23. Juni 2011

Israel. Tzipi Livni und die Abneigung Israels gegen Veränderung

Als wenn es nicht schon genug wäre mit der Israeli Presidential Conference, wo eben ein Privatissimum gratis des Staatspräsidenten Shimon Peres mit seinem Sohn Chemi J. Peres zu Ende gegangen ist, und noch ein paar schöne Abschlußreden folgen werden, entgeht man der Geltungssucht auch anderer Politiker Israels nicht. Für jemanden, der in Frankreich lebt und sich informiert, präsentiert sich die israelische Politik heute in Jerusalem als Familienbetrieb, Wenn der Vater mit dem Sohne, und in Frankreich als Sprachrohr der Politik des Quai d'Orsay.

Es wird den israelischen Politikern bekannt sein, daß die Funktionäre des französischen Außenministeriums und die MSM aller politischen Richtungen im Interesse Frankreichs alles für ihre politique arabisante unternehmen, alle einspannen, derer sie habhaft werden können, von Finnland bis Mauretanien, von Amos Oz bis Stéphane Hessel, aber das tut der Profilierungssucht des amtierenden Verteidigungsministers Ehud Barak und der ehemaligen Außenministerin Tzipi Livni, der Vorsitzenden der oppositionellen Kadima Partei, keinen Abbruch. Sie lassen sich im Figaro einvernehmen vom Interviewer Pierre Rousselin. Ihm gegenüber erklärt Ehud Barak, am 18. Juni 2011: En Syrie, Assad est condamné. So prangt es in der Überschrift, und im Text führt er aus: "Nach drei Monaten und 1 500 Toten hat Assad seine Legitimation verloren. Er ist verurteilt. Er kann sich drei oder sechs Monate halten, aber es gibt für ihn kein Zurück mehr, und er kann seine Rechtmäßigkeit nicht wiedererlangen."

Man lege es auf Wiedervorlage, zunächst für den 18. September, dann für den 18. Dezember 2011, ein Jahr geht schnell vorbei, und schaue dann in der politischen Landschaft in Syrien nach: Sind die Muslimbrüder an der Macht? Sie nämlich sind wie in den anderen Staaten des "arabischen Frühlings" die bestorganisierte Opposition. Ehud Barak scheint dieser Entwicklung entgegenzufiebern. Von der Israeli Presidential Conference hat das Publikum schon im Eröffnungsplenum gelernt, das Wichtigste sei, daß sich etwas ändert, dann gebe es eine Chance zur Verbesserung. Wer hätte das geahnt? Über die Voraussetzungen, unter denen die Änderung zur Verbesserung führt, ist nicht die Rede und erst recht nicht über diejenigen, unter denen jede Änderung schlimmer wird. Israelfreunde reden dem Aktionismus das Wort.

Kaum hat man sich von Ehud Barak und seiner Unterstützung für die Initiative Frankreichs zur Wiederaufnahme von israelisch-palästinensischen Verhandlungen im Juli erholt, führt Pierre Rousselin den nächsten israelischen Politiker vor. Er interviewt die Vorsitzende der Opposition und der Kadima Partei Tzipi Livni: L'immobilisme met Israël en danger. Die Abneigung gegen Veränderung bringt Israel in Gefahr. Auf der Konferenz beteiligt sie sich an "einem strategischen Blick in die Zukunft" unter der Haribo-Überschrift Looking Towards Tomorrow: Trends, Challenges and Decisions. Auf Morgen blicken. Trends, Herausforderungen und Entscheidungen.

Was auf die Israelis zukäme, wenn Tzipi Livni wieder in ein Regierungsamt eingesetzt würde, kann man dem Inhalt des Interviews entnehmen. Auch sie scheint sich wie Ehud Barak an die französischen Ambitionen anzulehnen. Verhandlungen seien mehr als jemals notwendig. Diejenigen, die sich die Ergebnisse der bisherigen Verhandlungen mit den Palästinensern ansehen, jede einzelne von ihnen ist immer die notwendigste jemals, werden Tzipi Livni fragen, warum jetzt, und warum jetzt "mehr als notwendig"? Ganz gleich, was im September geschehen werde, ob also Mahmud Abbas o.V.i.A. mit Unterstützung der Vereinten Nationen einen zweiten palästinensischen Staat neben Jordanien ausruft oder nicht, verhandelt muß werden. Auf den Konferenzzirkus folge der Verhandlungszirkus!

Noch bevor sie von den Palästinensern zu erfüllende Voraussetzungen nennt, unter denen überhaupt Verhandlungen geführt werden können, spricht sie vom Einfrieren des Siedlungsbaus als Preis für eine Zweistaatenlösung, zwei Staaten für zwei Völker, widrigenfalls die Isolierung Israels auf der internationalen Szene fortschreite. Die "Bedingungen des Quartetts" nennt sie nicht im einzelnen, die muß die Redaktion des Figaro in Klammern einfügen: "Anerkennung Israels, Absage an die Gewalt und Anerkennung der unterzeichneten Verträge". Sie verschweigt sie aus gutem Grund; denn die Palästinenser erklären wiederholt, daß sie diese Bedingungen nicht erfüllen, sondern daß sie Ergebnis von Verhandlungen sein könnten.

Was die Isolierung Israels angeht, so ist das ein propagandistischer Popanz. Solange die israelische Politik das selbst so sieht, brauchen Staaten wie die USA, Rußland, China, und braucht die EU sich nicht zu äußern. Was wäre denn, wenn die muslimischen Araber, so wie Tzipi Livni es fordert, das Westjordanland als "Palästina" zugesprochen bekämen - noch dazu in der jetzigen Situation von Aufruhr und Revolution von Marokko bis Bahrein? Es gäbe einen Aufschwung für die Muslimbrüder, die Hamas ist nur eine Zweigstelle. Allah hätte auf Seiten der Eroberer gesiegt, und den Rest wird Allah sie auch noch erobern lassen. Wie es zu geschehen hat, ist in groben Zügen bereits im Phased Plan, vom 9. Juni 1974, vorgegeben, und welche Rolle die lokalen islamischen Bewegungen zu spielen haben, steht im Projekt der Muslimbruderschaft, vom 1. Dezember 1982. Es hat sich an dieser Strategie nichts geändert.

Würden die USA und die EU die Durchführung des nächsten Schrittes, die Auflösung des Staates Israel, ob auf dem Verhandlungswege oder kriegerisch, weiter mit Hunderten von Millionen Dollar und Euro finanzieren, oder würden sie endlich eingestehen, daß ihre durch kurz- und mittelfristige politische und wirtschaftliche Interessen motivierte Unterstützung der "palästinensischen Sache" sich letztlich gegen sie selbst richtet? Der Westen sowie Rußland und China bedürfen des jüdischen Staates Israel ihrer eigenen Probleme mit dem Islam und den Muslimen in ihren Staaten wegen. Wer das nicht glaubt, der gebe eine Antwort darauf, warum die USA massiv und die EU auf bescheidenere Weise, Israel unterstützen. Der Juden in den USA wegen? Es wird beklagt, daß sie zunehmend desinteressiert sind an Israel. Der europäischen, besonders der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts wegen? Da liegt die Betonung auf "Geschichte", und die ist seit 66 Jahren passée!

Aber zurück zu Tzipi Livni. Sie unterstellt ihren politischen Gegnern, daß diese aus Angst nicht verhandeln wollten: "L'anxiété conduit certains responsables israéliens à une position défensive. L'immobilisme devient une politique." Angst leitet gewisse israelische Verantwortliche in eine defensive Position. Die Abneigung gegen Veränderung wird zur Politik. Herumkrakelen wie Sarah Silverman auf der Konferenz, das wird angestrebt? Man sieht, was aus Juden wird, die sich nicht mehr viel aus der Torah machen. Sie interpretieren die Lage, wie es ihnen gerade einfällt. Stattdessen besser Exodus 14:14 , Deuteronomium 1:30 und 3:22, Tzipi Livni - und das habe ich nicht aus dem Internet, sondern selbst gelesen!

Die Schilderung der Ereignisse auf dem Tahrir Platz in Kairo zeigen die Illusionen, denen eine Politikerin nachhängt, die Außenministerin Israels gewesen ist. Die Mehrheit der Protestierenden - mögen sie angefangen haben als Demokratiebewegung - hat sich unter die Anleitung der Muslimbrüder begeben, sie fordern ihr Recht, den islamischen Staat in Ägypten durchzusetzen, sie verfolgen Kopten, sie protestieren vor der Botschaft Israels, sie wollen den Friedensvertrag mit Israel auflösen. Wenn es nicht dazu kommt, dann nur, weil in dem Fall der Dollarsegen aus den USA für Ägypten ausbliebe.

Die Radikalen werden bei den Wahlen in Ägypten nicht Israel ins Zentrum der Debatten stellen, sondern die Errichtung des Scharia-Staates. Israel wird nebenbei erwähnt. Die Vernichtungskampagnen gegen Israel sind zur Einigung hinter der grünen Fahne des Islam nicht mehr nötig. Und was heißt: "Nous devons renforcer les modérés. C'est pourquoi il est plus urgent que jamais de négocier." Wir müssen die Moderaten stärken. Deshalb ist es dringender als jemals zu verhandeln? Jede Verhandlung in der gegenwärtigen Lage stärkt die Radikalen, die werden mit dem Finger auf die Verräter weisen. In dieser Zeit ist es angesagt, abzuwarten und wie ein Chamäleon mit dem Hintergrund zu verschmelzen. Dann werden die Muslime die Kämpfe untereinander ausfechten, es geht bereits los. Warum gibt es keine Mavi Marmara? Die osmanisch gestimmte Türkei hat Ambitionen auf ihre Provinz Syrien, das geht gegen den Iran, der unterstützt die Hamas, diesen Fuzzi, im Gaza-Streifen. Darum gibt es keine Mavi Marmara.

Die Frage, ob die Übereinkunft zwischen Hamas und Fatah Verhandlungen unmöglich mache, verneint sie und spricht dabei diese goldenen Worte: "Nous avons eu des partenaires qui voulaient faire la paix mais étaient trop faibles pour l'imposer. Nous en avons eu qui auraient pu l'imposer mais n'en voulaient pas." Wir hatten Partner, die Frieden machen wollten aber zu schwach waren, ihn durchzusetzen. Wir hatten welche, die ihn hätten durchsetzen können, aber es nicht wollten.

Sie hat damit, ohne es zu wissen, die Politik des Islam seit 1 400 Jahren zusammengefaßt. In der Position des Schwächeren gestehen die Muslime gerade soviel zu, daß man nicht gegen sie vorgeht, sind sie aber, oder wähnen sie sich, in einer Position der Stärke, gestehen sie nichts zu, sondern führen Krieg. Tzipi Livni hat vom Islam keine Ahnung.

Auch will sie so tun, als wenn es die Verbrüderung von Fatah und Hamas nicht gäbe, einfach mit einer palästinensischen Regierung verhandeln, und dann sei es an der Hamas zu entscheiden, ob sie den Vertrag akzeptiere. "Au Hamas, ensuite, de décider s'il accepte l'accord." Soviel Weltfremdheit hat es lange nicht gegeben. Diese Frau hat nichts begriffen, obgleich sie in das Geschehen zu ihrer Zeit als Außenministerin eingebunden war, sie erwähnt es, anscheinend voller Stolz. Ich werde ihr ab jetzt den Namen Pipi Livni zueignen.

Zum Abschluß des Interviews fragt Pierre Rousselin sie, warum sie nicht in die Regierung eintreten könne. "Weil (Premierminister) Netanyahu es nicht will. Ich habe ihm mehr als einmal vorgeschlagen, eine andere Koalition zu bilden."

Danke, Benjamin Netanyahu, daß Sie Pipi Livni eine Abfuhr erteilen!

Und für diejenigen, die keine Bibel im Hause haben, verrate ich, was in den genannten Bibelstellen zu lesen ist: "Der Ewige wird für euch streiten, und ihr möget still sein."