1. Juni 2011

Frankreich. Der "arabische Frühling" zerfällt in drei Teile

Eines muß man dem Personal des Figaro lassen, es kennt seine interesantesten Artikel; sie sind den Abonnenten und Käufern vorbehalten oder denjenigen, die wie ich des Morgens im Cybercafé des Hotels Le Méditerrannée die Gelegenheit haben mitzulesen. Sichtbar im Internet für jedermann sind nur die Kommentare. Darauf werde ich zurückkommen.

Wer also keinen Zugang zur Seite 2 des MSM und dem Beitrag von Jean-Marie Guénois Pourquoi l'islam de France est sujet aux divisions hat, der findet ähnlichen Inhalt in meinem Artikel, vom 23. Oktober 2007, Moschee-Areale im Westen, vom Islam erobertes Gebiet. Dort werden Gründe genannt, warum der Islam Frankreichs Gegenstand der Unstimmigkeiten ist. Der Schweizer Journalist Sylvain Besson stößt darauf bei seinen Recherchen: Es geht um die "Tonnenideologie", wie solches im real existierenden Sozialismus hieße.

La conquête de l'Occident. Die Eroberung des Westens

Le Figaro widmet seinem im Jahr 2005 in den Éditions du Seuil veröffentlichten Buch La conquête de l'Occident. Die Eroberung des Westens, im Januar 2006 zwei Artikel, die leider ebenfalls nicht zugänglich sind. Jean-Marie Guénois erwähnt das Buch nicht, in dem, ausgehend vom Projekt der Muslimbrüder (MB), vom 1. Dezember 1982, bereits alles aufgeführt ist, was heute verschärft Thema ist: Die Finanzstrategie der MB seit den 70er Jahren, ein in internationalen Geheimdienstkreisen bekanntes Netzwerk von Finanzinstitutionen in mehreren europäischen Ländern, alimentiert durch die Monarchien der Golfstaaten, die erste in Form einer Holding, 1977 gegründet in Luxemburg, Infiltrierung säkularer islamischer Staaten und der westlichen Muslimgemeinschaften, Infiltrierung marxistischer Organisationen sowie Freundschaft mit Linken, um sie für ihre Zwecke zu benutzen, wie Tariq Ramadan, der Enkel des MB-Gründers Hassan al-Banna, es mit Jean Ziegler und dem Europäischen Sozialforum 2003 betreibt, wie zuletzt zu beobachten in der Zusammenarbeit der Zweigstelle der MB Hamas und der europäischen und amerikanischen Linken im Projekt der Gaza-Flottille. Bei der Lektüre des Buches wird klar, warum die Unterstützung des Terrorismus nur ein "Epiphänomen", und daß vielmehr das Ziel die Ausrichtung der Gesellschaft zuungunsten der menschlichen Freiheit auf die Autorität Allahs ist, die sich nicht auf Individuen, sondern auf Gruppen stützt. (S. 31-40) In den westlichen Gesellschaften fördern bewußt oder naiv Politiker, Kirchen, Linke und sogenannte Nichtregierungsorganisationen diese Aktivitäten. Sie sind mit totalitären Strukturen bestens vertraut, in sie integriert und, von Abgeordneten abgesehen, nicht demokratisch legitimiert.

Das Buch befaßt sich ausführlich mit den seit 1952 verfolgten und ins Exil getriebenen MB, ihre Organisation wird von Gamal Abdel Nasser zerstört, die wichtigsten Kader gehen ins Exil, wo sie, wie Said Ramadan, Schwiegersohn des Hassan al-Banna und Vater des Tariq Ramadan, in München, mit offenen Armen aufgenommen werden und unter dem Etikett des Kampfes gegen den Kommunismus von dort die Islamisierung Europas systematisch betreiben können. Geld spielt keine Rolle, finanziert werden die MB durch die Herrscher der Golfstaaten, von Saudi-Arabien, Katar, Kuwait, den Vereinigten arabischen Emiraten.

Die MB bilden in den islamischen Ländern den Staat im Staate, nach dem verlorenen Yom Kippur-Krieg sind sie dabei, die Einheit der sunnitischen Welt herzustellen, der Ummah. Wilde Attentate wie die der Qaida, ebenfalls eine Zweigstelle der MB, stören dabei eher, nicht aber strategische Terroreinsätze wie die der Palästinenser des Yasser Arafat, der dafür über die Arab Bank reichlich von Saudi-Arabien finanziert wird. Im Iran nach 1979 erreichen sie nicht mehr als Zweckbündnisse, man wird schon bald das Ende der Zusammenarbeit der schiitischen Mollahs Teherans mit der sunnitischen Hamas beobachten können, die Öffnung des Grenzübergangs Rafah ist dabei ein erstes Anzeichen. Man darf gespannt sein, wie die neue Gaza-Flottille, vom Juni 2011, nunmehr gerechtfertigt wird, da Gaza nicht mehr blockiert ist.

In Sylvain Bessons Buch finden sich zahlreiche Dokumente, auch der im November 2001 von Schweizer Polizisten in der Villa des ägyptischen Bankiers Youssef Nada, Direktor der Finanzinstitution Al-Taqwa, gefundene Originaltext in arabischer Sprache des Projektes der MB, vom 1. Dezember 1982: "Im Namen des milden, barmherzigen Gottes [es müßte Allahs heißen], Bericht S/5/100, vom 1.12.1982. Hin zu einer weltweiten Strategie für die islamische Politik (Ausgangspunkte, Elemente, Vorgehensweisen und Aufgaben)." (S. 191-205) Die Finanzstrategie der MB, signiert von den MB Abu Amr und Abu Hisham, aus dem Jahr 1983, wird ebenfalls dort gefunden. (S. 207-211)

Es verwundert denjenigen nicht, der die deutsche Übersetzung der Untersuchungen Bat Yeors The Euro-Arab Axis. Die Europäisch-arabische Achse, vergeblich sucht, daß das Buch von Sylvain Besson in Deutschland keinen Verleger findet. Statt solcher 230 Seiten Information bringt beispielsweise der Berlin Verlag lieber 1392 Seiten Die Wohlgesinnten des Jonathan Littell heraus, des Chouchous der Nazi-Nostalgiker und Israelfeinde, kurz, aller wohlgesinnten Bürger Deutschlands, Frankreichs und Europas.

Conseil Français du Culte Musulman. Französischer Rat der muslimischen Religion

Spätestens jetzt ist zu fragen, warum Jean-Marie Guénois in seinem Artikel das Buch "La conquête de l'Occident" und damit die Rolle der MB nicht erwähnt, und die Antwort ist einfach, man google dazu Dassault Saudi-Arabia, Dassault Qatar etc.: Le Figaro wünscht sie auf Grund der Interessen seines Besitzers, des Rüstungsindustriellen Serge Dassault, und damit Frankreichs nicht weiter zu erklären, und so bleiben Leser, die erfahren, daß die drei Hauptgruppen im 2003 mit knapper Not gebildeten Conseil Français du Culte Musulman (CFCM) alle der sunnitischen malikitischen Rechtsschule angehören, also vom Standpunkt des rechten Islamverständnisses zusammengehören, ohne Auskunft, warum im Juni die beiden wichtigsten Gruppen, nämlich die Union des Organisations Islamiques de France (UOIF) und die Fédération de la Grande Mosquée de Paris bei den alle drei Jahre stattfindenden Wahlen zu den Führungsgremien nicht antreten werden, und nur der Rassemblement des Musulmans de France (RMF) und kleinere Grüppchen übrig bleiben.

Es stehen entgegen der Behauptung des Portail-Religion.com nicht différents courants de pensée des musulmans de France, unterschiedliche Strömungen des muslimischen Denkens Frankreichs, sondern die Herrschaftsansprüche der durch die islamischen Vereinigungen agierenden Staaten gegeneinander. Es geht um die Vorherrschaft in der islamischen Gesellschaft, um die effizienteste Islamisierung des Westens, und dazu sind noch immer die MB am besten organisiert und geeignet.

Der älteste, 1926 gegründete Verband der Großen Moschee von Paris, wird von Algerien dominiert. Zu den Wahlen erwartet man in Paris mindestens zwei algerische Minister. Zweidrittel der ca. fünf Millionen Muslime Frankreichs stammen aus Algerien. Ein knappes weiteres Drittel stammt aus Marokko, der Rest aus anderen islamischen Staaten. Der Zusammenschluß der Muslime Frankreichs (RMF) und ihr Präsident Anouar Kbibech werden über die Konsulate von Marokko gelenkt, und die 1983 gegründete Vereinigung der islamischen Organisationen Frankreichs (UOIF) und ihr Generalsekretär Makhlouf Mamèche stehen den ägyptischen, von den Monarchien am Golf finanzierten MB nahe, auch wenn sie das hin&wieder abstreiten und vorgeben, autonom zu sein. Die UOIF ist das im Sinne des Projektes der MB. Als Franzose jedenfalls fühlt sich Makhlouf Mamèche nicht. Der Stellvertretende Direktor des Lyzeums Averroes, in Lille, der Stadt der Martine Aubry und ihres Ehemannes Jean-Louis Brochen, des avocat des islamistes, erklärt u.a.: "Ich bin Anfang der 90er Jahre in Frankreich angekommen, und sehr schnell habe ich mit Erfolg die französische Staatsbürgerschaft beantragt. Keinen Augenblick lang konnte ich mir vorstellen zu akzeptieren, Franzose zu sein, wenn man aber Zugang zum Schul- und Hochschulwesen haben will, wie ich es getan habe, dann muß man sich Gewalt antun." Makhlouf Mamèche weiß auch, daß "die Juden von einer tiefsitzenden Feindschaft gegen Muslime sind."

Es ist ein Fall von Projektion, wie man dem Koran und der Geschichte der Eroberungen des Islam entnehmen kann.

Präsident des Französischen Rates der muslimischen Religion (CFCM) ist der 2008 als Nachfolger des Dr. Dalil Boubakeur, von der Großen Moschee, gewählte Mohammed Moussavi, vom RMF, er hat unter den jetzigen Bedingungen des Boykotts alle Voraussetzungen, wiedergewählt zu werden.

"Groupes de pressions liés à des stratégies et à des interêts 'nationaux' issus de l'étranger", an Strategien und "nationale" Interessen gebundene Lobbygruppen nämlich weigern sich zusammenzuarbeiten, wobei jede ihre eigenen Prioritäten setzt. Die Große Moschee, die am engsten mit der französischen Regierung liiert ist, will nicht länger hinnehmen, daß die Gremien nicht nach Zahl der vertretenen Mitglieder, sondern gemäß der "Tonnenideologie" nach Größe der Moschee-Areale bestimmt werden; davon besitzt die Große Moschee am wenigsten. Ab 2008 bereits sollte eine Reform in diesem Sinne stattfinden, aber nichts ist geschehen. Die UOIF wendet sich in aller Scheinheiligkeit gegen die "Einmischung fremder Staaten in den Ablauf der Wahlen".

2003 werden 1000 Moscheen in Frankreich gezählt, heute, acht Jahre später, sind es 2000, und die Muslimvereinigungen wollen "noch weitere 2000". Wer von den drei Vereinigungen die wohlgesinntesten Gönner hat, ist mit den meisten Stimmen dabei. Im Jahr 2003 stellt die UOIF deshalb 27 Prozent, die Fédération nationale des musulmans de France (FNMF), heute RMF, 39 Prozent und die Große Moschee nur 12 Prozent der Führungskader. Nach der Verdopplung der Anzahl der Moscheen kann man davon ausgehen, daß diejenigen der UOIF die größten Areale in die Berechnung einbringen. Von den Algeriern und Marokkanern werden sie sich nicht überstimmen lassen wollen, noch dazu, da der "arabische Frühling" in Algerien und in Marokko im Gegensatz zu Ägypten keine verstärkte Hinwendung zum orthodoxen Islam gebracht hat, sondern das Vordringen demokratischer laizistischer Kräfte. Das wird auch von den jungen Muslimen der UOIF abgelehnt.

Der Widerspruch besteht darin, daß zwar nach der Arealgröße die Stimmberechtigung gemessen wird, aber zu den Wahlen, am 5. und 19. Juni 2011, "mehr als 700 Moscheen" mit 3 700 Delegierten erwartet werden, die angeblich 75,50 Prozent aller Muslime vertreten, plötzlich also doch die Zahl der Muslime gilt. Ob diese sich überhaupt vertreten lassen wollen, spielt keine Rolle. Im angeblich laizistischen Frankreich mischt sich als selbsternannter "Schiedsrichter" der Innenminister Claude Guéant ein, um den CFCM zu retten, dessen Gründung er zur Zeit des Innenministers Nicolas Sarkozy maßgeblich betrieben hat.

Mon Figaro - Commentaires. Kommentare der Leser

Die Kommentare der Leser zum Artikel, inzwischen zwanzig, oszillieren zwischen Unkenntnis, Islampropaganda, Romantik und beinharter Ablehnung des Islam in Frankreich. jv001 meint: "Es gibt KEINEN Islam Frankreichs, es gibt ganz einfach Islam. Wann also werden sie das begreifen?" Und nonpeutetre: Dieser CFCM ist eine Absurdität. ... Die verschiedenen muslimischen Kirchen sind ja gerade verschieden und sehr oft brutal einander entgegenstehend. Es ist nicht der französische Staat, der erzwungenen Ökumenismus zwischen diesen verschiedenen Kirchen machen muß." Er legt nach und spielt dabei auf die Information an, daß die Große Moschee zu Ehren der im Ersten Weltkrieg gefallenen Muslime errichtet worden ist: "Für 70 000 gefallene Muslime hat man die Große Moschee erbaut? Und für die Millionen Katholiken hat man was gebaut?" Darauf bekommt er von joselito rasch Antwort, daß in jedem Dorf, in jeder Stadt den Gefallenen zu Ehren Kirchen, Synagogen und Tempel oder schlicht Listen erstellt und Monumente erbaut worden seien.

Derweil schwärmt Christian Léon vom Islam nah und fern, von untätig unter Bäumen sitzenden traditionell gekleideten Männern, glücklich mit ihren Familien, von Weisen, Königen und Zauberern, und man weiß nicht, ob es nicht eine einzige Häme ist.

balao, mit einem gallischen Hahn als Markenzeichen, ist entschieden: "Verzeihung, aber das hat nichts mit unserer Kultur, unseren Sitten und Gebräuchen zu tun. Das gehört in die Privatsphäre, und im übrigen mögen sich diese Leute eingliedern, wie man es seit Jahrhunderten mit Millionen anderen Migranten gehalten hat, die in unserer Gesellschaft aufgegangen sind, wie das meine Vorfahren und ich getan haben! Unter uns, das ist die einzige Religion, die Probleme macht, die anderen machen nie Probleme?? Darüber ist nachzusinnen!!!" Dux Austin, ein algerisch-stämmiger Muslim protestiert: "Sie müssen das akzeptieren, man wird keine Bekehrungen durchführen oder unseren Glauben auf allen Dächern verkünden, aber man ist praktizierender Muslim, und das geht uns an. ... Kurzum, Ehre dem Islam, und was den Islam von Frankreich angeht, überlasse ich ihn Euch." So erfährt man nebenbei, daß es entgegen den Behauptungen der westlichen Islamfreunde keinen französischen oder europäischen Islam gibt, und daß die fortwährenden Konversionsattacken der Muslime nur eingebildet sind. Es ist Taqiyya vom Feinsten.

fredy89 antwortet balao, alle Religionen machten leider Probleme, Ablehnung der Evolutionstheorie, der Gleichheit von Mann und Frau, der medizinischen Behandlung usw. Binationale Algerien-Franzosen werden von perco01 nach ihrer Loyalität gefragt, und Muslim omar ahlrchid belehrt die Leser über Judentum, Christentum und Islam: "Das wahre Christentum ist eine Korrektur und Aktualisierung des Judentums. Der Islam ist eine Korrektur der vorherigen Verformungen des Monotheismus. Er appelliert an die Vernunft und die Wissenschaft, und er behandelt Frau und Mann auf derselben Stufe der Gleichheit, in dem er in einigen Fällen die biologischen Unterschiede erwägt. ..."

Hätte man das bei allen täglichen Erfahrungen ohne Omars und der anderen Kommentatoren Belehrung gewußt: Der Islam ist in verschiedenen "Kirchen" organisiert, den gefallenen Juden zu Ehren wurden in Dorf und Stadt Synagogen errichtet, von den Christen und ihren Kirchen nicht zu reden, Leben im Islam ist 'ne Idylle, Muslime missionieren nicht und verkünden ihren Glauben nicht vom Dach, der Islam ist die Krönung des Monotheismus, der durch Juden und Christen verfälscht wurde, appellierend an Vernunft und Wissenschaft, alle Suren über die Minderwertigkeit der Frauen gibt's nicht, hin&wieder wird der Acker Frau [Sure 2:223] eben anders behandelt als der ihn bestellende Mann.

Ob Jean-Marie Guénois sich fragt, wozu er den Artikel geschrieben hat?