Sonntag ist Pfingsten, und deshalb muß Le Figaro seine vente forcée einen Tag vorverlegen, um die Kurzurlauber rechtzeitig zu versorgen. Es gibt also schon am Freitag die Hochglanzbeilagen für die gebildeten Bürger, darunter Le Figaro Magazine, mit DSK und seiner Ehefrau Anne Sinclair auf dem Titel, à la Une. Die Chefredaktion läßt ihre Redakteurinnen und Korrespondentinnen in Frankreich und den USA los, auf neun Seiten (Seiten 32-44) ein Porträt ihrer ehemaligen Kollegin Anne Sinclair zu erstellen, sie wählt für den mit Fotos, Einlagen und drei Seiten ganzseitiger Werbung (auf den teuereren ungeraden Seiten 37, 39 und 43) angereicherten siebenseitigen Leitartikel (Seiten 32-40) ihre politische Journalistin Anne Fulda, der breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden als Geliebte des Nicolas Sarkozy zu dessen (Noch-)Ehezeiten mit Cécilia Ciganer-Albeniz, 2005 bis 2006.
Wäre diese nicht, um die Chancen ihres (Noch-)Ehemannes zu erhöhen, kurzfristig der Präsidentschaftswahlen wegen von ihrem Geliebten Richard Attias aus New York nach Paris zurückgekehrt, hätte Anne Fulda First Lady, La première Dame de France, werden können. Einen Sohn des jetzigen Präsidenten soll sie in London geboren haben. Solches verbindet zwar irgendwie, aber Selbstbeschränkung und mangelnde Sachlichkeit sind bereits mit der Wahl der Leitartiklerin vorgegeben. Oder meint jemand, Anne Fulda würde etwas erkennen und schildern, das ihre eigene Lage, ihr eigenes Handeln in Frage stellen könnte?
Le Figaro Magazine auf den Spuren des Ehepaares Strauss-Kahn
Das Titelblatt ziert das schwarzgekleidete Ehepaar, Anne Sinclair hakt sich bei DSK unter, an ihrem linken Handgelenk sieht man bei etwas gelüftetem Jackenärmel eine überdimensionierte Herrenarmbanduhr. Anne Fuldas Artikel ist bebildert mit zwei ganzseitigen Fotos des Ehepaares, wie es am 6. Juni das Gericht in New York betritt (Seiten 32-33), der Blickfang ist dabei er, obgleich der Artikel sich mit ihr auseinandersetzt, drei Fotos aus glücklicheren Zeiten, Eheschließung, am 26. November 1991, im gemeinsamen Büro arbeitend, am 27. November 1993, und DSK seine Anne küssend, im Vorwahlkampf des Parti Socialiste, im Jahr 2006, findet man mit großen Buchstaben betitelt: "Brave petit soldat toujours au côté de Dominique Strauss-Kahn." Braver kleiner Soldat, immer an der Seite von Dominique Strauss-Kahn (Seiten 34-35), ein Foto zeigt Anne Sinclair, wie sie am 19. Mai am Arm ihrer Stieftochter Camille Strauss-Kahn das Gericht betritt (Seite 36) und mit Camille, aus dem New Yorker Wohnhaus kommend, in ein Auto steigt. Camille ist die Freundin der Tristane Banon, die laut ihrer Aussage 2002 nur durch einen Kampf dem Vergewaltigungsversuch des DSK entkommt.
Es folgen noch zwei Fotos, wieder aus besseren Zeiten, eines mit Martine Aubry und Bernard Kouchner, auf dem Parteitag in La Rochelle, am 28. August 2004, alle vier lachen, Martine Aubry gequält, Bernard Kouchner herzlich, Anne Sinclair verkniffen und am lautesten und affektiertesten lacht DSK, sowie am 13. Oktober 2009 auf der Hochzeit ihres Parteigenossen Jean-Christophe Cambadélis, des überzeugten DSK-Anhängers. (Seite 40).
Anne Fulda : La mystère Anne Sinclair
Für Anne Fulda ist ihre Namensschwester Sinclair ein Mysterium, für andere ist sie ein offenes Buch. Anne Fulda widmet ihr, noch bevor sie Argumente bringt, in den ersten beiden Absätzen Eigenschaftswörter, die allein über ihre Voreingenommenheit, nichts jedoch über Anne Sinclair aussagen: digne, würdig, droite, aufrecht, ardente, flammend, wild, émouvante, ergreifend, "wie eine Gestalt der Tragödie, die direkt in ihr Schicksal läuft".
Das Mysterium geheimnist die Journalistin hinein, deren Aufgabe es wäre, Tatsachen zu erhellen und zu berichten. Allein das Geraune um die schwarze, "weniger affektierte" Kleidung: Was bitte sollte sie denn tragen, eine Kreation von Christian Dior oder Pierre Cardin? Jeder weiß, daß Schwarz ein Zeichen ist dafür, daß der Träger sich zurücknimmt, unauffällig sein will, man frage Karl Lagerfeld - und warum der jetzt Marineblau schöner findet. Es bedarf keines Rates von Maître Ben Brafman, sich in dieser Situation in dunklen bis schwarzen Anzügen und Kleidern in die Öffentlichkeit zu begeben. Ein Blick in die Google-Fotogalerie zeigt zusätzlich, daß Anne Sinclair sehr oft schwarz gekleidet ist, was ihr ausnehmend gut steht.
Gleich im ersten Absatz berichtet Anne Fulda, laut englischem und deutschem, nicht aber dem französischen Wiki jüdischer Herkunft, daß Anne Sinclair Jüdin ist, sie sei die französische Verkörperung der JASP, der "jüdisch-angelsächsischen Prinzessin", das Symbol der westlichen Frau, die alles hat, die mächtige Frau eines mächtigen Mannes, im Gegensatz zu den spalierstehenden Zimmermädchen "aus dem Volke", die meisten schwarz und ihr vorwerfend, daß sie das Inakzeptable akzeptiert habe: "Elle, symbole de la femme occidentale qui avait tout. Elle, incarnation française de la jasp ('jewish anglo saxon princess'), de la femme puissante d'un homme puissant et montrée d'un doigt accusateur par ces femmes du peuple, Noires pour la plupart, et lui reprochant d'avoir accepté l'inacceptable."
Mehr neben den Tatsachen geht kaum noch, es hat das Niveau ihrer karikaturalen Schilderungen der jüdischen Gemeinde. Diese Zimmermädchen, die da "Shame on you!" schreien, als DSK, bei seiner Frau untergehakt, ins Gericht geführt wird, wo er sein "not guilty" deponiert, kümmern sich einen Dreck darum, was Anne Sinclair akzeptiert, sondern sie meinen damit denjenigen, dem die Vergewaltigung ihrer Kollegin vorgeworfen wird. Schaut man, was denn wohl im Internet zu JASP erklärt wird, so gibt es dergleichen jüdisch-angelsächsische Prinzessinnen nicht, sie sind eine Erfindung von Anne Fulda. Hauptsache Jude kommt vor!
Dann beteiligt sie sich an der Erniedrigung und Beleidigung der Anne Sinclair und erklärt sie zum braven kleinen Soldaten, immer an der Seite dieses an diesem verhängnisvollen 14. Mai von seinem Sockel gefallenen Ehemannes, als er im Flugzeug verhaftet worden ist, das ihn nach Paris bringen sollte. "Brave petit soldat toujours au côté de ce mari tombé de son piédestal depuis ce funeste 14 mai où il a été arrêté dans l'avion qui le menait à Paris." Wie recht doch Maître Joseph Tacopina hat, der über die eventuelle Parteinahme der weiblichen Geschworenen für das Opfer sagt: "... souvent les femmes sont au contraire très dures avec la plaignante." ... oft sind die Frauen im Gegenteil sehr hart mit der Klägerin. Das kann frau immer und in allen Bereichen erleben, wie frau an Anne Fulda sieht. Erbarmungslos macht sie "das Mysterium Anne Sinclair" runter, nicht mit Argumenten, sondern durch die Wortwahl, durch Eigenschaftswörter und "den braven kleinen Soldaten".
Dann wieder verteidigt Anne Sinclair ihn "wie eine Katze ihre Jungen verteidigt", was sie in Anführungszeichen setzt, ohne mitzuteilen, wer das über sie gesagt hat. Es folgen alle Nutten- und Seitensprunggeschichten, Tristane Banon, Piroska Nagy, die von Manhattan Madam Kristin Davis vermittelte Samantha und die Schilderung des Vaters Gilbert Strauss, der seine Frau ebenfalls habe durch Affären leiden lassen, Unterton: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Das ist noch nicht genug, denn Anne Fulda weiß sogar, was Anne Sinclair denkt: "Elle n'a pas le choix, pense-t-elle." Sie hat keine Wahl (nämlich dem DSK alles nachzusehen), denkt sie. Anne Sinclair ist hartnäckig, Anne Sinclair entscheidet, das wüßten alle, die sie kennen. Wie verträgt sich das mit dem "braven kleinen Soldaten"? N'importe !
"Erniedrigt, aber gerade heraus im Angesicht der Prüfung"
So lautet die Zwischenüberschrift. Es folgt ein Absatz Banalitäten. Es ist klar, daß Anne Sinclair zunächst in den Präsidentschaftswahlen in Frankreich und jetzt in der Prozeßstrategie der Verteidigung eine bedeutende Rolle spielen sollte bzw. spielt. Es muß vermittelt werden, daß sie ihren DSK für wert hält, daß sie sich einsetzt. Das ist schon deshalb banal, als es ihr Geld ist, das gerade verzockt wird. Je schlechter er dasteht, desto teuerer wird's für sie. Und wieder seift sie die Ehefrau mit Eigenschaftswörtern ein: "verhöhnt, aber würdig, erniedrigt, aber gerade heraus im Angesicht der Prüfung. Zuverlässig wie ein Felsen", so werde sie in der Presse dargestellt, sogar in der von jenseits des Atlantik, "même outre-Atlantique". Die seien zwischen Ratlosigkeit und Bewunderung hin&hergerissen.
Nein, Anne Fulda, das ist kein Wunder, haben die amerikanischen Journalisten sich doch an ihre Hillary Clinton gewöhnen müssen. Die Folgen von deren Erniedrigungen durch ihren Ehemann bestimmen heuer die US-amerikanische Außenpolitik. Diese Frau hat keinen Stolz, sonst könnte Daniel Pipes seine Leser nicht mit einem AP-Foto wie dem beliefern, auf dem sie mit dem türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu alberne Späßchen betreibt: Abklatschen. Dieses Kinderspiel hat er gewiß auf der Deutschen Schule in Istanbul gelernt. Zur Erinnerung, er ist derjenige, der das Schiff der Gaza-Flottille Mavi Marmara unterstützt und die Besatzung nach Rückkehr in Ankara als Helden begrüßt: Disgraceful.
Und jetzt geht's auf die Feministinnen, die wieder hochgekommen seien wie die Kuckucke. Was das heißt, "remontées comme des coucous"? Vielleicht ein französisches Sprichwort? Eines ist jedenfalls sicher, französische Feministinnen können sich auch einsetzen dafür, daß muslimische Frauen unter Schleiern zu verschwinden haben. Eine von ihnen, Monique Crinon, habe ich vorgestellt im Artikel Alain Finkielkraut muß weg! Es wird sich eher um Frauen handeln, die ihre Selbstachtung noch nicht verloren haben, die sich einem Präsidentschaftskandidaten, ob aus UMP oder PS, nicht untertan machen würden, überhaupt keinem Mann.
Nachdem die eine Anne die andere Anne hinreichend herabgewürdigt hat, ohne daß sich diese wehren kann, kommen die ersten Fragen, die sich angeblich schnell stellen: "wie diejenige, die eine Ikone der 80er Jahre gewesen ist, eine von diesen Frauen, bis in die Brustwarzen', wie Michel Sardou sang [2:06], von diesen Frauen, die alles wollten - die Liebe, den beruflichen Erfolg, die Kinder - akzeptieren kann, einen Mann zu stützen, der verdächtig ist, eine Frau vergewaltigt zu haben?"
Dazu hat Anne Fulda lange gebraucht, es ist die Kernfrage, deren Beantwortung sie mit der nächsten Frage hinauszögert: "Wie kann dieses behütete Kind, dieser ehemalige Fernsehstar, diese reiche Erbin, die ohne zu zaudern ihr Vermögen in den Dienst ihres Mannes stellt, akzeptieren, so verraten zu werden? Betrogen vor aller Welt?"
Anne Sinclair, die mächtige Frau des Paares, Star der Sendung "7 sur 7", die sonntags zur besten Sendezeit bis zu 12 Millionen Zuschauer erreicht hat, die Jacques Chirac und Jacques Delors interviewt, sich aber weigert, Jean-Marie Le Pen in ihre Sendung einzuladen, weil diese Linke, im Herzen Anhängerin des Pierre Mendès France sei, sie habe alles eingestellt und ohne schlechtes Gewissen geopfert. Und warum? Errät es jemand? Warum? Richtig: der Liebe willen, im Namen der Liebe. L'amour toujours.
Es ist wirklich wahr, das meint Anne Fulda. Hat sie sich auf Nicolas Sarkozy aus demselben Grund eingelassen? Aus tiefer Liebe? Schmerz und Leidenschaft? "Auch Gewalt". Und nun wirft sich Anne Sinclair in die Bresche und ficht für ihren Mann? "L'amour toujours"? Und es bricht aus Anne Fulda heraus: Es sei diese Leidenschaft des Fernsehstars für den Mann, sie ist, als sie ihn 1989 kennenlernt, auf der Höhe ihres Ruhmes, da nur noch Wiederholung und allmählicher Abstieg folgen können, er ist Vorsitzender des Finanzausschusses der Nationalversammlung. Bei ihrer Heirat, am 26. November 1991, ist er bereits Industrie- und Handelsminister, seinerzeit noch schwarzhaarig. Dazu ist DSK eben vom Präsidenten François Mitterrand ernannt. Erste Premierministerin ist Edith Cresson, sie ist im Mai 1991 durch persönliche Beziehungen an ihren Posten gekommen.
Anne Fulda hätte einiges über DSK und Anne Sinclair wissen können, nicht in Mysterien stochern müssen, wenn sie den einen Monat vor der Affäre, am 16. April 2011, in L'Express erschienenen ausführlichen Artikel von Élise Karlin gelesen und ausgewertet hätte: Anne Sinclair, une femme d'influence. Anne Sinclair, eine einflußreiche Frau. Unter einem Foto der Dame in schwarz steht, daß sie ein ihrem Großvater gewidmetes Werk vorbereite.
Ist er seiner Position im IWF wegen ans Schweigen gebunden, spricht sie die Absichten aus und stellt die Weichen. Sie identifiziert sich vollständig mit ihm, und deshalb streitet sie jetzt für ihn; sie tut es in eigener Sache. Sie ist, was man in Alkoholikerkreisen den Ko-Alki nennt. Sie ist einige Monate älter als er, für einen Mann, der angeblich ein Verführer ist, geht das gar nicht. Sie hat Ähnlichkeit mit seiner Mutter, man erinnert sich? Frau Jacqueline, die von ihrem Gilbert betrogen wird. Anne Sinclair gibt die asexuelle jiddische Mamme, womit sie sich als Ehepartnerin selbst abseits stellt.
Mme Strauss-Kahn, Sprecherin ihres Mannes? Sie trägt die Herrenarmbanduhr. Sie ist ihr Mann, nur daß er nicht sie ist, und das auch nicht sein will trotz des gemeinsamen Büros, in dem die Computer einander gegenüberstehen und Frau Anne alles mitkriegt. Barack Obama werde als erster seine Kandidatur verkünden, weiß sie zu Mutmaßungen über seine Kandidatur zur Präsidentschaft. Die in Frankreich üblichen Kommentare der Politik um der Politik willen, "politique politicienne", für oder gegen diesen oder jenen würden in der Versenkung verschwinden. Diese Frau ist größenwahnsinnig. Sie erobert die USA für ihren DSK, so wie sie ihn von Anfang an aufgebaut hat. Durch sie, schreibt Anne Fulda, bekomme er Zugang zur Welt der Medien und der Kultur. Vorher "Domi", dann "Herr Sinclair", eine Symbiose, in der ihr Ehemann von ihr die Gelegenheit erhält, ihr alles abzusaugen, was ihre Persönlichkeit ausmacht. Nun ist sie Frau DSK, die nur durch ihn lebt, und die jetzt ein Nichts ist. Die Fehleinschätzung ihrer Möglichkeiten hat sie und ihn ruiniert. Es ist nicht "l'amour toujours" geschuldet, nicht einer Leidenschaft für den Mann, sondern ihrer eigenen Unzulänglichkeit. Die Macht hat sie nie angetörnt, weil sie sich den Kampf um die Macht jenseits der Fernsehbühne nicht zugetraut hat, wohl aber findet sie Befriedigung darin, durch ihren Ehemann vermittelt mächtig zu sein. Wie die jiddische Mamme macht sie sich für sich selbst nichts aus Ruhm und Geld - das muß sie aber sowieso nicht, weil sie Multimillionärin ist.
Was hätte sie gehindert, auf ihrer Beliebtheit eine politische Karriere aufzubauen? Sie hätte ja nicht als Parteikassiererin anfangen müssen, die Kleinarbeit, das Klinkenputzen, ist in den sozialistischen Parteien nur durch arme Aufsteiger zu erledigen. Andere hätten ihr eine politische Karriere durchaus zugetraut. Es gibt sogar heute noch Leute, wie den Psychologen Joseph Messinger, die meinen, Anne Sinclair möge als Präsidentschaftskandidatin auftreten, jetzt, nachdem für alle Welt sichtbar geworden ist, daß sie diese Durchsetzungsfähigkeit nicht hat, daß sie die nur seit zwanzig Jahren vom sexbesessenen Domi erwartet, den sie nicht zum Therapeuten schickt, sondern zum DSK hochjazzt. Sie ist der Typ Frau, die einen wehmütig an Zeiten denken läßt, in denen Frauen es sich zur Ehre gereichen ließen, eine Position für sich zu erkämpfen oder aus der Öffentlichkeit vollständig fernzubleiben. Für ihre Fernsehkarriere hat sie bei den Beziehungen ihrer Familie nicht kämpfen müssen. Intellektuelle Fähigkeit sowie Begabung für den Journalismus gegeben, kann sie mit einem Blick aus ihren, ob natürlich oder künstlich, abgrundtief blauen Augen, alle Hürden aus dem Weg räumen und die Zuschauer anstrahlen. Die paar Sendungen, die ich gesehen habe, waren erste Klasse, ich erinnere mich heute noch.
Was den angeblich nicht vorhandenen Willen angeht, die Tatsachen zu sehen: Sie kann die Tatsachen nicht sehen, sonst würde sie vor dem Nichts stehen. Deshalb muß sie heute nachlegen und sich für ihren Mann einsetzen. Und wieder ist sie wer durch ihren Mann. Dafür ist ihr nichts zu teuer. Die von Anne Fulda zitierte Journalistin und Schriftstellerin Françoise Giroud hat aber keine Person wie Anne Sinclair gemeint: Bevor sich das Paar trennt, muß der oder die Betrogene einen gewissen, durch den Betrug verloren gegangenen Wert wiederfinden. Anne Sinclair ist nie betrogen worden, sie hat sich selbst entwertet, sie hat von Anfang an von den sexuellen Aktivitäten ihres "chimpanzé en rut" gewußt. Betrogen worden ist er, um einen Tritt in den Arsch und die Worte: Wenn du nicht augenblicklich eine Therapie beginnst, schmeiße ich dich achtkantig raus! Anstatt eine politische Karriere in der nationalen Finanzverwaltung und der internationalen Politik anzustreben, kümmere dich erst um deinen Psychohaushalt und deine lokalen Probleme. Stattdessen hat sie alles getan, um ihn davon abzuhalten.
Er wird derjenige sein, der zunächst bei ihr bleibt, um in seinen Augen einen gewissen Wert zurückzugewinnen, den er durch ihren Betrug verloren hat. Danach wird er sich von ihr abwenden und mit einer viel jüngeren und noch viel ärmeren Ehefrau Nr. 4 ein neues Leben beginnen. Vielleicht wird er dann im hohen Alter noch einmal Vater.
Einlagen und Ergänzungen des Artikels von Anne Fulda
Die Einlagen liefern die Sonderkorrespondentin Marie-Amélie Lombard-Latune (mit Adèle Smith): Une facture au moins deux millions de dollars. Eine Rechnung in Höhe von mindestens zwei Millionen Dollar (Seite 35), New York-Korrespondentin Adèle Smith: "La presse américaine à court de mots pour expliquer son attitude." Die amerikanische Presse findet nicht die Worte, ihre Haltung zu erklären (Seite 36), und noch einmal Adèle Smith: "Camille Strauss-Kahn, impassible témoin." Camille Strauss-Kahn, die Fassung bewahrende Zeugin (Seite 38)
"Millionen und Millionen Dollar, einschließlich zur Wiederherstellung seines Image nach dem Prozeß, wenn er denn freigesprochen wird," müßten aufgewendet werden vom Ehepaar DSK, den Schadensersatz für Nafissatou Diallo, sollte sie einen Zivilprozeß anstrengen, nicht gerechnet. Die reiche Erbin, 35 bis 55 Millionen Euro schwer, wenn nicht mehr ("lesen sie Seite 44") wird's herbeischaffen. Drei Spalten ist Le Figaro "die Rechnung" wert.
Adèle Smith zitiert den Fernsehsender ABC: "Warum, warum dulden sie [die Ehefrauen] das? ... Die Gleichheit von Frauen und Männern wird eine Täuschung sein, wenn diese es hinnehmen, sich von ihrem Mann entehren zu lassen." Es ist den Frauen, nicht den Männern geschuldet, wenn das so ist. Welche Frau hat es nicht in ihrem Berufsleben erfahren, daß nicht die Kollegen und die männlichen Vorgesetzten oder gar die Mitarbeiter des technischen Dienstes, sondern die anderen Frauen auf allen Ebenen, darunter, gleichgestellt und vorgesetzt, sich der "Kollegin" annehmen. Diejenige, die sich in der Gemengelage durchsetzt, macht Karriere auf eigene Rechnung oder scheitert. Alle anderen Frauen gelangen in ihre Position "mit den Waffen einer Frau". Diese Variante hat Anne Sinclair gewählt, sie hat sich selbst erniedrigt, eines DSK bedurfte es nicht dazu.
Camille Strauss-Kahn wird vorgeführt, Hauptzeugin, die mit ihrem Vater im Café Boulud gegessen hat, wann genau, ist wichtig für die Verteidigung, vielleicht unter den Klängen von Jacques Dutronc? Passend!
Moi je préfère les maxis
Maxi-moke et maxi-jupe
Maxi-moche et maxi-pute
Was aber soll sie bezeugen, sie ist nicht im Sofitel gewesen? Ausgesorgt für die nächsten Monate hat der Besitzer, sie werden ihm die Botica einrennen. Wo hat der Delinquent gesessen? Es geht aber wieder nicht ohne anti-amerikanischen Schlag ab, die Tochter trifft die Ermittler des NYPD, "connus pour leur agressivité, qui a dû bouleverser l'étudiante extrêmement réservée," bekannt für ihre Agressivität, die die äußerst zurückhaltende Studentin zutiefst erschüttert haben muß. Nebenbei berichtet sie, daß Tristane Banon ihre beste Freundin war, sie ist's also nicht mehr? Woher weiß sie es? Das hat was, die Mitarbeiterinnen des Figaro unterwegs als Klatschweiber!
Die Journalistin Martine Betti-Cusso interviewt den Psychiater, Anthropologen und Autor Dr Philippe Brenot. Endlich kommt ein Mann zu Worte, und endlich liefert jemand Erklärungsversuche, die nicht geprägt sind von Neid und Rechtfertigungsdrang: Face à l'adversité, le couple ne se démet pas. Im Angesicht der Not geht das Paar nicht auseinander. (Seite 42) In einem Punkt allerdings scheint er mir zu rational zu argumentieren: "Ces couples atteignent leurs limites lorsqu'ils réalisent que l'individu ferait mieux que le duo." Diese Paare [die er eben vorgestellt hat als Muster, dem auch das Paar DSK folgt] kommen an ihre Grenzen, wenn es ihnen klar wird, daß der einzelne es besser machen würde als das Duo. Das erkennt zunächst nur einer von beiden, meist der Mann. Und das wird auch DSK erkennen, wenn er zur Ruhe kommt: Er kann sein Leben besser ohne Anne Sinclair führen, er bedarf ihrer weniger als sie seiner.
Die Krönung ist der Bericht der Chefredakteurin für Kultur Véronique Prat über Anne Sinclairs vor allem aus Gemälden bestehendem Reichtum; sie ist gemeinsam mit ihrer 80-jährigen Tante Elaine Erbin ihres Großvaters, des Kunsthändlers Paul Rosenberg (1881 - 1959): Une fortune estimée à plusieurs dizaines de millions. Ein Vermögen, das auf mehrere zig Millionen geschätzt wird. Das Foto des Gemäldes aus dem Jahr 1918 von Pablo Picasso, ihrer Großmutter mit ihrer Mutter als Kleinkind porträtiert, ist beigefügt. (Seiten 44-46) Über Paul Rosenberg bereitet Anne Sinclair eine Biographie vor. Als sie die Nachricht von der Anklage gegen DSK erreicht, hat sie einige Seiten fertig. Diese Arbeit steht jetzt zurück. Im Figaro wird sie nicht erwähnt, auch nicht, daß Anne Sinclair Mitglied des Aufsichtsrates des Pariser Picasso-Museums ist.
Paßt es nicht zum Bild vom kleinen braven Soldaten?