28. April 2025

Israel einer Anfängerin [6]: Kfar Saba

Nach dem letzten Frühstück bei der Messianic Congregation fahre ich mit dem Taxi zu Hanna, nach Kfar Saba. Es ist etwa eine Dreiviertelstunde Fahrt. Hanna wundert sich, daß ich schon so früh vor der Tür stehe, eine Höllenhündin namens Nika sieht es ebenso und bellt, was ihre kleinen Lungen hergeben. Die Winzlingin ist ein Griffon Petit Brabançon [wie auf dem Foto].

Hanna und ich beginnen zu plaudern, bis in den Abend hinein. Worüber? Verrate ich nicht! Zum Abendessen bereitet Hanna ein sehr schmackhaftes Gericht, dazu trinken wir einen Rotwein vom Mount Hermon, des Jahrgangs 2006. Das ist ein herrlich runder Wein, den man für 35 Schekel in den Supermärkten Israels bekommt, wie ich später erfahre. Im Roussillon würde man für diese Qualität etwa den gleichen Preis zahlen.

Geography of Israel: Kfar Saba. Jewish Virtual Library

Am nächsten Tag gehe ich auf Entdeckung von Kfar Saba. Der Ursprung der etwa 85 000 Einwohner zählenden, nordöstlich von Tel Aviv nahe der Grenze zum Westjordanland gelegenen Stadt geht auf die Zeit des zweiten Tempels zurück. Auf den Resten der alten Ansiedlung wird 1892 die Stadt Kfar Saba gegründet, gegen Ende des Ersten Weltkrieges wird sie auf Grund ihrer Lage zwischen den englischen und türkischen Linien zerstört. 1921 verwüsten und zerstören die Araber die Stadt. 1921 ist eines der Schicksalsjahre Palästinas.

  • 24. März: der britische Kolonialminister Winston Churchill besucht das Land.
  • 27. März: die Briten bieten Emir Abdullah die Herrschaft über Transjordanien an.
  • 28. März: bei einer Demonstration gegen die Einwanderung von Juden werden zwei Araber durch Briten erschossen.
  • 1-6. Mai: Blutige Zusammenstöße im ganzen Land, bei arabischen Angriffen werden 47 Juden getötet und 116 verletzt.
  • 8. Mai: Die Briten setzen den nationalistischen Araberführer Haj Amin al-Husseini zum Großmufti von Jerusalem und zum Vorsitzenden des Obersten Muslimischen Rates ein.
  • 14. Mai: Die Briten verkünden einen Einwanderungsstopp für Juden.
  • 1. August: Die Briten verkünden neue Einwanderungsvorschriften, die Einreise von Juden wird weiter eingeschränkt.
  • 2. November: Arabische Ausschreitungen anläßlich des vierten Jahrestages der Balfour-Erklärung, fünf Juden werden getötet und Dutzende verletzt.
Heute ist Kfar Saba eine moderne Stadt. Hanna erzählt von allerlei Buslinien, die über die Tchernichovsky zur Chaim Weizman fahren, aber ich gehe lieber zu Fuß. Ich bin beeindruckt von den hellen gepflegten Wohnsiedlungen, die ich durchwandere. Man verzeihe mir, daß ich es eigens erwähne: Alles ist so sauber!

Zuletzt habe ich der Sauberkeit in Kfar Saba Vergleichbares in Singapur gesehen. Da steht das Verunreinigen von Straßen unter Strafe, und aus den USA kenne ich es, daß die Hundebesitzer die Haufen ihrer Lieblinge zusammenfegen. In Perpignan nennt man einen Fußgängerweg hinter unserem Hause im Volksmund le cacadrôme, die Rennbahn der Hundescheiße, oder le boulevard de la crotte.

Das ist mir bereits in Tel Aviv aufgefallen, einer Großstadt von ca. 360 000 Einwohnern. Nichts liegt auf den Straßen herum, kein Hundedreck, keine leeren Bier- und Cola-Dosen, keine Plastikflaschen, kaum Kippen und Papier. Für leere Plastikflaschen stehen Gittercontainer bereit, dahinein werden sie entsorgt. Ich male mir das für Perpignan aus, einen solchen Container für Plastik. Der Behälter wäre nicht zu einem Viertel gefüllt, und er würde von den "jeunes" in Flammen gesetzt. Hier kokeln ständig irgendwelche Plastikmülleimer, kurz nach meinem Einzug brennt vor unserem Wohnhaus einer, und das Feuer greift auf die Kabel über, die am Hause hochgezogen sind. Bei uns liegen Flaschen, Dosen und Papier in Mengen auf den Straßen herum, obgleich vor den Häusern Mülltonnen stehen, und obgleich die Müllabfuhr täglich durch die Straßen zieht. Wenn dann noch Tramontane herrscht, sieht's aus wie auf 'ner Deponie. [Das ist heute alles sehr viel gepflegter bei uns! 😁]

Aber zurück nach Kfar Saba. Die Stadt besitzt ein restauriertes Kulturzentrum, Yad Labanim, einen Bau aus der Gründerzeit der Stadt, und ein Archäologiemuseum. Auf der Web Site der Stadt Mülheim, Partnerstadt von Kfar Saba, sowie auf der Site eines Kfar Saba Fans kann man die Gebäude und Szenen aus dem städtischen Alltag von Kfar Saba bewundern. [nicht mehr online]


Meine Jerusalem Post bekomme ich auf der Chaim Weizman. Dort gibt es auch einen Briefkasten, ein rotes großes Ungetüm mit einem ganz schmalen Schlitz. Hinein mit der Postkarte und zum Canyon Arim, dem Einkaufszentrum mit dem herrlichen Arcaffè. Das wird für die nächsten Tage mein Hauptquartier, dort esse ich frische Sandwiches und trinke kühle Fruchtsäfte. Die Bedienung ist freundlich und macht sich gar nicht lustig darüber, daß ich nicht Hebräisch verstehe, jeder schlägt sich mit Englisch durch, mancher spricht es fließend.

Barry Rubin: Rules of the game - Palestinian style. The Jerusalem Post, October 30, 2007

Im Arcaffè übersetze ich die Palästinensischen Spielregeln, von Barry Rubin; er nennt z
ehn Gründe, warum die Palästinenser keine Frieden mit Israel schließen, und ich lese weiter in Joan Peters: From Time Immemorial: the origins of the Arab-Jewish conflict over Palestine, Harper & Row 1984. Ihre Schilderung über die Situation der Juden in Marokko behandelt ausführlich deren Status als Dhimmis. Wenn man das gelesen hat, kann man sich nur wundern, wie jemand auf die Idee kommt, der Judenhaß der Muslime wäre von den Nazis in die arabischen Länder eingeführt worden:

In Marokko geborene Juden waren die einzige Dhimmi Gruppe, die weder zum Islam konvertieren wollte noch die Möglichkeit der Christen hatte, den Anspruch auf Schutz durch ihre europäische Gemeinschaft geltend zu machen. Wenn auch das Gesetz der Dhimma im 11. Jahrhundert dahingehend ergänzt wurde, daß Juden Ämter bekleiden konnten - mit der Einschränkung, daß sie zwar Befehle annehmen aber keine erteilen konnten - wurde doch der einzige Jude, der im 13. Jahrhundert zu wirklicher Macht aufstieg, mitsamt seiner Familie ermordet, als er zum Neidobjekt unter seinen muslimischen Rivalen wurde.

Willkürliche Interpretation des Dhimma Gesetzes ist den Muslimen jederzeit gestattet, im Jahr 1032 werden in Fez 6000 Juden ermordet, anderen werden ihre Frauen und ihr Besitz geraubt, die Almohaden ermorden 150 im Jahre 1146. Erzwungene Konversion zum Islam, Tod oder Vertreibung sind die Optionen der Juden, die das Massaker der Almohaden überleben. (Joan Peters, S. 50ff.)

Ich klappe das Buch zu, und um auf hellere Gedanken zu kommen, male ich mir aus, was passieren würde, wenn Frieden einzöge in den 1922 von Gesamtpalästina abgetrennten Teil des ehemaligen britischen Mandatsgebietes, in die 22 Prozent Restpalästina. Den größeren Teil von 78 Prozent nennen die Briten Transjordanien, später Jordanien, um so vergessen zu machen, daß es bereits einen Palästinenserstaat gibt; er bleibt bis heute tabu für Juden, denen es durch Gesetz verboten ist, in Jordanien Land zu erwerben.

Was geschähe nach einem Friedensvertrag, wenn Israelis und die palästinensischen Araber aus dem Westjordanland und aus Gaza in zwei Staaten nebeneinander leben, oder die aus dem Westjordanland in Jordanien und die aus Gaza in Ägypten friedlich eingemeindet oder zumindest von diesen beiden Staaten verwaltet würden, von zwei Staaten, die seit 1979 bzw. 1994 Friedensverträge mit Israel haben?

Im Friedensfall hätten die arabischen Herrscher keinen Vorwand mehr, nicht ebenfalls mit Israel Frieden zu schließen; denn ihr Argument gegen einen Frieden ist der ungelöste palästinensisch-israelische Konflikt. Bald nach einem solchen Friedensschluß kämen mit ordentlichen Visa Scharen von Besuchern aus den arabischen Staaten nach Israel, und sie würden mit diesem dynamischen Land und seinen Bewohnern konfrontiert, mit Juden, Arabern und sonstigen Bewohnern aus aller Welt. Sie wären noch erstaunter als ich, die ich mich seit Jahren mit Israel befasse und über die politische und wirtschaftliche Entwicklung lese. Was würden sie anfangen mit ihren Eindrücken?

Wer die Welt sehen will, der fahre nach Israel, außer Eskimos, Eisberge und Einsiedeleien unterm Polarkreis findet man in dem Land alles: blickt man nach dort, sieht's aus wie in den USA, blickt man nach hie, meint man in einer mittleren westeuropäischen Stadt zu sein, dort ist ein arabischer Soukh, da geht's zu wie in einer Geschäftsstraße in Bombay, und ach, du liebe Zeit, jetzt ist man in einem russischen Reisebüro, das einem 'ne Flugreise nach Moskau und St. Petersburg verkaufen will. Es gibt sogar Gegenden, da sieht's aus wie an einem Spreekanal in Berlin. Vielleicht verrate ich später einmal, wo das ist.

Die Menschen, die man in Israel sieht, die zeigen, was Multikulti sein kann. In keinem Land der Welt habe ich ein bunteres Völkergemisch gesehen als in Israel. Über Generationen betrogen und belogen kämen sich die arabischen Besucher vor, der Möglichkeiten beraubt, wütend oder traurig wären sie über die seit Jahrzehnten vertanen Chancen. Zu Hause angekommen, machten sie ihren Diktatoren und den Muslimfunktionären Beine. Von wegen Selbstmordattentate! Terror hätte keine Konjunktur mehr, die Tage der Herrscher wären gezählt, von Saudi-Arabien bis nach Marokko, es sei denn, sie entschlössen sich schnellstens zu Reformen.

Eine solche Entwicklung kann aber der internationalen Staatengemeinschaft nicht gefallen. Aufruhr und Chaos in den Erdölstaaten können sie nicht gebrauchen, auch wenn sie noch so oft versichern, es ginge ihnen nur um Demokratie und Menschenrechte. Als ich gerade über meine eigene düstere Prognose zu zweifeln beginne, lese ich in der Jerusalem Post ein Interview von Manfred Gerstenfeld mit dem ehemaligen EU-Parlamentarier Rijk van Dam. Den Holländer habe ich in Straßburg kennengelernt, er ist ein aufrechter Freund Israels.

Anti-Israeli Bias in the European Parliament and Other European Union Institutions – Manfred Gerstenfeld, Interview with Rijk van Dam, Manfred Gerstenfeld, Archives 2006

Im Interview geht es um die jahrelange Finanzierung Israel feindlicher Kräfte durch die EU und ihre Mitgliedsstaaten. Eine Studie des Dutch Center for Documentation and Information on Israel berichtet darüber: "Eine mit Steuergeldern finanzierte Friedensorganisation wird geführt von der Terrororganisation Hamas, und sie unterstützt die iranische Atombombe." Das sei aber nur die Spitze des Eisberges. Die Swedish International Development Agency sei ebenfalls verwickelt in die Finanzierung äußerst anti-israelischer Gruppen. Die finnische Regierung finanziere [bis heute!] mit Millionen Euro palästinensische Schulbücher, die den Haß auf Israel lehren. "In einem Grundkurs in Physik wird Newtons Gravitationsgesetz anhand des Abfeuerns einer Steinschleuder erklärt und durch ein Bild eines jungen Palästinensers illustriert, der mit einer Steinschleuder auf einen israelischen Offizier zielt." Früh übt sich, was ein erfolgreicher arabischer Terrorist werden will!

Informationen über den Verbleib der EU-Gelder sind kaum zu erlangen. 

Patten faces battle over EU funds for Palestinians. By Ian Black. The Guardian, 5 February 2003

Das kennen die Europäer aus den erfolglosen Aufklärungsbemühungen der Europa-Parlamentarierin Ilka Schröder und ihres französischen Kollegen François Zimeray:

Denkende Menschen in den westlichen Demokratien, deren Politiker und Journalisten, sehen, was mit den Überweisungen für die Palästinenser geschehen ist, sie wissen, daß Yasser Arafat die Hilfsgelder unterschlagen hat und Milliardär geworden, das Geld im Sande versickert ist. Der einseitig araber- und palästinenserfreundliche ehemalige EU-Außenkommissar und heutige Kanzler der Oxford University Chris Patten, Freund des Tariq Ramadan, weiß im voraus, was aus den von Ilka Schröder und François Zimeray beantragten Untersuchungen über die Zweckentfremdung der EU-Mittel herausgekommen wäre.

OLAF Investigation Clears Palestinian Authority. AFP (jp), Deutsche Welle, March 18, 2005

„Es gibt keine schlüssigen Beweise für die Unterstützung bewaffneter Angriffe oder rechtswidriger Aktivitäten, die durch die finanziellen Beiträge der Europäischen Kommission zum Haushalt (der Palästinensischen Autonomiebehörde) finanziert werden.“

Guess Who Europe's subsidizing? By Manfred Gerstenfeld. Jerusalem Post, October 30, 2007

Die britische Botschaft in Tel Aviv mischt sich in die inneren Angelegenheiten Israels ein, in dem sie Gelder für eine Studie über den Bau der Sicherheitsbarriere bereitstellt, und Rijk van Dam meint, daß es keinen Zweifel gebe, daß ein substantieller Anteil der EU-Finanzierung für die palästinensische Autonomiebehörde in Korruption und Terrorismus geleitet würde.

Wer sich über die Beteiligung der USA an diesen Praktiken informieren möchte, dem empfehle ich:  

Palestinian Foreign Aid: Where Does the Money Go? 

Ich lasse das aber jetzt hinter mir und gehe mit Hanna gepflegt Dinieren; wir essen die israelische Speisekarte rauf & runter, trinken dazu Goldstar, ein kühles israelisches Bier, das garantiert keine Kopfschmerzen bereitet, und am nächsten Tag geht's auf, nach Maalot-Tarshiha, der Partnerstadt von Perpignan. Darüber demnächst mehr ...

3. Dezember 2007 - Verbesserungen und Ergänzungen, 28. April 2025

Bisher erschienen:

Israel einer Anfängerin: Episodio de la Historia. 17. November 2007
Israel einer Anfängerin [2]: Von Barcelona nach Tel Aviv, 20. November 2007
Israel einer Anfängerin [3]: Tel Aviv-Yafo, 24. November 2007
Israel einer Anfängerin [4]: Tel Aviv, 25. November 2007
Israel einer Anfängerin [5]: Neve Tsedek - Rehovot. 26. November 2007
Israel einer Anfängerin [6]: Kfar Saba. 3. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [7]: Maalot-Tarshiha. 7.Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [8]: Maalot-Tarshiha in Perpignan. 9. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [9]: Shlomo Bohbot, Maalot und Tarshiha. 13. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [10]: Rückkehr nach Kfar Saba. 15. Dezember 2007
Israel einer Anfängerin [11]: Auf dem Weg nach Jerusalem. 18. Dezember 2007/16. Januar 2008
Israel einer Anfängerin [12]: Dieses Jahr in Jerusalem! 20. Dezember 2007