, was die Eigenschaften der Juden ausmacht, und ich wundere mich nun nicht mehr, daß mir von der Empfangsdame im Beit Immanuel sofort unverhohlene Feindseligkeit entgegenschlägt. Mit sicherem Instinkt erkennt sie mich als Freundin des Moishe Hundesohn. Ich bin keine Sünderin, und was Gottes Maßstab für Gütigkeit ist, das weiß ich nicht, ich jedenfalls bin so gütig, wie's nötig und angebracht ist, ohne daß die von Moishe Hundesohn aufgezählten Qualitäten dabei allzu sehr leiden:
Rabbi Birnbaum: Haste gesogt, die Fernsehmoderatoren wären schon so dumm, dass sie nur noch Amöben interviewen könnten? - Haste gesogt, das Strafrecht gelte nur für Leut, die weniger als 500 000 € im Monat verdien? - Haste gesogt, die Mafia sei am besten mit den eigenen Mitteln zu bekämpfen - mit deutschen Managern?
Moishe Hundesohn: J...a!
Rabbi Birnbaum: Verstehste nicht, Moishe, solche Redn heizn nur den Antisemitismus an! Vorurteile: wir Jiddn wärn streitlustig, arrogant, vaterlandslose Geselln, verkappte Revoluzzer und unverbesserliche Kritiker, die an nix a gutes Haar lassen!
Moishe Hundesohn: Aber ich dachte, gerade das seien unsere Qualitäten?
Die christliche Lehre wird auf die allerunredlichste Weise verbreitet. Unter dem jüdischen Festkleid missionieren fundamentalistische Christen: "Jede messianische Gemeinde muß sich der Verkündigung und der Verbreitung (des Glaubens) widmen, sagt Dr. Mitch Glaser, der Präsident der Organisation. "Es ist ein biblischer Befehl und keine Frage der Wahl." Missionstätigkeit, gesellschaftliche Aktivitäten, Seminare, messianische Liederfestivals, Gebetsspaziergänge und Strandpredigten sind Mittel dazu.
"Das ist Diebstahl der jüdischen Identität", erklärt Scott Hillman, der ehemalige geschäftsführende Direktor von Jews for Judaism dazu. "Welche Art von Zeugenschaft ist es für das, was du als wahr glaubst, wenn du Betrug anwenden mußt, um es zu verkaufen?"
Ein jüdischer Leser äußert in einem Brief, vom 21. Oktober 2007, an die Yediot Ahronot seine Bestürzung über die Tatsache, daß einer der Höhepunkte des letzten Internationalen Liederfestivals in Tel Aviv, der Kabbalat Shabbat (die traditionelle Psalmen und Gebete, die zu Beginn des Freitagabendgottesdienstes rezitiert werden), in der Emmanuelkirche, in Yafo, stattfand. "Nichts sollte Dichter abhalten, die sich am Sonntag in einer Kirche oder am Freitag in einer Moschee treffen wollen - aber warum sollte Kabbalat Shabbat in einer Kirche stattfinden? Derselben Logik entsprechend, könnte man eine Messe in einer Synagoge oder einer Moschee zelebrieren."
Aus dieser Schamlosigkeit will ich unbedingt entfliehen. Am Ende meiner Reise habe ich noch drei oder vier Tage in Tel Aviv eingeplant. Im Beit Immanuel werde ich sicher nicht wieder übernachten.
24. November 2007 - Verbesserungen und Ergänzungen, 19. April 2025
Bisher erschienen:
Israel einer Anfängerin: Episodio de la Historia. 17. November 2007
Israel einer Anfängerin [2]: Von Barcelona nach Tel Aviv, 20. November 2007
Israel einer Anfängerin [3]: Tel Aviv-Yafo, 24. November 2007
Israel einer Anfängerin [4]: Tel Aviv, 25. November 2007
Israel einer Anfängerin [5]: Neve Tsedek - Rehovot. 26. November 2007
Israel einer Anfängerin [6]: Kfar Saba. 3. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [7]: Maalot-Tarshiha. 7.Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [8]: Maalot-Tarshiha in Perpignan. 9. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [9]: Shlomo Bohbot, Maalot und Tarshiha. 13. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [10]: Rückkehr nach Kfar Saba. 15. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [11]: Auf dem Weg nach Jerusalem. 18. Dezember 2007/16. Januar 2008
Israel einer Anfängerin [2]: Von Barcelona nach Tel Aviv, 20. November 2007
Israel einer Anfängerin [3]: Tel Aviv-Yafo, 24. November 2007
Israel einer Anfängerin [4]: Tel Aviv, 25. November 2007
Israel einer Anfängerin [5]: Neve Tsedek - Rehovot. 26. November 2007
Israel einer Anfängerin [6]: Kfar Saba. 3. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [7]: Maalot-Tarshiha. 7.Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [8]: Maalot-Tarshiha in Perpignan. 9. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [9]: Shlomo Bohbot, Maalot und Tarshiha. 13. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [10]: Rückkehr nach Kfar Saba. 15. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [11]: Auf dem Weg nach Jerusalem. 18. Dezember 2007/16. Januar 2008
Israel einer Anfängerin [12]: Dieses Jahr in Jerusalem! 20. Dezember 2007