Adèle Smith, Korrespondentin des Figaro in New York, ist außer sich. Die Boulevard-Blätter Daily News und Washington Post recherchieren doch tatsächlich jedes kleine Hüsteln und Rascheln in der Affäre DSK. Sogar Jungreporterinnen werden auf die Fährte gesetzt, um auch nur das geringste Anzeichen für einen Knüller zu finden. Davon läßt sich die Korrespondentin beeindrucken, die anscheinend niemals auf solche Ideen käme, um für ihren Arbeitgeber Neuigkeiten zu entdecken. Die Folge davon ist, daß die Berichterstattung aus Washington und New York im Figaro so mit das Langweiligste ist, was man lesen kann, es sei denn, die Jünger des Barack Obama fielen zum Wahlkampf 2008 für kurze Zeit ins Land ein, um Legenden und Märchen über ihr Idol zu erfinden, Philippe Gélie ! Jean-Louis Turlin ! La Fontaines Fabeln und die Märchen der Gebrüder Grimm sind nichts dagegen.
Aber für Le Figaro ist selbst bei einer "Onde de choc", einer Schockwelle wie dieser, Gemächlichkeit erste Priorität, und so werden die Leser, Papier oder Internet, schon am 2. Juni 2011 mit einem Foto von ar-Reuters bedient, das angeblich am 26. Mai von Lucas Jackson aufgenommen worden ist: "À la une du Daily News le 26 mai. Le tabloïd new-yorkais a surnommé l'ancien chef du FMI le 'perv', c'est-à-dire le pervers." Aufmacher der Daily News, am 26. Mai. Das New Yorker Boulevard-Blatt hat dem ehemaligen Chef des IWF den Spitznamen der "Perv" gegeben, das heißt der Perverse. Le Figaro bringt nicht den ganzen Text des Titels, wie man ihn auf flickr lesen kann: IMF Head Pulled Off Plane As He Flees New York. Le Perv. French big busted in sex attack on hotel maid. See page 3. IMF Chef aus dem Flugzeug geholt, als er aus New York fliehen will. Der Perv. Französischer Bigshot verhaftet wegen Sex-Angriff auf Zimmermädchen. Siehe Seite 3. Rechts daneben, am Rande des ganzen Textes, DSK im Profil, sich die Lippen leckend. Was man sonst noch erkennt? Die Zeitung ist vom 15. Mai 2011.
Neben diesem Blatt liegt Rupert Murdochs New York Post, Ausgabe Late City Final, drapiert mit ihrem Titel, ebenfalls vom Sonntag, den 15. Mai 2011: "Cops Haul French Pol Off JFK Plane. Sleazy Money. Head of IMF arrested for 'sex crime' in Midtown hotel. Full story pages 4-5." Polizisten schleppen französischen Politiker auf dem JFK-Flugplatz aus dem Flugzeug ab. Schmieriges Geld. Chef des IWF wegen "Sex Verbrechen" in einem Hotel des Stadtzentrums verhaftet. Die ganze Geschichte, Seiten 4-5. Ein Foto von Nicolas Sarkozy und Dominique Strauss-Kahn, unten rechts, ziert die Titelseite.
Es versteht sich, daß nicht noch mehr Beleidigungen des potentiellen Präsidentschaftskandidaten an die Figaro-Leser kommen dürfen, diese beispielsweise: IMF head in snit over lack of VIP treatment. IMF Chef im Wutanfall über mangelnde VIP-Behandlung.
Die Paparazzis tun ihre Arbeit wie überall in der Welt, wo es Sensationelles auszuspähen gibt, aber wenn es sich um einen französischen Politiker handelt, dann gerät der alte faule Figaro aus dem Häuschen, und Adèle Smith macht sich, als wenn sie noch niemals von Boulevard-Blättern vernommen hätte, über die Nachrichtenbeschaffung bei der New Yorker Polizei und die Aufblähung von Nichtigkeiten her. Anscheinend hat sie noch nie in die am Wochenende durch "vente forcée" unter die Leser gebrachten Zeitschriften Figaro Madame und Figaro Magazine geschaut. Dort findet frau mit Hochglanzwerbung durchsetzte aufgeblähte Nichtigkeiten en masse. Für diesen Schrott kostet der Figaro im Zwangsverkauf einmal in der Woche nicht 1,40€, sondern 4,50€. Nebenbei wird mitgeteilt, daß die New York Post Verlust mache, will heißen, daß Frankreichs DSK dem Blatt zu mehr Umsatz verhilft. Ganz zum Schluß, wenn einige Leser sich schon angeekelt abgewendet haben, informiert die Korrespondentin, daß die mediale Lynchjustiz nicht notwendigerweise die Geschworenen beeinflusse, wie mehrere New Yorker Anwälte mitgeteilt hätten. "In den USA kann man sagen, daß Obama 'Muslim' und DSK eine 'brünstige Kröte' sei, man bleibt durch das First Amendment, den ersten Zusatzartikel zur Verfassung [der USA] über die freie Meinungsäußerung, geschützt."
Es gibt keine Erklärung, was das "Premier Amendement" ist. Mit dem Hinweis darauf endet der Aufschrei, anstatt damit anzufangen. Wie ist es in Europa? Warum wechseln deutsche und französische Blogger auf amerikanische Server? Warum kann es von der EU und ihren Mitgliedern Aktivitäten geben, Islamkritik zu verbieten? Warum protestiert kein französisches oder deutsches MSM dagegen, daß über die Wiedereinführung des Gotteslästerungsparagraphen nachgedacht wird, nicht etwa um eine in Pisse getunkten Chistusfigur zu verhindern, sondern den Islam und seinen Propheten jenseits der Diskussion zu stellen?
"A quand un premier amendement à la française, pour que la parole se libère enfin en France ?" Wann wird es ein First Amendment à la française geben, auf daß die Rede in Frankreich endlich frei werde? fragen nicht die Mitarbeiter des Figaro, sondern Kommentator Poppy Poppy. Nicht nur Boulevard-Blätter, sondern auch die Financial Times haben DSK im Gefängnis gezeigt. Das erfährt man nicht durch die Korrespondentin, sondern durch Poppy Poppy. Ist er/sie vielleicht ein sich anonym äußernder Mitarbeiter des Figaro? Auch die anderen Kommentare weisen darauf hin, daß in Frankreich alles unter den Teppich gekehrt wird, und man sich nach Meinungsfreiheit sehnt.
First Amendment - Religion and Expression
Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances.
Erster Zusatzartikel - Religion und Meinungsäußerung
Der Kongreß [das nationale Parlament der USA] soll kein Gesetz erlassen bezüglich der Verankerung von Religion oder dem Verbot, sie frei zu praktizieren, oder die Redefreiheit, oder die Presse zu beschneiden, oder das Recht des Volkes, sich friedlich zu versammeln, und der Regierung eine Petition einzureichen, um Mißstände zu beseitigen.
Solche Informationen finden sich nicht im Zusammenhang mit der Berichterstattung über DSK, sondern der eigens nach New York entsandte Renaud Girard schreibt von einigen Minuten eines Dramas: "quelques minutes du drame". Französische Journalisten wähnen sich im Theater, sprechen vom "après-midi de ce samedi fatal", vom "Nachmittag dieses verhängnisvollen Samstags", maßen sich aber an, amerikanische Medien von oben herab zu betrachten. Der Samstag ist nicht verhängnisvoll, der Korrespondent verlagert die dem DSK vorgeworfene Tat auf einen Wochentag. Die Verantwortung liegt beim Schicksal, zu dem niemand kann, es kommt zum "Drama", am "verhängnisvollen Samstag", so als ob es an einem anderen Tag nicht hätte dazu kommen können. Der einzige, der demnach nichts dazu kann, ist DSK, und da mag Renaud Girard recht haben, der "chimpanzé en rut" mag krank sein, sex adict. Man darf gespannt sein, ob die Anwälte darauf kommen. Ich wette, daß nicht, sondern sie werden, wie Ben Brafman bereits der Haaretz mitgeteilt hat, ihren Klienten als unschuldig aus dem Gefängnis holen wollen.
Im Meer der Arroganz, der Überlegenheit, des Anti-Amerikanismus der französischen Berichterstattung geht fast unter, was an Positivem zum amerikanischen Strafrecht zu bemerken ist: So harsch das amerikanische Recht zu Anfang des Verfahrens mit den Angeklagten ist, "zum Ende kann es ihnen günstig sein, denn die Schuld kann nur einstimmig von den aus der Bevölkerung New Yorks mittels Los bestimmten zwölf Geschworenen festgestellt werden." Die Täterschaft muß "über jeden vernünftigen Zweifel" erhaben sein. Wer hat nicht mindestens zweimal in seinem Leben den berühmten Film von Sidney Lumet Twelve Angry Men. Die zwölf Geschworenen gesehen?
Das Zimmermädchen
Und nun zum Zimmermädchen, das den Korrespondenten der französischen MSM nicht so wichtig ist. Renaud Girard aber nimmt sich der anderen Seite an, was schon einmal bemerkenswert ist bei all den Sprüchen der falschen DSK-Freunde, vom ehemaligen Kulturminister Jacques Lang, der meint, es sei ja keiner umgekommen, über den Salon-Philosophen Bernard-Henri Lévy, der die Berichterstattung der amerikanischen Medien als Parteinahme für die Armen abtut, "the poor immigrant woman", bis zum ehemaligen Chefredakteur der Zeitschrift Marianne Jean-François Kahn und seinem troussage de domestique, etwa "sich eine Hausangestellte greifen".
In dem Artikel erfahren die Leser, daß es in den USA verboten ist, den Namen des tatsächlichen oder angeblichen Opfers zu nennen, die Medien dürfen nur den des Angeklagten veröffentlichen. In den USA herrscht Opferschutz. Die Nachbarn sind Tage später erstaunt: "Was, sie ist das?" In Frankreich regt man sich über den Perp Walk auf, daß der Angeklagte in Handschellen fotografiert und in den Medien veröffentlicht werden kann. Erinnert sich noch jemand an Robert Redeker und sein Leben als Flüchtling im eigenen Land? An seinen Artikel, vom 21. September 2006, Was muß die freie Welt angesichts der islamistischen Einschüchterungen tun? Im Original Face aux intimidations islamistes, que doit faire le monde libre ?
Nicht nur radikal-islamische Terroristen, sondern die gesamte französische Gesellschaft bis zum Erziehungsminister sind über das Opfer der Morddrohungen hergefallen, haben seinen Wohnort veröffentlicht und ihm noch Dreck hinterhergeworfen, er sei selbst schuld. Das grassiert auch über das Zimmermädchen des Sofitel in den französischen MSM. Es ist für französische Journalisten selbstverständlich, Name und Adresse toter oder lebendiger Opfer zu verbreiten, ich lese es täglich im Indépendant; die Täter dagegen werden mit Phantasienamen belegt oder heißen "les jeunes", die Jugendlichen. Wenn es sich um Muslime als Täter handelt, ist es wie in Deutschland, der Name wird verschwiegen oder der Täter heißt "Torsten". In Deutschland und Frankreich herrscht Täterschutz.
Renaud Girard begibt sich in die Bronx, schaut sich um, interviewt Nachbarn und eine ehemalige Arbeitskollegin. Warum er aber das Haus, in dem Nafissatou Diallo und ihre 15-jährige Tochter bis zu dem "samedi fatal" wohnen, als graues Haus des sozialen Wohnungsbaus bezeichnet, während er daneben eben dieses Haus mit seinen roten Klinkersteinen, fotografiert von Mehdi Taamallah, ABACA, den Lesern präsentiert, das bleibt sein kleines Geheimnis.
Frau Präsidentin
Und nun noch ein Wort zu der aufopferungsvollen Ehefrau Anne Sinclair. Der Figaro überschlägt sich wie die gesamten französischen MSM in Elogen, nachzulesen im Dossier L'Onde de choc: "Anne Sinclair in der ersten Reihe, DSK zu verteidigen. Der ehemalige Fernsehstar hat sein bemerkenswertes Vermögen in den Dienst für ihren Ehemann gestellt." "Anne Sinclair. Unerschütterliche Stütze. Porträt. Die ehemalige, in Frankreich sehr populäre Starjournalistin bildet mit ihrem Ehemann ein zusammengeschweißtes Paar, selbst im Sturm."
Als letzten Artikel aber findet man von Carl Meeus. DSK: pourquoi ils n'ont rien dit. Warum sie nichts gesagt haben. Was ist mit dem Fall der Tristane Banon, mit dem Ausspruch von Thierry Ardisson, nach der Sendung von 2007 hätten ihn 14 Damen angerufen und erklärt, mit ihnen hätte er's auch versucht?
Seine Ehefrau hat maßgeblich dazu beigetragen, daß ihr Mann jetzt dort ist, vorm Richter, daß Millionen Euro und Dollar aufgewendet werden müssen, ihn da herauszuhauen. Sie hat am besten gewußt, daß ihr Mann kein "séducteur" ist, kein Verführer, auf den frau stolz sein kann, sondern daß er ein Fall für den Therapeuten darstellt. Diese Frau hat in ihrem Ehrgeiz, über ihren Mann aufzusteigen, eines Tages gar Präsidentin Frankreichs zu werden, rücksichtslos zugesehen, wie ihr Mann sich immer weiter zerstört, jahrelang hat sie geduldet, daß er zum Gespött von Tout-Paris geworden ist, hat ihm keine Grenzen gesetzt.
Bis ins Fernsehen hinein lachen sich seit vielen Jahren alle 'n Ast: Domi-nique, französisch heißt das: Domi fickt. Man google Domi DSK, und das Lachen bleibt einem im Halse stecken. Wenn man dagegen Anne Sinclair présidente googlet, dann sieht man das ganze Elend der französischen Gesellschaft: Anne Sinclair présidente, et pourquoi pas ? Anne Sinclair Präsidentin? Warum nicht? "Sie hat die Leidenschaft, sie hat die Erfahrung, sie hat das Format, sie hat die Popularität." So lauten die Überschriften. Einige Blogger wollen sie, Monate vor dem 14. Mai 2011, zur Jagd tragen. Diese Frau aber traut sich ein direktes Vorgehen nicht zu, in der Politik kann sie nur vermittelt Karriere machen, wie die Frauen im Deutschland der 50er Jahre, da sie "Frau Direktor" und "Frau Professor" sind. Wenn man sie auf Fotos sieht, wird einem schnell klar, daß alles nur Fassade ist, spätestens seit sie zugunsten des Aufbaus ihres Ehemannes auf die eigene Karriere verzichtet hat. Eine Frau, die solches, in welchem bescheideneren Rahmen auch immer, schon selbst erlebt hat, sieht nichts als Elend. Auf dem Foto von Les Martiennes ist eine gebückte traurige Frau, die eine Tasche schleppt, während ihr Mann mit strahlendem Gesicht vorwärts stapft. Sie, ohne die er nichts wäre, wird zum Nichts.
Auf LePost.fr ebenso: Eine schüchterne Frau, die zweifelnd blickt.
La femme est l'avenir de l'homme. Die Frau ist die Zukunft des Mannes, meint der bloggende Arzt und Schriftsteller Jean-François Moreau mindestens zwei-, wenn nicht mehrdeutig. Geht die Frau kaputt, geht die Zukunft des Mannes mit. Die Frau bestimmt, was aus dem Mann wird? q.e.d. Aber so sieht der Blogger das nicht, sondern er meint, diese Frau müsse jetzt den Mann als Kandidatin beerben. Woher sollte sie dazu Substanz und Kraft nehmen? Unter den Fotos bei Google ist kaum eines, auf dem Anne Sinclair fröhlich und unbeschwert dreinschaut, vor allem nicht auf denen, die sie mit ihrem Ehemann zeigen.
Anne Sinclair, die nichts zuzusetzen hat, drückt jetzt mit ihren Beziehungen und ihren Millionen alles platt, was sich ihr in den Weg stellt. Ihren Mann haut sie heraus, weil sie (SIE!) nicht als Vergewaltigerin dastehen will, sie identifiziert sich längst mit ihm, sie ist er. Wenn dieser Prozeß überstanden ist, wird sie ihre Schuldigkeit getan haben, sie kann gehen, und DSK beginnt, um Abstand von der gräßlichen Vergangenheit zu gewinnen, ein neues Leben - mit Ehefrau Nr. 4.
Soweit die Tatsachen in den USA.