30. Dezember 2013

Frankreichs Regierung erstickt am Fleischklößchen Dieudonné


Ideologisch verstellte Menschen können mit der Wirklichkeit nicht umgehen, stattdessen geht diese mit ihnen um. Ich weiß es aus leidiger Erfahrung aus meiner Zeit als Linker. Ideologen messen jedes Ereignis automatisch an ihrem Wertekodex, sie erkennen nicht, daß sie es damit bereits vor einer noch so bescheidenen Analyse verfälscht haben. Das Ereignis spricht angeblich für sich. Um das zu zeigen, wird auch die Sprache zu Hilfe genommen und malträtiert. Substantive, Adjektive und Verben ersetzen die intellektuelle Durchdringung. Empörung über etwas versehen Ideologen zusätzlich gern mit Anführungszeichen. Sie vergewissern sich ihrer selbst und zeigen ihrer Gruppe, ihrer Gemeinde, ihrer Partei, daß sie sich vom Ereignis distanzieren und somit weiterhin zu ihr gehören:

Update am Ende des Textes. Dieudonné-Gruß vor der jüdischen Schule Ohr Torah, in Toulouse
Dieudonnés Propaganda-Vidéo zur "quenelle" 1 827 098 mal gesehen, am 4. Januar 2014, 13:00 Uhr


Der "menschenfreundliche" Rechtspopulist faselte etwas, von dem er sehr viel "versteht". Ein passendes Foto ergänzt des Ideologen Äußerung über seinen Feind.

In Frankreich kann man die Ideologen jetzt im Fall des Komikers Dieudonné erleben, allen voran den Innenminister Manuel Valls, der dem Fleischklößchen, der quenelle, ausgeliefert ist und außer seiner Meinung kein Rüstzeug bereit hat, sich dem zu stellen; er macht sich zum Gespött manches Franzosen mit seiner Ankündigung, alle juristischen Wege auszuloten, um die öffentlichen Auftritte des Dieudonné zu verbieten. Sie gehörten nämlich nicht mehr der schöpferischen Dimension an, sondern trügen dazu bei, die öffentliche Ordnung zu stören. Wie das Sweat-Shirt mit dem Symbol Vater+Mutter mit je einem Kind an ihrer Seite der Gegner der "Ehe für alle", dessentwegen ein Familienvater Ostern 2013 beim Grillen im Jardin du Luxembourg verhaftet und von der Polizei abgeführt wird?

In diese hohle Sackgasse muß er kommen, es führt kein anderer Weg vor die Wand!

Schon vor fast neun Jahren ist François Hollande, seinerzeit Vorsitzender des Parti Socialiste, indigniert über Dieudonnés Äußerungen, die nicht nur eine juristische, sondern auch eine politische Anklage verdienten. Die kommunistische Bewegung Mouvement contre le racisme et pour l'amitié entre les peuples (MRAP) ist ebenfalls empört. Der Komiker geht in Alger auf einer Pressekonferenz, am 16. Februar 2005, ein auf die Rede des UMP-Premierministers Jean-Pierre Raffarin beim Dîner des Conseil Représentatif des Institutions juives de France (CRIF), den er als eine "verfassungswidrige und sektiererische Organisation" bezeichnet. "Raffarin persönlich war am letzten Wochenende beim CRIF, und er klagt mich an, weil man dieser Gaunertruppe immer in den Arsch kriechen muß, diesen Mafiosi, die im Begriff sind, die französische Republik in einen Bürgerkrieg zu zerren", sagt er und beklagt "die vollständige Unterwerfung der Führer und Verantwortlichen Frankreichs unter den Willen des CRIF". Dort qualifiziert er die Shoah und die Gedenkveranstaltungen zum sechzigsten Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz als "pornographie mémorielle", als Erinnerungspornographie: "Das wird zur Überdosis, das wird ungesund." Die französische Justiz sieht sofort Schwierigkeiten, den Komiker zu belangen.

Aber jetzt reicht auf einmal ein Fleischklößchen?

Mehr straffrei gebliebene beleidigende Äußerungen des Dieudonné liest man im Artikel Pornographie der Erinnerung. Der Humorist Dieudonné geht zum Gegenangriff über, vom 21. April 2005 (!). "Von jetzt an gehen wir gegen diejenigen vor, die ihn angreifen", sagt sein Anwalt. Es besteht kein öffentliches Interesse, solchen Haßtiraden Einhalt zu gebieten. Im Gegenteil, seine Veranstaltungen finden in öffentlichen Einrichtungen statt, die Kommunen kassieren dafür, wie im letzten Mai in Perpignan. Die Eintrittskarten kosten 43 Euro, es gibt 2000 Plätze. Dieudonné, das bedeutet immer ein ausverkauftes Haus. Auf meiner alten Website gibt es weitere Artikel, die sich mit dem politischen Treiben des Dieudonné auseinandersetzen, der erste ist vom 6. Februar 2004. Aus allen geht hervor, daß es die Regierung und die Justiz Frankreichs nicht im geringsten interessiert, was Dieudonné aufbaut an Haß auf die Juden und auf Frankreich. Den Rest gibt einem der Artikel Perpignan. Antisemit und Rassist Dieudonné M'bala M'bala, vom 3. Mai 2013.

Ausgerechnet von seinem Staatsbesuch in Saudi-Arabien aus unterstützt François Hollande, der im Gegensatz zu den Franzosen noch nicht genug von seinen vergeblichen Maßnahmen hat, jetzt auf einer Pressekonferenz Manuel Valls in dessen Unterfangen. Die Saudis werden sich ob der Hilflosigkeit der Regierung Frankreichs eines Grinsens nicht haben erwehren können. Der verpönte Gruß wird von solchen gepflegt, die u.a. mit saudischen und mit Petrodollars aus den Scheichtümern am Golf die Islamisierung Frankreichs vorantreiben. Dieudonné selbst betreibt sein Millionen Euro einbringendes Gewerbe mit Unterstützung des Iran und der kostenlosen Werbung, die französische Behörden und Institutionen für ihn machen. Damit seine Einkünfte sich nicht schmälern, werden von den Justizbehörden auch die Geldstrafen vom Komiker nicht eingefordert, es sind inzwischen 36 000 Euro an Außenständen angelaufen. Warum werden sie nicht eingetrieben?

Es bleibt abzuwarten, ob die Justiz Frankreichs bereit ist, nach einer vorläufigen Untersuchung zur "Aufhetzung zum Rassenhaß", une enquête préliminaire, die Klage des staatlichen Senders Radio France anzunehmen und zu verhandeln, Dieudonné für seine Beleidigung Patrick Cohens, des Journalisten von France Inter, gar zu verurteilen. Über ihn erklärt er in seinem Theater, am 19. Dezember 2013, an sein Publikum gerichtet: "Tu vois, lui, si le vent tourne, je ne suis pas sûr qu'il ait le temps de faire sa valise. (...) Moi, tu vois, quand je l'entends parler je me dis, tu vois, les chambres à gaz... dommage". Siehst du, bei ihm, wenn sich der Wind dreht, bin ich nicht sicher, ob er noch Zeit hat, seine Koffer zu packen. (...) Ich, siehst du, wenn ich von ihm reden höre, sage ich mir, siehst du, die Gaskammern ... Schade!

Regierende Ideologen  agieren nicht auf dem Boden des kodierten, sondern des moralischen Rechts; beide decken sich oft nicht. Was moralisch rechtens ist, bestimmen sie und versuchen, es wie kodiertes Recht durchzusetzen. Ihre Anhänger bestätigen sie darin, und was Gegner oder einfach nur neutrale Beobachter dazu meinen, zählt nicht. Es ist aber eine Sache, ob eine kleine Bloggerin meint, Frankreich habe einen neuen Hitlergruß und zur Verdeutlichung zwei Fotos untereinander fügt, oder ob der Staatspräsident Frankreichs behauptet, der antisemitische Charakter der Äußerungen und Handlungen des Dieudonné könne nicht in Abrede gestellt werden, ne peut pas être nié.

Selbstverständlich kann er das, wie man aus den Medien erfährt. la quenelle n'est pas antisémite bringt bei Google 33 Angebote, diejenigen eingeschlossen, die das als Frage formulieren und antworten, daß die Geste sehr wohl antisemitisch sei. Merkwürdigerweise sieht der MRAP, der sich noch nie gegen Judenhaß und Israelfeindschaft ausgesprochen hat, nun auch Handlungsbedarf und wird gegen Dieudonné dessen schändlicher Äußerungen wegen juristisch vorgehen. Das ist eine kleine Hilfestellung der Beigeordneten Ministerin im Erziehungsministerium und ehemaligen MRAP-Präsidentin, von 1984 bis 1987, George Pau-Langevin für ihren Herrn Kollegen Innenminister: manus manum lavat.

Ein besseres Beispiel für die Beliebigkeit des moralischen Rechts und dessen Herrschaft über das Gesetz kann man in Frankreich gegenwärtig kaum finden. Der zur Staatsaffäre hochgejubelte Kampf gegen den Komiker ist ein weiteres Ablenkungsmanöver der Regierung. Wie die Maßnahmen zur Zerschlagung der Familie mit der Einrichtung der "Ehe für alle", das Gesetz zur Abschaffung der Prostitution, die fünf Berichte zur Abschaffung der Nation, dient nun der Komiker Dieudonné dazu, vom wirtschaftlichen und finanziellen Elend Frankreichs abzulenken.

Deutsche, die sich erhaben fühlen, mögen sich bitte auf den nächsten NPD-Verbotsprozeß vorfreuen!

Update. Seit mehreren Wochen kursiert im Internet das Foto eines Mannes mit Yasser Arafat-T-Shirt; er macht den Dieudonné-Gruß vor der jüdischen Schule Ohr Torah, in Toulouse, wo der muslimische Glaubenskämpfer Mohamed Merah am 19. März 2012 drei jüdische Kinder im Alter von vier, fünf und sieben Jahren sowie ihren Lehrer ermordet hat.


Der Staatsanwalt wurde am 13. Dezember 2013 von Verantwortlichen der Schule darauf hingewiesen. Es ist wie in den meisten ähnlichen Fällen, die Juden müssen selbst aufmerksam machen auf solche Vorgänge. Andere sehen keinen Handlungsbedarf. Die staatlichen Stellen Frankreichs reagieren erst, wenn es dem Ruf des Landes doch zu sehr schadet.

Vidéo : 2014 sera l'année de la quenelle !!!

Publiée par Diedonné le 31 décembre 2013
Vue 408 443 fois, le 1 janvier 2014, 22h00
Vue 1 827 098 fois, le 4 janvier 2014, 13h00